So aßen die Österreicher früher:
Alte Äpfel, Geselchtes und die Backhendlzeit

Früher kam auf den Tisch, was in unmittelbarer Umgebung wuchs oder herumlief. Das wurde gleich gegessen oder auf allerlei Arten konserviert. Mit der Erfindung der Dose und des Kühlschranks gerieten traditionelle Methoden in Vergessenheit. Wir schauen uns an, was die Österreicher gegessen haben. War ihre Ernährung gesünder als heute?

Ganz im Hier und Jetzt

Stilleben aus dem frühen 19. Jahrhundert: Neben Getreide war Gemüse die Hauptgrundlage der Ernährung.
James Peale "Balsam Apples and Vegetables"

Stilleben aus dem frühen 19. Jahrhundert: Neben Getreide war Gemüse die Hauptgrundlage der Ernährung.

Regional und saisonal – mit diesen Stichworten werden in jüngster Zeit wieder Lebensmittel und ambitionierte Restaurants beworben. Früher gab es nichts anderes. Gegessen wurde – was da war. Melchermuas oder Bohnensterz, Grünkohl oder Spinat – was gegessen wurde, hing vom Wohnort und von der Jahreszeit ab. Zwischen Stadt oder Land gab es große Unterschiede, das Angebot einer Weingegend war ein anderes als das eines Alpentals. Entsprechend unterschiedlich sahen die Speisezettel aus.

Was auch immer Feld, Wald, Garten und Hof lieferten, es musste haltbar gemacht werden, um über den Winter, bis zur nächsten Schlachtung oder Ernte, damit auszukommen.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge von Industrialisierung und dem Anwachsen der Städte begannen sich die Ernährungsgewohnheiten stark zu verändern. Konservendosen, optimierter Gewächshausanbau, Importe aus dem Süden und elektrische Kühlschränke eröffneten neue Möglichkeiten.

Salzen, Dörren, Einrexen

Räuchern macht haltbar: Speck beim Selchen in der Manufaktur „Großarler-Genuss“
©grossarler-genuss

Räuchern macht haltbar: Speck beim Selchen in der Manufaktur „Großarler-Genuss“

Unsere Vorfahren entwickelten eine Vielzahl von Methoden, um Lebensmittel haltbar zu machen. Schon die Römer räucherten Fleisch, legten Lebensmittel in Öl oder Salz ein, konservierten Früchte in Honig. Viele Konservierungsarten hielten sich bis in die Neuzeit.
Zum Beispiel das Einrexen – dabei werden Lebensmittel erhitzt und anschließend in einem Glas luftdicht abgeschlossen. Dadurch können keine Bakterien oder Pilzsporen mehr hineingelangen. So konnten sich die Menschen auf dem Land während der Erntezeit ein umfangreiches Lager an Gemüse und Obst für die Wintermonate zulegen.
Das Einkochen von Obst tötet Keime ab, die Zugabe von Zucker konserviert es in Form von Marmelade und Konfitüre.

Auch das Einlegen in Salz, Essig oder Öl dient der Haltbarmachung. Ganz ohne Zutaten werden Lebensmittel beim Dörren mit Luft getrocknet. Man denke nur an die Kräuterbüschel, die man auch noch mitunter an einer sonnigen Hauswand hängen sehen kann.

Salz wird traditionell zur Haltbarmachung von Fleisch verwendet, dann nennt man es Pökeln. Zudem wurde das gepökelte Fleisch oft geräuchert, also geselcht. Heute wird Fleisch geräuchert, weil es gut schmeckt.

