Über Geld spricht man:
Was Kinder und Jugendliche über Geld wissen müssen

Die Zahl junger Menschen, die überschuldet sind, steigt stetig. Deshalb sollte finanzielle Bildung fest in den Lehrplänen der Schulen verankert werden, fordert die Bildungspsychologin Christiane Spiel im Gespräch mit MEIN LEBEN.

Christiane Spiel ist Professorin für Bildungspsychologie und Evaluation an der Universität Wien.
© MichaelMazohl

Christiane Spiel ist Professorin für Bildungspsychologie und Evaluation an der Universität Wien.

Frau Spiel, es gibt zwar viele Finanzblogs und unzählige Ratgeber, aber über die persönliche finanzielle Situation wird in der Familie und unter Freunden noch immer wenig gesprochen. Warum ist Geld ein Tabuthema?

Der Spruch "Über Geld redet man nicht, man hat es (oder eben nicht)" scheint zu stimmen. Soziologen berichten, dass bei keinem anderen Thema so viel geschummelt wird, wie bei der finanziellen Situation. Den Personen, die relativ wenig Geld zur Verfügung haben, ist es unangenehm das zuzugeben; sie geben deshalb ihr Gehalt eher höher an. Die, die reich sind, machen es genau umgekehrt, damit sie nicht so reich erscheinen. Ich glaube auch, dass viele Eltern einfach nicht daran denken, mit ihren Kindern über Geld zu sprechen oder sie auch nicht damit belasten wollen, wenn sie zum Beispiel Geldsorgen oder -probleme haben. Denn oft fühlen sich die Eltern beim Umgang mit Geld selbst überfordert. Sie möchten ihre Kinder schonen, bis sie sich als Erwachsene sowieso damit befassen müssen. Vielen Eltern ist auch nicht bewusst, wie schnell Jugendliche heutzutage über das Internet Verträge abschließen können. So steigt die Gefahr, dass sie sich viel früher verschulden als noch vor einigen Jahren.

Wieviel Offenheit gegenüber ihren Kindern empfehlen Sie Eltern, sollten sie mit ihnen auch über Finanzprobleme sprechen?

Eltern sollten mit ihren Kindern so kommunizieren, wie es für ihr Alter und ihre Entwicklung angemessen ist. Wenn Eltern verschuldet sind und Sorgen haben, sollten sie diese Belastung oder Überforderung nicht auf die Kinder übertragen. Denn die Kinder können dies als sehr bedrohlich empfinden und Angst bekommen. Man muss das dosiert machen. Aber grundsätzlich ist es wichtig, mit Kindern über Geld zu sprechen und auch darüber, was bestimmte Dinge kosten. Den Kindern ist i.A. ja gar nicht bewusst, wie viel von dem Geld, das der Familie zur Verfügung steht, für Fixkosten weggeht: Miete oder Kredite, Auto, Versicherungen, Gas, Strom. Es ist daher sinnvoll den Kindern klarzumachen, was das normale Leben kostet, ohne noch etwas Besonderes anzuschaffen. Zum Beispiel die Höhe der Kosten für Lebensmittel. Wenn man mit den Kindern einkaufen geht, können die Kinder vorher die Einkaufsliste schreiben und im Geschäft nachschauen, wieviel die Waren kosten. Das interessiert Kinder und so lernen sie sie auf spielerische Weise den Umgang mit Geld.  

Was bringt die Schule Kindern über Geld bei und wo könnte sie noch mehr tun? 

Unsere bisher unveröffentlichte Studie mit 10-bis 14-jährigen Schülern der Sekundarstufe I ergab, dass finanzielle Bildung in der Schule kaum ein Thema ist. Es gibt in Österreich, wie übrigens auch in Deutschland, keine nationale Strategie zur finanziellen Bildung, und auch kein entsprechendes Unterrichtsfach. Aber es gibt das Unterrichtsprinzip Wirtschafts- und Verbraucher*innenbildung. Dazu gibt es Empfehlungen und Materialien. Das Problem ist nur, dass sich bei Unterrichtsprinzipien die Lehrerinnen und Lehrer absprechen müssen, in wessen Unterricht, in welchem Fach es gemacht wird. Oft fühlt sich keiner der Lehrer verantwortlich und dann wird das Thema nicht oder zu wenig behandelt. Das zeigt auch unsere Studie. Ich denke nicht, dass es Sinn machen würde, ein eigenes Fach daraus zu machen, denn die Einführung neuer Unterrichtsfächer dauert sehr lang (sofern sie überhaupt gelingt) und der Diskurs dazu ist immer kontrovers. Ich bin eher dafür, sich die Inhalte aller Unterrichtsfächer dahingehend anzuschauen, wie wichtig und aktuell sie sind, und entsprechend ein bisschen "auszumisten", und dafür Inhalte, die für das Leben in unserer Gesellschaft sehr wichtig sind und bisher zu wenig behandelt wurden, in die Lehrpläne der bestehenden Unterrichtsfächer zu integrieren.

