„Man muss sich hohe Ziele stecken, um auch viel erreichen zu können“

Als Sprinter gewann er 2012 doppeltes Gold über 400 und 800 Meter bei den Spielen in London. In Tokio erlebt Günther Matzinger bereits seine vierten Paralympischen Spiele. Doch von Routine keine Spur: Denn der einstige Sprinter sattelte auf Triathlon um.

Am 24. August 2021 werden in Tokio die Paralympics eröffnet - und der Salzburger Günther Matzinger wird bei seinen vierten Spielen als Österreichs Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier zu besonderen Ehren kommen. 2008, 2012 und 2016 hatte der 34-Jährige noch als Leichtathlet teilgenommen, in Japans Hauptstadt geht er im Triathlon an den Start. Die Form stimmt, einige letzte Schritte sind vor dem Saisonhöhepunkt noch zu erledigen. MEIN LEBEN sprach kurz vor seinem Abflug noch mit dem Ausnahmeathleten.

Lieber Günther, im Vorjahr wurden die Spiele mitten in der Vorbereitung abgesagt. Wie geht man damit um und welche Gedanken gehen da durch den Kopf?

Ja, die Nachricht war schon ein Brocken, den ich erst einmal verdauen musste. Vor allem, weil es meine wahrscheinlich letzten Paralympics sein sollten. Es hat dann ein paar Tage gedauert, bis ich 2021 als neues Ziel ins Auge gefasst habe und dann wieder voller Motivation ins Training gestartet bin. Mittlerweile bin ich sogar froh um die Verschiebung, weil ich mich in allen drei Disziplinen zum Vorjahr noch steigern konnte.

Hattest du im Laufe des Jahres öfter Angst, dass die Spiele erneut verschoben oder sogar abgesagt werden?

Zweifel, ob sie stattfinden, hatte ich schon, aber Angst war keine damit verbunden. Nachdem ich schon die Ehre hatte, bei 3 Spielen zu starten, wäre eine Absage kein so großer Schrecken gewesen, als wenn ich mich das erste Mal qualifiziert hätte.

Beim World Series Rennen in Leeds sicherte sich Matzinger das Olympia-Ticket

Beim World Series Rennen in Leeds sicherte sich Matzinger das Olympia-Ticket

Damit hat mich das mental nicht sehr beschäftigt und ich habe mich einfach immer so vorbereitet, als würde am 29.08. der Tag X sein. Denn alles andere kann ich eh nicht beeinflussen und verdient damit auch nicht meine mentale Energie.

Die letzte Corona-Frage: Wie hat Corona deine Vorbereitung beeinflusst?

Nicht so stark, wie man vermuten würde. Nach dem initialen Lockdown durften wir als Kaderathleten recht rasch wieder ins Schwimmtraining. Dort hatte ich dann sogar bessere Bedingungen als zuvor, weil die Trainingsgruppe sehr klein und die Bahnen im Olympiazentrum relativ frei waren.

Laufen und Radfahren war als Freiluftsport immer gut möglich. Einzig bei den Trainingslagern mussten wir etwas Abstriche machen und haben auf ein paar Wochen Vorbereitung in der Toskana verzichtet. Wir hatten zu Hause aber auch sehr gute Bedingungen, sodass ich mich sehr gut vorbereitet fühle.

Laufen, Fahrrad, Schwimmen: Welche der drei Triathlon-Disziplinen würdest du als deinen Lieblingssport bezeichnen.

Als ehemaliger 400m und 800m Läufer ist es noch immer das Laufen, auch wenn sich die Strecke deutlich verlängert hat. Mit der Vorbelastung vom Rad ist es zwar ganz etwas anderes, aber es ist sicher noch meine stärkste Disziplin, wo ich in der Regel ein paar Plätze gut machen kann.

Das Olympia-Ziel ist noch immer eine Medaille?

Aktuell bin ich im Quali-Ranking 5. und im World Ranking auf Rang 8. Es gibt in Tokio 4 Starter, die ich noch nie geschlagen habe. Eine Medaille ist also sehr ambitioniert, bleibt aber trotzdem das Ziel. Ich glaube, man muss sich hohe Ziele stecken, um auch viel erreichen zu können. Wenn es schlussendlich für keine Medaille reicht und ich trotzdem einen guten Wettkampf gemacht habe, werde ich damit auch zufrieden sein.

© Thomas Kaserer

Wie lief die Vorbereitung, bist du zufrieden mit Ergebnissen und deiner Form?