Wie das heutzutage angewandt wird, macht die Manufaktur „Großarler-Genuss“ vor. Der Betrieb ist Metzgerei, Gastronomie und Fleisch-Veredler und -Verkäufer zugleich. Geschäftsführer Thomas Ammerer erklärt, sie veredelten und verkauften fast nur Tiere aus dem Großarltal. 5 Tonnen Fleisch verarbeiten sie in der Woche, hauptsächlich Rind. „Die Nachfrage nach Regionalität ist viel größer als nach Bio“, konstatiert er. In der Kaltrauchanlage hängt der Himmel voller Speck, geräuchert wie in einer traditionellen Rauchkuchel, aber mit modernster Technik. Außerdem bringen 20 Jäger im Jahr etwa 450 Stück Rotwild. Die Wild-Würste müssten aufgehängt 40 Prozent Gewicht verlieren, „wegen der Listerien“, den krankheitserregenden Bakterien. Das wussten die Vorfahren zwar nicht, „aber sie haben die Würste ohnehin lange gelagert“, sagt Ammer.

Fermentation: Gesundes Gären

Käseherstellung: Konservierung von Milch durch Fermentation

Käseherstellung: Konservierung von Milch durch Fermentation

Schädliche Mikroorganismen lassen Lebensmittel verderben. Aber Mikroorganismen wie Schimmelpilze, Hefen und Bakterien werden auch für ihre Konservierung genutzt. Die Fermentation, vom lateinischen fermentum „Gärung”, zählt zu den ältesten Konservierungsmethoden. Es ist ein biochemischer Prozess, bei dem Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen und Schimmelpilze organische Substanzen umwandeln. Dabei entstehen mit Alkohol, Gase oder Säuren auch die komplexen Aromen und Texturen fermentierter Lebensmittel.

Fermentierte Lebensmittel sind reich an probiotischen Bakterien, die die Darmgesundheit unterstützen und die Verdauung verbessern. Fermentation erhöht den Nährwert von Lebensmitteln und verbessert den Geschmack.
Die Fermentation ermöglichte die Konservierung von Milch. Dabei wird Laktose in Milchsäure umgewandelt, Joghurt und Käse entstehen. Mit dem Käse konnten auch Alpenbauern ihre Milch zu einem Produkt verarbeiten, das sich lange hielt und gut transportieren ließ.

Teil der Ernährung: Bier und Wein

Die Herstellung von Wein und Bier diente auch der Wsseraufbereitung.

Die Herstellung von Wein und Bier diente auch der Wsseraufbereitung.

Auch Bier und Wein entstehen durch die Fermentation von Getreide und Trauben.  Auch hier spielte die Konservierung eine wichtige Rolle. Es ging also nicht nur darum, anregende alkoholische Getränke herzustellen. Durch das Bierbrauen wurden außerdem schädliche Mikroorganismen eliminiert, es diente damit auch der Wasseraufbereitung. Wichtig vor allem in den Städten, in denen sauberes Trinkwasser nicht immer verfügbar war. So wurde Bier zu einem wichtigen Bestandteil der täglichen Ernährung - auf für Kinder. Erst im 19. Jahrhundert erkannte man die schädlichen Auswirkungen von Alkohol auf Kinder.

Grundlage der Ernährung: Getreide

Bauern ernährten sich früher vor allem von Getreide in Form von Brot, Brei, Nudeln, Mehlspeisen oder Suppen. Neben Weizen wurden Roggen, Gerste, Hafer und Dinkel angebaut.
Bis in das frühe 19. Jahrhundert wurde Mehl hauptsächlich durch Mahlen von Getreide zwischen zwei großen Steinen hergestellt, was ein Vollkornmehl mit allen Bestandteilen des Korns ergab. Durch Fortschritte in der Mühlentechnik konnten später Kleie und der Keim entfernt werden. So erhielt man ein feineres, helleres Mehl. Dieses Weißmehl wurde zunehmend beliebter. Erst viel später wurde bemerkt, dass wichtige Nährstoffe und Ballaststoffe im Zuge der Raffination verloren gehen. Das Vollkornbrot erlebte ein Comeback.

Getreideprodukte wurden durch Kartoffeln, Gemüse, Hülsenfrüchten, Eier, Milchprodukte und, soweit verfügbar, mit Fleisch oder Fisch ergänzt.

