Das Silicon Valley und die Abschaffung des Sterbens

Der Traum von der ewigen Jugend soll bald Wirklichkeit werden: In Kalifornien investieren die superreichen Tech-Unternehmer teils riesige Summen, um das Altern aufzuhalten.

Das große Dilemma unseres Menschseins ist: Wir wollen lange leben, altern wollen wir aber nicht.

Das große Dilemma unseres Menschseins ist: Wir wollen lange leben, altern wollen wir aber nicht.

150 Jahre alt möchten die Deutschen werden, bei den US-Amerikanern sind es 250, bei den Spaniern gar 500 Jahre. Zu diesem Ergebnis kam 2018 eine Studie des australischen Psychologen Matthew Hornsey. Die Voraussetzung wäre allerdings, sie blieben ewig jung. Die Untersuchung zeigt ein Dilemma unseres Menschseins: Wir wollen lange leben, altern wollen wir aber nicht. Für die immerwährende Jugend halten wir Diät, treiben Sport und geben viel Geld aus. 324,6 Milliarden US-Dollar erwirtschaftete die globale Anti-Aging Industrie 2017, bis 2022 ist ein Wachstum auf etwa 429 Milliarden Dollar prognostiziert. Bereits der erste Kaiser von China und Alexander der Große suchten nach dem Jungbrunnen, heute sind es vor allem die reichen Unternehmer aus dem Silicon Valley, die sich mit dem Altern nicht abfinden wollen. Sie investieren in Wissenschaft und Forschung, um Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Diabetes zu heilen und so den Traum vom langen, gesunden Leben zu verwirklichen.

Senolytics als vielversprechender Ansatz

PayPal-Mitgründer Peter Thiel, der täglich Wachstumshormone einnimmt und seinen Körper später von der Non-Profit-Organisation Alcor einfrieren lassen möchte, investiert Millionen in Forschungseinrichtungen wie die SENS Research Foundation. Dort arbeitet man emsig an Therapien, die altersbedingte Veränderungen im Körper aufhalten sollen. Dazu gehört die Entfernung von seneszenten (alternden), teilungsunfähigen Zellen, die zu entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis beitragen können. Senolytics gilt seit 2016 als einer der vielversprechendsten Ansätze der Alternsforschung. Damals konnte das Buck Institute of Research on Aging mit der Mayo Clinic Mäuse gentechnisch so manipulieren, dass sie seneszente Zellen auflösten. Dadurch erhöhte sich ihre Lebenserwartung um mehr als 25 Prozent. Das Potenzial für uns Menschen möchte auch Unity Biotechnology nutzen. 2018 wurden erste klinische Studien mit einem senolytischen Medikament an Arthrose-Patienten gestartet.

Eine Therapie gegen das Altern ist Senolytics: Die Entfernung von seneszenten (alternden), teilungsunfähigen Zellen, die zu entzündlichen Erkrankungen beitragen können.

Eine Therapie gegen das Altern ist Senolytics: Die Entfernung von seneszenten (alternden), teilungsunfähigen Zellen, die zu entzündlichen Erkrankungen beitragen können.

Milliarden für die Alternsforschung

Während Unity, zu dessen Investoren neben Thiel auch Amazon-Gründer Jeff Bezos zählt, bald ein Medikament einführen möchte, hält man sich andernorts bedeckt. „Wir bekämpfen das Altern, eines der größten Rätsel des Lebens“, mit diesem Versprechen ging 2013 Google-Gründer Larry Page mit dem Biotechnologieunternehmen Calico (California Life Company) an den Start. Sechs Jahre, 100 Angestellte und ein Budget von 1,5 Milliarden US-Dollar später ist die Öffentlichkeit kein bisschen weiser. Preisgegeben hat das Unternehmen, das seit 2015 unter der Holding Alphabet firmiert, nur einige Studien sowie Kooperationen, darunter eine Forschungsallianz mit dem Pharmaunternehmen AbbVie zu Alterskrankheiten wie Krebs und dem Verlust von Nervenzellen. Eine Partnerschaft, die die Unternehmen bis 2022 verlängert haben, ohne ihre bisherigen Ergebnisse bekannt zu geben.

Was macht Calico?

Für diese Verschlossenheit erntet Calico ebenso Kritik wie für die großen Datenmengen, die das Unternehmen sammelt. Es könne sich sensible Informationen über Patienten zunutze machen, fürchten Datenschützer. Von all dem möchte Genetiker David Botstein, Chief Science Officer bei Calico, nichts wissen. „Statt geldbringenden Ideen nachzuhetzen hat man uns eine sehr schöne Geldsumme gegeben“, wurde er 2016 zitiert. „Damit sollen wir etwas dagegen unternehmen, dass wir so wenig über das Altern wissen.“ Im „besten Fall“ werde Calico der Welt in zehn Jahren etwas Außergewöhnliches präsentieren können.

Das Altern ist kein einheitliches genetisches Programm, es ist ein Prozess, der verschiedene Ebenen und Organe betrifft.

Das Altern ist kein einheitliches genetisches Programm, es ist ein Prozess, der verschiedene Ebenen und Organe betrifft.

Gibt es eine natürliche Grenze?

