„Wir suchen die Entrepreneure, die ein echtes Problem lösen“

tech2impact will ein Netzwerk und eine Plattform für Gründer schaffen, die Technologie einsetzen, um zur Lösung relevanter globaler Probleme beizutragen. Knapp 100 Changemaker sind schon verknüpft.

Sofie aus Schweden hat einen Handschuh entwickelt, der Menschen mit Behinderung hilft, ihre Hände zu bewegen. Jorge aus Mexiko hat einen Weg gefunden, wie auch Menschen, die gar keinen Zugang zum Internet haben, Apps nutzen können. Lutz aus Deutschland arbeitet an einer Bioprinting-Technologie, um Organe zu drucken und so den Mangel an Organspenden überwinden zu können. Was die drei gemeinsam haben? Sie nutzen fortschrittliche Technologie, um schwerwiegende Probleme zu lösen. Alle drei sind „Changemaker“: Sie verändern mit ihren Erfindungen das Leben vieler Menschen zum Besseren.

Zu finden sind die drei – und dutzende weitere brillante Gründer – bei tech2impact. Die Organisation bringt weltweit Unternehmer zusammen, die mit ihren Start-ups eine positive Wirkung (Impact) erzielen wollen und dazu Technologie einsetzen. Sasha Lipman und Jelena Popovic haben tech2impact im Mai 2020 in Wien gegründet. Ihr Ziel ist es, eine Plattform für solche Changemaker zu schaffen, sie untereinander zu verbinden und auch mit Investoren, Experten, Behörden und Akteuren aus verschiedenen Industrien (Acceleratoren, Unternehmen) zusammenzubringen. So entsteht ein Unterstützungssystem, dass Gründern hilft, ihr Geschäft auszubauen und ihren Tech Impact zu verstärken. 

Die Welt verändern – und Geld verdienen

tech2impact soll nicht zuletzt aber auch dazu beitragen, die Antworten von Technologie-Startups auf die großen Herausforderungen der Menschheit sichtbar zu machen. „Wir wollen die Gründer unterstützen und mit vielen Vorurteilen aufräumen“, sagt Sasha im Gespräch mit MEIN LEBEN. „Das erste Vorurteil ist, dass Start-ups, die Gutes tun wollen, kein Geld verdienen können oder dürfen. Und das zweite Vorurteil ist, dass Start-ups, die Geld verdienen, nicht gut sein können. Das stimmt so beides nicht – und das wollen wir zeigen.“

Sie habe viele Start-ups gesehen, die entweder die Lösung für ein Problem anbieten, das gar kein wirkliches Problem ist, oder die ein Problem lösen, das von anderen eigentlich bereits gelöst wurde, berichtet Sasha. „Von diesen Start-ups hat die Welt schon genug“, findet sie. „Wir suchen Entrepreneure, die tatsächlich einen Mehrwert schaffen und ein echtes Problem lösen.“ Hinzukommt der zweite Aspekt: „Wir suchen solche Start-ups, die Technologie einsetzen, um die Probleme anzugehen und zu lösen, die gelöst werden müssen.“ Und es werden auch nur Start-ups aufgenommen, die auch ein funktionierendes Geschäftsmodell haben.

Noch ist tech2impact ein Verein. So konnte das Team um Sasha und Jelena sofort loslegen und mit dem Aufbau der Plattform beginnen. Die sieben Mitglieder des Kernteams arbeiten aktuell noch ehrenamtlich. „Aber da wir ja beweisen wollen, dass man als Start-up mit Social Impact sehr wohl Geld verdienen kann, haben wir perspektivisch natürlich vor, daraus ein profitables Unternehmen zu machen“, stellt Sasha klar.

Österreich ist ein guter Ort für Gründer

© tech2impact

Die 24-Jährige stammt aus der Ukraine. Dort hat sie Japanisch studiert und für die internationale Studentenorganisation AIESEC gearbeitet. AIESEC hat sie dann auch nach Wien gebracht. Sie leitete hier das Projekt „Empower Austria“, das internationale Talente für österreichische Start-ups gewinnen sollte. „So bin ich mit der Startup-Szene in Österreich in Kontakt gekommen“, sagt Sasha. Diese Szene hat sie nicht mehr losgelassen. Bei den Wiener Start-ups Dealmatrix und Hackabu konnte sie zudem nicht nur Kontakt zu vielen weiteren Start-ups aufbauen, sondern auch zu Investoren und anderen Akteuren des Start-up-Ökosystems. „Ich bin sehr tief in die Szene eingetaucht – nicht nur in Österreich, sondern auch darüber hinaus.“

