Tierische Lebensretter:
Bellen, bis Hilfe kommt

Wenn Menschen in Not sind, leisten Hunde ganze Arbeit. Die vierbeinigen Helfer der Rettungshunde Grünes Kreuz Steiermark, Staffel Lieboch bei Graz zählen zu den besten Österreichs. Zusammen mit ihren Hundeführern sind sie Helden im Ehrenamt.

In der Ausbildung wird den Hunden beigebracht, bei liegenden Personen so lange zu bellen, bis sie vom Einsatzleiter den Befehl bekommen, aufzuhören.

In der Ausbildung wird den Hunden beigebracht, bei liegenden Personen so lange zu bellen, bis sie vom Einsatzleiter den Befehl bekommen, aufzuhören.

Neon steht an einem Baum am Fuß einer steilen Böschung. Aber der Hund, ein Hollandse-Herder-Mischling, ein sogenannter X-Herder, bellt nicht. Dabei ist das seine Aufgabe. Das hat er gelernt und er ist sehr zuverlässig. Neon ist ein erfahrener Rettungshund und als er an diesem Abend im Frühjahr nicht anschlägt, aber trotzdem immer wieder zu diesem Baum schaut, weiß Hundeführer Philipp, dass irgendetwas nicht stimmt. Mühsam kraxelt er die Böschung herunter. Es ist kalt und regnet. Seit einer ganzen Weile suchen er und seine Kollegen einen Pensionisten, der im nahegelegenen Altenheim vermisst wird. Die Suchmannschaften sind angespannt, denn die Zeit rennt ihnen davon.

Wenn Neon eine vermisste Person findet, bellt er normalerweise so lange, bis er den Befehl bekommt, damit aufzuhören – in vielen Fällen eben, bis die Retter bei ihm sind. Nicht so heute. Umso überraschter ist Philipp, als er um den Baum herumgeht und dort den vermissten Pensionisten findet. Mit den bloßen Füßen steht er im eiskalten Wasser des Bachs, ist unterkühlt und brummt unverständliche Laute. „Und genau deshalb hat Neon nicht angeschlagen: Er bellt nur, wenn die Person sitzt oder liegt, aber nicht, wenn jemand steht - und erst Recht nicht, wenn er dabei redet. Sonst würde er ja bei jedem Retter anfangen zu bellen, der vielleicht am Rand des Geländes steht und telefoniert“, erklärt Philipp.

Der 31-Jährige ist Einsatzstaffelleiter der Rettungshundestaffel vom Grünen Kreuz Steiermark. Mit Neon sucht er vermisste Personen in der Fläche, in Trümmern und unter Lawinen. Zumindest sind beide – ebenso wie die anderen sechs Teams der Mannschaft – genau dafür ausgebildet. Lawinen- und Trümmereinsätze kommen allerdings selten vor, meist durchsuchen sie offenes Gelände oder Wald. Dabei müssen die Hunde nicht nur teilweise über Stunden zuverlässig Spuren verfolgen, sie dürfen sich auch vom Trubel um sie herum und der Aufregung nicht aus dem Konzept bringen lassen. „Bis ein Hund wirklich weiß, was er zu tun hat, wird er etwa vier Jahre ausgebildet“, sagt Philipp. Und auch die Hundeführer durchlaufen ein langwieriges Training, zu dem nicht nur die Arbeit mit dem Hund, sondern auch Einsatztechnik oder ein Funkerlehrgang gehören.

„Bis ein Hund wirklich weiß, was er zu tun hat, wird er etwa vier Jahre ausgebildet.“

Philipp, Einsatzstaffelleiter der Rettungshunde Grünes Kreuz Steiermark, Staffel Lieboch bei Graz

Die meisten Einsätze finden im offenen Gelände oder im Wald statt. Doch auch Lawinen- und Trümmereinsätze gehören zur Ausbildung.

Die meisten Einsätze finden im offenen Gelände oder im Wald statt. Doch auch Lawinen- und Trümmereinsätze gehören zur Ausbildung.