Die Gemüsesorten

Neben Getreide war Gemüse die Hauptgrundlage der Ernährung. Der Winter gilt als kulinarisch karg, aber auch in Österreich wächst und wuchs viel Wintergemüse im Freiland. Es lohnt sich auch heute wieder, im Winter regional zu essen. Winterhartes Frischgemüse kann reich an Vitamin C sein, etwa der Vogerlsalat. Und dann ist da noch Brassica: Kohl und Konsorten. Dazu zählen Wirsing, Grünkohl und Kohlsprossen, aber auch Broccoli und Karfiol.

Neben Kohl war in Österreich Wurzelgemüse – Karotten, Rüben, Rauna, Sellerie, Kohlrabi und Pastinaken – weit verbreitet. Diese nahrhaften Gemüsesorten konnten lange gelagert werden. Bohnen und Erbsen waren wichtige Proteinquellen und konnten getrocknet werden, Zwiebeln und Knoblauch wurden wegen ihrer Lagerfähigkeit und ihres Geschmacks geschätzt. Dazu kamen im Gurken, Spinat und Kräuter. In den Alpen finden sich rund 400 Wildkräuter. Sie dienten als Würzmittel und Medizin.

Im 18. Jahrhundert setzte sich der aus Amerika stammende Erdapfel durch, später folgten Paprika, Mais und Paradeiser. Manches einst beliebtes Gemüse ist heute völlig verschwunden, etwa die spinatähnliche Gartenmelde.

Altes Obst

Paradeieservielfalt aus dem Archiv des Vereins ”Arche Noah”
©Arche Noah

Paradeieservielfalt aus dem Archiv des Vereins ”Arche Noah”

Seit einigen Jahren werden alte Obstsorten wiederentdeckt, zum Beispiel Äpfel wie der Kronprinz Rudolf, die Steirische Schafsnase oder der Waldviertler Böhmer. Aber was heißt schon alt? Erst vermehrt im 18. Jahrhundert kam es zu einem enormen Aufschwung an Obstsortenzüchtungen, viele kamen aus den Klostergärten. Dieser Sortenreichtum war allerdings nur von kurzer Dauer, im Laufe des 20. Jahrhunderts reduzierten sich die Sorten massiv. Das hat mehrere Gründe, wie die Mechanisierung der Landwirtschaft und dadurch der Rückgang der Streuobstwiesen. Außerdem wurde mit Abfüllung von Bier in Flaschen viel weniger Most getrunken, früher ein führendes Alltagsgetränk am Land und in der Arbeiterschaft.

Der Verein Arche Noah setzt sich seit 30 Jahren für die Bewahrung von Obst- und Gemüsesorten ein. Mehr dazu liest du in unserem Artikel Gemüse aus der Samenbank.

Luxus: Fleisch

Der„Nose To Tail”: Koch Max Stiegl verwertet wie früher Tiere komplett von oben bis unten.
© Ingo-Pertramer

Der„Nose To Tail”: Koch Max Stiegl verwertet wie früher Tiere komplett von oben bis unten.

Fleisch wurde lange Zeit nur wenig gegessen. Viele konnten sich, wenn überhaupt, nur den Sonntagsbraten leisten. Noch im 18. Jahrhundert war Fleisch weitgehend dem Adel und wohlhabenden Bürgern vorbehalten. Fleisch war ein Luxusgut, Fleischverzehr ein Statussymbol.

Wenn geschlachtet wurde, kam nahezu alles vom Tier auf den Tisch – inklusive Gehirn, Innereien oder Füßen. Heute wird die Tradition der Ganztiernutzung unter der Bezeichnung „Nose To Tail” wiederentdeckt, beispielsweise vom gefeierten Koch Max Stiegl auf Gut Purbach.

Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts erlebte Österreich, wie viele andere europäische Länder auch, einen signifikanten Anstieg im Fleischkonsum. In Österreich stieg erst ab 1960 der Verzehr beispielsweise von Schweinefleisch massiv an, von knapp 26 Kilo auf 43 Kilo pro Person und Jahr um die Jahrtausendwende. Doch laut Statista sinkt inzwischen der Fleischkonsum wieder: 2007 wurden 67 Kilo pro Kopf und Jahr verspeist, 2021 waren es rund 59 Kilogramm.

Vielfalt in den Städten

Die Ernährungsgewohnheiten variierten je nach Region, sozialem Stand und Jahreszeit stark. In den Städten, in Wien zumal, sah der Speisezettel abwechslungsreicher aus als auf dem Land. Wien als Schmelztiegel kochte auch internationaler. Der Zuzug aus aller Herren Länder von den Kreuzzügen bis zum Reich der Habsburger bereicherte das kulinarische Angebot, vom ungarischen Gulasch, böhmische Knödeln über italienische Melanzani und Biskotte bis zum türkischen Kaffee. Urwienerisch war spätestens im 19. Jahrhundert hingegen das allgegenwärtige Backhuhn, das der Biedermeierzeit den Namen Backhendlzeit als Inbegriff für die „gute alte Zeit" verlieh.

Der Preis des Essens

Auch wenn heute viele schlucken, wenn sie auf den Kassenzettel beim Wocheneinkauf blicken – früher waren Lebensmittel teurer, viel teurer sogar. 2022 entfielen laut Statista von den Ausgaben österreichischer Haushalte rund 10 Prozent auf Ernährung. Hundert Jahre früher musste etwa eine Beamtenfamilie noch etwa 40 Prozent ihres Einkommens für die Ernährung verwenden. In Haushalten von Industriearbeitern und Taglöhnern verschlangen Nahrungsmittel sogar bis in die 1920er-Jahre über die Hälfte der gesamten Lebenshaltungskosten.

Aß man früher gesünder?

War die Küche früher gesünder? Oder sind die größere Vielfalt und ganzjährig frisches Obst und Gemüse für die Gesundheit ein Gewinn? Die Wiener Ernährungswissenschafterin Andrea Fičala sagt, darauf gebe es keine einfache Antwort. Einerseits habe sich vieles ungünstig verändert, es gebe einen Kalorienüberschuss im Verhältnis zur Bewegung, der Verarbeitungsgrad sei gestiegen, generell würden mehr Snacks gegessen, statt zu geregelten Zeiten und in Gesellschaft zu speisen. Durch den höheren Anteil an tierischen Produkten (Fleisch, Wurst, Eier) sei die Vielfalt der Ernährung zurückgegangen. „Andererseits haben sich die hygienischen Bedingungen, die generelle Lebensmittelsicherheit und die Nährstoffversorgung verbessert.“ Generell stimme, dass, je vielfältiger die Obst- und Gemüse-Auswahl ist, „umso vielfältiger unsere Darmwelt ist“. Die ganzjährige Verfügbarkeit von Obst und Gemüse sei „für die Gesundheit ein Gewinn“. Als Fazit sagt Fičala: “Insgesamt kann nicht pauschal gesagt werden, dass es früher gesünder oder heute ungesünder sei.“ Es gebe zu viele verschiedene Faktoren, „wie so oft in der Ernährung ist alles sehr komplex“.

FAQ - häufig gestellte Fragen

Traditioneller Tiroler Pfannkuchen: Zubereitung von „Melchermuas”

Traditioneller Tiroler Pfannkuchen: Zubereitung von „Melchermuas”

Wo wurden Melchermuas und Bohnensterz serviert?
Melchermuas ist eine kalorienreiche Mahlzeit für hart arbeitende Menschen in Tirol, zubereitet aus Butter, Buttermilch, Mehl und Preißelbeerkompott.
Bohnensterz ist ebenfalls eine traditionelle und nicht gerade leichte Mahlzeit, die im Burgenland aus Bohnen, Mehl und Schmalz zubereitet wurde.