Was das sein könnte, darauf wartet man nicht nur im Silicon Valley mit Spannung. Die vom amerikanischen Zukunftsforscher Ray Kurzweil 2007 in Aussicht gestellte Unsterblichkeit für alle wird es vermutlich nicht sein. Ebenso wenig die Nanoroboter in der Größe einer Blutzelle, die Krankheiten heilen werden. „Solche Visionen sind gut, sie treiben die Forschung an“, erklärt Prof. Dr. Christoph Englert vom Leibniz-Institut für Alternsforschung. Inhaltlich betrachtet er diese Visionen skeptisch. Auch dass Calico die Pille für die ewige Jugend finden könne, sei unwahrscheinlich. „Das Altern ist ein Prozess, der verschiedene Ebenen und Organe betrifft“, sagt der Forscher, der das Altern nicht für ein „einheitliches genetisches Programm“ hält. „Es ist wie bei einem Auto: Wenn die Karosserie kaputt ist, kann ich sie austauschen. Dann lassen die Bremsen nach. Dann der Motor...“, sagt er. So ähnlich passiert das im Alter mit den verschiedenen Organen im menschlichen Körper, die nacheinander den Dienst einstellen. Die Natur befinde dann, der Organismus habe seine Schuldigkeit getan und könne Funktionen abbauen, sagt Englert. Die Zellen regenerieren sich schlechter, die Wahrscheinlichkeit an Arteriosklerose, Demenz, Herzinfarkt oder Krebs zu erkranken, steigt. Spätestens mit 120 Jahren ist Schluss, dann sei die natürliche Grenze unserer Lebensspanne erreicht, ist Englert überzeugt.

Langsamer altern

Während sich die maximale Altersgrenze in den vergangenen Jahrtausenden nicht merklich verschoben hat, steigt hingegen die durchschnittliche Lebenserwartung. In Österreich liegt sie derzeit bei 79,3 Jahren für Männer und bei 84,1 Jahren für Frauen. Insgesamt 1.019 Menschen (147 Männer und 872 Frauen) waren am 1. Jänner 2018 mindestens 100 Jahre alt, hat Statistik Austria ermittelt. Mit 110 Jahren zählt die älteste Frau des Landes, die Oberösterreicherin Anna Wiesmayr, zu einer Minderheit von weltweit maximal 450 „Super-Hundertjährigen“. „Von keinem Menschen auf Erden ist verbürgt, dass er älter als 120 Jahre alt geworden ist“, sagt Englert. „Dass wir wesentlichen Einfluss auf die maximale Lebensspanne haben, das glaube ich nicht“, meint er. „Aufhalten können wir den Alterungsprozess nicht. Verlangsamen aber sehr wohl.“

Fasten als Verjüngungskur

Eine Methode die Jugend zu verlängern, ist regelmäßiger tage- oder stundenweiser Verzicht auf Nahrung. „Beim Intervallfasten oder periodischen Fasten wird Autophagie (altgriechisch: „sich selbst verzehrend“) eingeschaltet“, erklärt Buchautor und Molekularbiologe Dr. Slaven Stekovic von der Karl-Franzens-Universität Graz das Phänomen, für dessen Entdeckung der Japaner Yoshinori Ohsumi 2016 den Medizin-Nobelpreis erhalten hat. „Autophagie ist ein Reinigungsprozess der Zellen, eine Art Recycling. Defekte Moleküle und Bestandteile der Zellen werden abgebaut. Sie hätten zur Störung der Zellfunktion geführt. Werden die Teile entfernt, kann die Zelle länger überleben.“ Auch Stoffe in der Natur könnten diese Autophagie einschalten. Vor allem die Substanz Spermidin hat der Molekularbiologe Stekovic, der 2017 auf der Forbes „30 unter 30“-Liste landete, erforscht und Nahrungsergänzungsmittel auf Pflanzen-Basis entwickelt. In Studien mit der Berliner „Charité“ konnte das Grazer-Team nachweisen, dass die Erhöhung der Spermidin-Einnahme durch diese Mittel nicht nur unbedenklich sei, sondern das Gedächtnis bei älteren Menschen verbessert. „Fasten und Spermidin helfen, den Alterungsprozess zu entschleunigen“, bestätigt der 30-Jährige, der die Produkte über das Start-up TLL The Longevity Labs vertreibt. „Wir müssen dennoch auf gesunde, ausgewogene Ernährung und Bewegung setzen. Übermäßigen Alkohol- sowie Tabakkonsum könnte Spermidin nicht ausgleichen.“ Soll es auch nicht.

Altern als Chance sehen

Statt ewige Jugend zu versprechen, steht für Stekovic etwas anderes im Zentrum seiner Forschung: „Ethische und moralische Fragen spielen für jeden Alternswissenschaftler, der seinen Job halbwegs ernst nimmt, eine große Rolle“, meint der Molekularbiologe: Wie wollen wir in zehn bis 20 Jahren unser Leben gestalten? Wer kann sich Gesundheit und Jugend leisten? Welche Konsequenzen hat die höhere Zahl an älteren Menschen für das Gesundheitssystem? Vor allem aber: Wie gehen wir mit alten Menschen um? „Es ist unsere Aufgabe dazu beizutragen, das Alter zu entdämonisieren“, pflichtet Christoph Englert bei. „Alter ist keine Krankheit, sondern eine Chance und ein Privileg.“ Eine solch positive Einstellung kann sich nachweislich positiv auf die körperliche wie geistige Gesundheit auswirken. Vielleicht ist genau darin der wahre Jungbrunnen zu finden...