Diese Erfahrungen und weitere auch aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika und dem Nahen Osten sowie ihr Netzwerk bringt sie nun mit ihrem Team bei tech2impact ein. „Österreich ist der perfekte Ort, um ein Start-up zu starten oder auch eine Initiative wie tech2impact“, meint Sasha. „Es ist ein sicherer Hafen und kein Haifischbecken, hier arbeiten die Menschen lieber zusammen und nicht gegeneinander. Auch die Größe passt, das Start-up-Ökosystem ist nicht zu klein und nicht zu groß.“

Mentoren-Programm und Webinare

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Neben der Plattform, die die Gründer zusammenbringt und für die Welt sichtbar macht, gibt es auch sehr konkrete Unterstützung für die angehenden Unternehmer. Da ist zum einen das Mentoren-Programm, das nun seit Juni zum ersten Mal läuft. Komplett virtuell – so war das auch schon vor Corona geplant. Dabei geben erfahrene Experten den Gründern der 30 beteiligten Start-ups Rat und Informationen, öffnen Türen und unterstützen sie bei der Bewältigung ihrer dringendsten Herausforderungen.

Der Mentor und Sparringspartner arbeitet über einen Zeitraum von vier Monaten eng mit den Gründern zusammen, um Lösungen zu finden und die größten Schwierigkeiten der Start-ups anzugehen. Als Mentoren und Experten konnte tech2impact 23 Partner überall auf der Welt – von Australien bis Nordamerika – gewinnen. „Die Mentoren sind oft von den Ideen so begeistert, dass sie gleich mehrere Start-ups coachen wollten“, berichtet Sasha. Die Mentoren arbeiten ohne Honorar und auch für die Start-ups ist das Programm kostenfrei.

Neben der persönlichen Beratung erhalten die rund 100 Gründer im Netzwerk auch in einer Reihe von Online-Seminaren Einblicke in verschiedene Themen, die zum erfolgreichen Aufbau eines Unternehmens gehören, wie etwa Finanzierung und Teammanagement.

Ein Tech Radar, um gute Ideen zu finden

Aber nicht nur Gründer finden bei tech2impact Unterstützung. Das Impact Tech Radar liefert gute Ideen für alle, die Lösungen zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen suchen. Es ist eine globale, organisch wachsende Datenbank für technische Lösungen, die einen positiven Impact haben.

Eine dieser Lösungen kommt von BirdShades. Das 2018 gegründete Start-up entwickelt eine transparente Hightech-Fensterfolie, um weltweit Milliarden von Vögeln vor tödlichen Kollisionen mit den Glasflächen von Gebäuden zu retten. Ein anderes Beispiel ist Dreamwaves, eine Audio Augmented Reality Navigation, die Blinde oder Sehbehinderte mit Hilfe von virtuell verorteten Klangmarken zu ihrem Ziel führt. Auf einem ganz anderen Gebiet forscht das österreichische Start-up Mixteresting. Es baut ein Software-Tool basierend auf künstlicher Intelligenz (KI), mit dem neue vielversprechende Betonmischungen virtuell simuliert werden können. Die Simulation hilft, Zeit und Kosten zu sparen – und die CO2-Emissionen der neuen Mischungen zu verringern.

Doch Mentoren-Programm, Webinar und Impact Tech Radar sind erst der Anfang. Sasha und ihr Team haben noch große Pläne. „Zum einen suchen wir Botschafter auf der ganzen Welt. In Frankreich waren wir schon erfolgreich“, sagt Sasha „Zum anderen wollen wir Impact Tech zum Mainstream machen und das Thema aus seiner Nische herausholen. Am Ende soll jeder Tech-Gründer ein Bewusstsein dafür entwickeln, welche Wirkung er mit seinem Start-up erzielt – und dass er keinen Schaden anrichten sollte.“

Der nächste Schritt für tech2impact ist eine Responsible Tech Campaign, die technische Start-ups unter die Lupe nimmt. „Es geht darum, die Lösungen aus ethischer Perspektive zu bewerten und alle potenziellen Risiken bei der Anwendung des Produkts zu prüfen“, sagt Sasha. „Außerdem soll im Rahmen der Kampagne ein Austausch darüber stattfinden, warum Ethik wichtig ist und was die Fallstricke beim Produktdesign und die daraus resultierenden Risiken für die Benutzer sind.“