Die Vorbereitung lief sehr gut. Ich war nie krank oder verletzt, was schon mal ein sehr wichtiger Faktor ist. Am besten funktioniert aktuell das Laufen, da bin ich über die 5 Kilometer sicher in der besten Form meiner Karriere. Schwimmen und Radfahren ist etwas schwerer einzuschätzen, aber auch da habe ich ein gutes Gefühl. Die letzten Wettkämpfe mit Platz 2 im Weltcup und dem Sieg beim Mostiman Sprint waren auch noch eine gute Bestätigung.

Welche Highlights warten jetzt noch bis zu Olympia auf dich?

Keine Highlights, nur konzentrierte Vorbereitung. Ich versuche die restlichen Trainings noch gut durchzuziehen, keine Risiken mehr einzugehen und gut zu regenerieren. Bald werden wir dann die Trainingsbelastungen reduzieren und dann kommt hoffentlich das Form-Hoch. Auf dieses Gefühl und Energiehoch freue ich mich am meisten.

Nach einem harten Trainingstag: Was isst du da eigentlich am Liebsten?

Wenn der Hunger groß genug ist, dann schmeckt alles :) Wichtig ist dann die ausreichende Menge. Zuletzt waren das 12 hausgemachte Marillenknödel von Mama.

Tipp: Günther Matzingers Videotagebuch

Am 20. August wird der zweifache Paralympics-Sieger (400 und 800 Meter, London 2012) Günther Matzinger in den Flieger nach Japan steigen. Und das „in Topform“, wie er selber sagt – das Ziel bleibt daher ambitioniert: eine Medaille. Sein Triathlon-Bewerb (Kategorie PTS 5) steht am 29. August (8:30 Uhr Ortszeit/1:30 Uhr MESZ) auf dem Programm. Weil abgesehen von Trainer Franz Lugstein keine Unterstützer aus seinem persönlichen Umfeld dabei sein dürfen, will Matzinger die Community mit einem Videotagebuch an den Eindrücken vor und während der Spiele teilhaben lassen. Zu sehen auf seinen Social Media Kanälen Instagram und Facebook.

Auf was freut man sich vor den Spielen noch so, abseits der sportlichen Events. Bleibt überhaupt Zeit für Sightseeing, Essengehen etc.?

Aufgrund der strengen Covid-Regelungen leider nicht. Ich freue mich trotzdem auf das Flair im olympischen Dorf und beim Wettkampf, das ist bei Olympia einfach einzigartig.

Die Paralympischen Spiele 2024 finden in Paris statt. Auch eine schöne Stadt, oder?

Ja, ich war schon ein paar Mal dort. Und bis 2024 fließt noch viel Wasser die Seine hinunter.

© Thomas Kaserer

Wie geht es mit Windhund, deinem großen Projekt abseits der sportlichen Laufbahn weiter? Was gibt’s Neues?

Es macht mir extrem viel Freude, meine Begeisterung für Sport und Bewegung über die Windhund Plattform an viele Unternehmen weitergeben zu können. Wir arbeiten intensiv an neuen Projekten wie etwa der Internationalisierung der Plattform, einer Ausbildung für Gesundheitsmanager und einem digitalen Gesundheitstag am 28.04.2022.

Wir haben ja auch einige sportliche Leser:innen, die würden sich sicher gerne mal vergleichen mit dir: Kannst du uns Zahlen nennen wie deine schnellste Ein-Kilometer-Zeit, dein VO2max-Wert, deine längste Fahrrad-Tour + Durchschnittsgeschwindigkeit oder deine für dich stärkste Schwimmleistung?

Wer mal etwas Einblick in die ein oder andere Trainingseinheit bekommen will, kann mich am besten auf Strava oder Instagram verfolgen. Aber zur Orientierung ein paar Zahlen:

Lauf
1km: 2:27
5km: 15:32
VO2max: 69

Rad
Längste Fahrradtour: 156km
FTP: 320 Watt
Durchschnittsgeschwindigkeit Rad im Wettkampf: ca. 40km/h

Schwimmen
Trainingsumfang ca 20km/Woche
600m Test: 1:21/100m

Zum Abschluss ein kleiner Motivationstipp für unsere Leser:innen: Wie motiviert sich ein Vollprofi wie Günther Matzinger für Sport, wenn er mal ein Motivationsloch hat und lieber faul vorm Fernseher sitzen würde.

Auch das kommt vor. Oft hilft es dann einfach, die Laufsachen anzuziehen und danach zu entscheiden. In den seltensten Fällen dreh ich dann noch mal um. Und wenn dann noch ein großer Wettkampf ansteht, dann ist die Motivation selten ein Problem.