Eine besondere Herausforderung ist für die Hunde die Konzentration. Trotz allen Trubels dürfen sie sich nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Eine besondere Herausforderung ist für die Hunde die Konzentration. Trotz allen Trubels dürfen sie sich nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Bei Einsätzen wie dem im Mai 2016 in Semriach arbeiten meist mehrere Rettungshundeorganisationen zusammen, um die nötige Anzahl an einsatzfähigen Teams zusammenzubekommen. „Die Steiermark ist das einzige Bundesland in Österreich, wo nicht die jeweilige Rettungshunde-Organisation, sondern die Polizei eine Einsatztauglichkeitsprüfung durchführt“, erklärt Philipp. Das habe den großen Vorteil, dass die Bewertung objektiver ausfalle und alle Suchteams den gleichen, sehr hohen Qualitätsstandards entsprechen. Aber: Nur jene Hunde, die diese einsatzähnliche Prüfungssituation meistern, werden bei der Landeswarnzentrale (LWZ) der Steiermark als Rettungshunde gemeldet und dürfen für Einsätze angefordert werden. In seiner Staffel hätten aktuell allerdings noch nicht alle Hunde diesen Einsatztauglichkeitstest bestanden.

Manchmal müssen die Hundeführer auch die Rollen tauschen. „Wir brauchen ja auch Figuranten“, sagt der Experte und erklärt: Wenn ein Hund stundenlang eine Fährte verfolgen solle, brauche er zwischendrin ein Erfolgserlebnis. Da kämen die Figuranten zum Einsatz. Sie mimten ein Opfer und ließen sich finden. Der Hund werde dafür belohnt und bleibe motiviert weiterzusuchen. „Auf diese Weise werden die Hunde übrigens auch ausgebildet“, erklärt Philipp. 

Ohne wirklich gute Figuranten gäbe es kaum gute Rettungshunde, betont er. „Beim Training, aber auch beim Einsatz, ist der Hundeführer oft relativ weit von seinem Hund entfernt, wenn der einen Fund anzeigt. Er kann ihn also nicht unmittelbar loben oder auf ihn reagieren. Das macht in dem Fall der Figurant. Deshalb legen wir viel Wert darauf, dass alle Hundeführer auch gute Figuranten für die anderen Tiere der Staffel sind.“ 

Der ältere Mann übrigens, den Philipp und Neon im Frühjahr in diesem Bachbett fanden, konnte versorgt werden und war schnell wieder wohlauf. Neon und sein Hundeführer haben bei ihrer gemeinsamen Arbeit schon Lawinenopfern geholfen und verirrte Wanderer gerettet. Sie sind immer im Einsatz, wenn es um Leben und Tod geht. Das unterscheidet ihre Tätigkeit von einem herkömmlichen Job am Schreibtisch oder anderswo. „Und wenn die eigene Arbeit so einen Unterschied macht, dann ist das nicht nur ein gutes Gefühl. Dann weiß man auch wieder, warum man das macht“, sagt der Hundeführer. Die lebensrettenden Erlebnisse sind die Triebfeder für ihn, denn Geld bekommen Philipp und seine Kollegen für ihre Arbeit nicht. Sie leisten sie ehrenamtlich. 

Neon und sein Hundeführer sind immer im Einsatz, wenn es um Leben und Tod geht.

Motivation für ihre Arbeit erhalten Hunde zwischen den Einsätzen von Figuranten. Sie mimen Opfer, damit die Hunde eine Belohnung erhalten.

Motivation für ihre Arbeit erhalten Hunde zwischen den Einsätzen von Figuranten. Sie mimen Opfer, damit die Hunde eine Belohnung erhalten.

„GRÜNES KREUZ STEIERMARK“

Das  Grüne Kreuz Steiermark  ist der zweitgrößte Rettungs- und Krankentransportdienst in Österreich. Zu den wichtigsten Aufgaben zählen:

  • Rettungs- und Krankentransportdienst
  • Katastrophenhilfsdienst und Intensivtransporte
  • First-Responder-System
  • Ambulanzdienst
  • Ausbildungslehrgänge zum Pflegehelfer, Rettungssanitäter und Heimhelfer
  • Erste-Hilfe- und Ersthelfer-Ausbildungen
  • Betreuung öffentlicher Veranstaltungen
  • Rückholdienst aus dem In- und Ausland
  • Senioren-Rufhilfe, Dialysetransporte
  • Mantrailing-Suchhundestaffel (mehr dazu hier auf Facebook)