Veränderung:
„Jeder kann ein Mensch der Tat sein“

Der Jahreswechsel ist die Gelegenheit für gute Vorsätze. Der Psychologe Georg Fraberger macht Menschen Mut, die etwas in ihrem Leben verändern wollen.

Risikofreudigen Menschen fällt das Entscheiden leichter.

Risikofreudigen Menschen fällt das Entscheiden leichter.

Herr Fraberger, wann haben Sie zuletzt ihrem Alltag eine neue Wendung gegeben und woran scheitern sie regelmäßig?
Die letzte große Wendung war im Sommer, da habe ich abgenommen. Ich bin mit meinem Körper zufrieden und mit meiner Behinderung – ich wurde ohne Arme und Beine geboren – nicht unzufrieden. Aber ich achte trotzdem auf mein Gewicht und wenn es zu viel ist, dann reduziere ich es. Das hat gut funktioniert. Wenn ich mit etwas scheitere, liegt das oft an der Sinnfrage. Wenn ich keinen wirklichen Grund für eine Veränderung finde, dann wird es schwer.

Viele Leute gehen mit guten Vorsätzen ins neue Jahr. Ist das ein guter Zeitpunkt, um Veränderungsprozesse anzugehen? 

Der Jahreswechsel ist nicht ausschlaggebend, aber er beeinflusst ein bisschen die Gefühle. Wenn es draußen dunkler wird, sind wir etwas weniger fröhlich und tendenziell nachdenklicher. Für eine Veränderung braucht es etwas, das uns die Augen öffnet. Wir brauchen Mut, etwas zu beginnen und damit auch scheitern zu dürfen. Und wie brauchen die Bereitschaft, Veränderungen willkommen zu heißen.

Psychologe, Motivationsredner und Autor Georg Fraberger
© Aleksandra Pawloff

Psychologe, Motivationsredner und Autor Georg Fraberger

Georg Fraberger ist Psychologe, Motivationsredner und Autor – unter anderem von „Wie werde ich Ich: Zwischen Körper, Verstand und Herz“ und „Ein ziemlich gutes Leben“, erschienen im Residenz Verlag. Als Psychologe arbeitet Fraberger sowohl in seiner Privatpraxis als auch im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien. Dort arbeitet er vorwiegend mit Patienten mit einer lebensverändernden Diagnose. Fraberger ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Trotz bester Absichten scheitern wir oft dabei, unsere Wünsche in die Tat umzusetzen. Woran liegt das? 

 Das liegt daran, dass der Prozess des Entscheidens so schwierig ist – besonders wenn es um etwas geht, dass uns schwerfallen wird. Die Überwindung kostet enorme Kraft. Also ändern wir nichts, weil wir die Entscheidung nicht treffen wollen. Risikofreudigen Menschen fällt das leichter. Wir sollten uns weniger fragen, was wir machen wollen, sondern mehr, was wir machen können. Viele haben einen Plan im Kopf, was sie zuerst machen wollen, bevor sie das nächste machen können. Aber diese Pläne sind nicht unbedingt vernünftig. Das was man machen kann, das muss man machen. 

Wie muss ein guter Vorsatz gestaltet sein, damit wir unsere Ziele auch umzusetzen können?

Im Idealfall passiert die Entscheidung freiwillig. Freiwillig heißt aber nicht unbedingt gern. Es bedeutet, dass es mir wichtig ist, dass ich etwas mache. Menschen, die sich freiwillig entschließen, nichts mehr zu verdienen, die leben in Demut. Alle anderen, die unfreiwillig nichts verdienen, leben in Armut und Armut tut sehr weh. Ein freiwilliger Verzicht tut weit weniger weh als ein unfreiwilliger. Die Freiwilligkeit von Entscheidungen ist sehr wichtig für den Erfolg.

Wie helfen Sie konkret Menschen, die etwas in ihrem Leben verändern möchten?

Wenn ich jemandem dabei helfen möchte sich zu verändern, funktioniert das nur über eine Form der positiven Wertschätzung. Das kann man auch als Liebe bezeichnen. Ich kann jemanden zeigen, dass ich etwas mag, auch wenn er es noch nicht mag. Wenn ein Mensch amputiert wird und ich komme nach der Operation zu ihm und gratuliere ihm zum neuen Leben und zur überstandenen OP, dann fühlt er sich zuerst von mir nicht verstanden. Aber ich weiß jetzt schon, dass er mir bei meinem nächsten Besuch sagen wird, dass ich der Einzige war, der ihm gratuliert hat, während alle anderen geweint und ihn bemitleidet haben, weil sie sich ein solches Leben nicht vorstellen können. Damit die andere Person etwas annehmen kann, muss ich es wertschätzen. 

Wann ist Veränderung notwendig und auch ratsam?

 Generell orientieren wir uns an Gefühlen. Wenn wir uns auf irgendeine Art und Weise nicht wohl fühlen, dann sollten wir etwas verändern. Der Grund muss nicht in der Außenwelt liegen, sondern das kann auch unsere Innenwelt sein. Manchmal muss ich meine Einstellung oder das Bild von mir verändern. Bei Gefühlen ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass jedes Gefühl aus dem eigenen Körper kommt. Wenn mein Chef bei mir Stress auslöst, dann kommt das trotzdem von mir und ich muss mir klar werden, wie ich dem Druck entkomme. 

Wie bleibe ich stark, wenn Familie und Freunde bei Veränderungsprozessen nicht mitziehen?

In der Psychologie nennt man das die sozialen Vergleichsprozesse. Manche Menschen brauchen andere, um sich bei ihnen anzuhalten. Ich brauche eher etwas, was ich anderen entgegenhalten kann. Und das kann sich jeder aussuchen. Auch die Zeit spielt eine Rolle. Gerade wenn es ums Lernen, ums Arbeiten oder ums Abnehmen geht, ist Zeit relativ. Wenn ich lernen muss, dann ist es besser zu sagen, ich lese jetzt mal zehn Minuten, das ist besser als gar nichts. Einfach beginnen, auch ohne begeistert zu sein. Wir brauchen gar nicht so viel Unterstützung. Jeder von uns kann ein Mensch der Tat sein. Ich versuche den Leuten Mut zu machen, es einfach zu probieren. Warum soll es jemand anderer besser wissen? Das Wissen ist nicht unser Problem, das Problem ist das Fühlen. Und erst wenn wir beginnen, etwas zu tun, kann sich auch das Gefühl verändern und mitmachen. Dann stellen sich auch Erfolgserlebnisse relativ rasch ein. Das klingt hart, ist aber ganz einfach: Wir haben immer die Wahl.