Welche Fächer könnten das sein?

Das Thema Finanzielle Bildung könnte zum Beispiel in das Unterrichtsfach Geografie und Wirtschaftskunde integriert werden.

Welche Inhalte sind besonders wichtig, was müssten die Schüler über Geld lernen?

Es gibt aus meiner Sicht mindestens zwei Ebenen: Die eine Ebene betrifft das Leben des Individuums. Was bedeutet es, ein Konto zu haben oder Schulden zu machen. Wie muss ich Geld anlegen, wenn ich etwas sparen und eine größere Anschaffung machen will. Deshalb ist der Umgang mit Taschengeld so wichtig. So lernen Kinder, dass und wie lange sie auf etwas sparen müssen. Alle diese Dinge sollten dem Alter angemessen vermittelt werden. Das Taschengeld geben zwar die Eltern, aber in der Schule kann man darüber sprechen, was man damit macht. In der Schule kann man auch über Bankkonten sprechen (es gibt Empfehlungen, dass Kinder ab etwa zwölf Jahren ein Jugendkonto bekommen sollten), über Verschuldung und was zum Beispiel Zusatzversicherungen bedeuten. Das ist heute noch dringender als früher. Durch den veränderten Arbeitsmarkt gibt es viel mehr Brüche im Erwerbsleben, so dass man sich besser absichern muss als früher.

Und die andere Ebene?

Die zweite Ebene ist die makroökonomische. Hier geht es darum, wichtige Zusammenhänge und Begriffe aus dem Wirtschaftsleben zu erlernen. Was bedeutet zum Beispiel Bruttoinlandsprodukt oder Inflation? Ebenso wichtig ist das Thema Steuern. Was ist ein Bruttogehalt und was macht der der Staat mit dem Geld, das er über die Steuern einnimmt? Dieses Wissen braucht man, um als mündiger Bürger private, berufliche und politische Entscheidungen treffen zu können. Je nach Alter gibt es sehr viele Themen, die differenziert vermittelt werden sollten.

Was halten Sie von einer Ergänzung des finanziellen Bildungsangebotes durch private Anbieter?

Das ist etwas zweischneidig. Die erste Frage ist immer, ob die Anbieter ein hohes Eigeninteresse haben und direkt oder indirekt von den Inhalten profitieren, die sie vermitteln. Es muss auf jeden Fall Qualitätsstandards geben, die auch geprüft werden. Ich bin aber nicht prinzipiell dagegen, dass es externe Anbieter gibt. Aber der Staat darf seinen Bildungsauftrag im Bereich finanzieller Bildung nicht gänzlich privaten Anbietern überlassen. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass sich Schulen generell mehr öffnen sollten, und zwar in beide Richtungen: Mehr Personen hineinlassen, die ihre Lebens- und Berufserfahrungen in die Schule einbringen, und mehr hinausgehen zu Institutionen und Betrieben, damit zusätzlich zur theoretischen Vermittlung von Wissen in der Schule auch praktisches Wissen und praktische Erfahrungen erworben werden können.

Muss sich die Wissensvermittlung vielleicht auch mehr an die neuen Medien anpassen? Denken Sie zum Beispiel, dass „Finanz-Podcasts“ eine positive Rolle bei der finanziellen Bildung spielen können? 

Wir müssen akzeptieren, dass unsere Welt immer digitaler wird und sich vor allem die Jugendlichen in dieser digitalen Welt bewegen. Deshalb muss man sie auch dort abholen. Lehrer sollten neue Medien gezielt zur Unterstützung der Wissensvermittlung nutzen; d.h. die Medien leisten einen zusätzlichen Beitrag. Es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten, die Potentiale der neuen Medien zu nutzen. Jedoch bedeutet es ohne Zweifel auch einen Aufwand für die Lehrer*innen. Digitale Bildung sollte daher ein wichtiges Thema in ihrer Aus- und Weiterbildung sein.

Die Zahl junger Erwachsener, die überschuldet sind, nimmt stetig zu. Wie lässt sich der finanzielle Fehlstart ins Leben verhindern?

Das Problem ist, dass es mittlerweile ganz einfach ist, im Internet einzukaufen oder einen Kredit aufzunehmen. Kinder in der Pubertät legen viel Wert auf Statussymbole – also Markenkleidung, einen Roller oder ein Smartphone. Viele wollen um jeden Preis mit den Freunden mithalten, auch wenn ihre Familie nicht so viel Geld hat. Das muss man kontinuierlich zum Thema machen. Unsere Studie hat auch gezeigt, dass Jugendliche mit einem geringeren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen dafür anfälliger sind. Deshalb bedeutet finanzielle Bildung auch, in der Schule darüber zu reden, wofür Jugendliche ihr Geld ausgeben. Unsere Studie hat ebenfalls gezeigt, dass sich schon sehr viele Kinder Geld geborgt, aber dieses Geld nicht immer zurückgegeben haben. Deshalb empfehlen wir, im Unterricht auch das Thema Schuldenbegleichen aufzugreifen. Man kann zum Beispiel in der Klasse gemeinsam Regeln für das Ausleihen von Geld festlegen.

In vielen Ländern wird diskutiert, ob man das Bargeld abschafft. Was halten Sie aus pädagogischer Sicht davon?

Kleine Kinder brauchen den konkreten Umgang mit Geld und lernen diesen durch Bargeld besser. So können sie sehen, wieviel von ihrem Geld weggeht, wenn sie etwas kaufen; anders als wenn sie von vornherein immer mit Kreditkarte zahlen oder im Internet online bestellen. Die kognitive Entwicklung von Kindern ist i.A. erst im Alter von zehn Jahren (oder auch später) soweit, dass sie kein konkretes Anschauungsmaterial mehr brauchen, um formale Operationen nachvollziehen zu können. In der Diskussion um die Abschaffung des Bargeldes werden die Kinder und ihre finanzielle Bildung zu sehr vergessen.

Würden Sie jungen Erwachsenen raten, frühzeitig in die Zukunft zu investieren, zum Beispiel mit Bausparverträgen oder Versicherungen für Berufsunfähigkeit?

Ich glaube, wenn man als junger Mensch zu arbeiten anfängt, macht man sich noch keine Gedanken über Risiken wie Unfälle und Berufsunfähigkeit. Aber für die nächste Generation wird es immer wichtiger, sich über ihre Versorgung im Alter frühzeitig Gedanken zu machen. Das ist aus meiner Sicht ein brennendes Thema für junge Menschen, ohne dass vielen das bewusst ist. Deshalb ist das ein Thema für die Schule als Bildungsinstitution, zumindest für die höheren Klassen. Jugendliche müssen lernen, dass es zu spät ist, wenn sie erst mit 60 Jahren anfangen, sich mit dem Thema Altersversorgung zu beschäftigen. Und natürlich sollte die Schule auch das Thema Berufsunfähigkeit aufgreifen und was man hier tun kann in der Vorsorge.

Christiane Spiel ist Professorin für Bildungspsychologie und Evaluation an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Lebenslanges Lernen, Gewaltprävention an Schulen, Geschlechtsstereotype in der Bildungssozialisation und wissenschaftliche Evaluation und Implementation. In einem aktuellen Projekt hat sie sich mit der finanziellen Bildung von Schüler*innen beschäftigt. 

Ihre Forschungen zum Thema Lernen hat sie in dem Buch "Schule: Lernen fürs Leben!?" auch für eine nicht wissenschaftliche Öffentlichkeit zusammengefasst.

Kinderbücher über Geld

  • Der große Plan“: Wie der gutmütige Waschbär eine Firma gründet, die schlaue Eule das Geld erfindet und beide beinahe vom bösen Wiesel überlistet werden. Ein Wirtschaftsmärchen nicht nur für Kinder von Hanno Beck und Juliane Schwoch
  • Felix und das liebe Geld“: Roman vom Reichwerden und anderen wichtigen Dingen von Nikolaus Piper
  • Ein Hund namens Money“ von Bodo Schäfer
  • Geschichte der Wirtschaft“: Mit farbigen Bildern von Nikolaus Piper

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