Digital Detox:
„Schau nicht immer auf dein Handy, Papa“

Markus Albers ist Autor, Berater, Unternehmer und Familienvater. In seinem Buch „Digitale Erschöpfung“ spricht er an, was viele von uns belastet: die digitale Überdosis, der wir im Alltag und Arbeitsleben oft ausgesetzt sind. Im Interview verrät Markus Albers, wie er sich der ständigen Erreichbarkeit entzieht und welche analogen Fähigkeiten dir helfen, auch ein wenig „digital Detox“ in dein Leben zu bringen.

Neue Regeln gesucht: Die Digitalisierung erlaubt mehr Flexibilität beim Arbeiten. Gleichzeitig fällt es schwerer, Grenzen zwischen Beruf und Freizeit zu ziehen.

Neue Regeln gesucht: Die Digitalisierung erlaubt mehr Flexibilität beim Arbeiten. Gleichzeitig fällt es schwerer, Grenzen zwischen Beruf und Freizeit zu ziehen.

Herr Albers, was hat Sie dazu veranlasst, das Buch „Digitale Erschöpfung“ zu schreiben?

Als meine damals vierjährige Tochter zum ersten Mal sagte „Schau nicht immer auf dein Handy, Papa“, war ich erst amüsiert, dann betroffen, dann hilflos. Denn ich habe gemerkt, dass ich nicht aufhören konnte, ständig heimlich auf den Bildschirm zu schauen und nie wirklich präsent war. So ein Vater wollte ich nicht sein, so ein Mensch auch nicht.

Welche Auswege aus der digitalen Überlastung gibt es und wie lassen sich diese in den Alltag integrieren?

Grundsätzlich glaube ich nicht an gesetzliche Regulierung. Und auch nicht an Top-down-Modelle von Arbeitgebern. Ich glaube an kleine Siege im Alltag, in Teams und Familien. Daran, dass wir alle wieder lernen müssen, den digitalen Wildwuchs zurückzuschneiden und das Nicht-Digitale wieder zu trainieren. Ein Beispiel ist die von Paul Graham eingeführte Unterscheidung zwischen dem kurzatmigen, von Meetings und Unterbrechungen gekennzeichneten „Manager-Modus“ und dem „Maker-Modus“. Letzterer erlaubt lange, nicht unterbrochene Phasen der Konzentration auf eine Aufgabe. Leider arbeiten wir heute fast alle im Manager-Modus. Eine Lösung ist es, mit deinem Team und deinem Vorgesetzten abzusprechen, einen Teil deiner Arbeitszeit im Maker-Modus zu verbringen.

Wie können wir das Analoge trainieren und in unser Leben zurückbringen?

Wir können uns gezielt sinnlichen Erlebnissen aussetzen, die nichts mit Technologie zu tun haben: mit den Kindern Quatsch machen, ohne aufs Handy zu schauen. Wandern gehen, ohne damit auf Facebook anzugeben. Essen genießen, ohne Fotos davon zu twittern. Laufen gehen, ohne die Durchschnittsgeschwindigkeit per App zu messen. Ich glaube, dass es genau jetzt Zeit wird, bei allem Techno-Optimismus den Muskel des Nicht-Digitalen wieder zu trainieren: stets modernste Technik nutzen und gleichzeitig Intimität zulassen, Irrationalität feiern, effizienzfreie Zonen im Leben schaffen. Diese gesunde Ambivalenz möchte ich auch meinen Töchtern mitgeben.

Wie haben Sie die Digitalisierung in Ihren Alltag integriert?

Ich erkläre mir das gern mit einer etwas altbackenen, aber passenden Metapher: der eines Gartens. Kommunikationstechnologie ist in diesem Bild die Pflanzenwelt, die streng gepflegt und beschnitten werden muss – die einzelnen Gewächse bilden ständig neue Triebe, Unkraut breitet sich aus. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, Leuten auf Twitter nicht mehr zu folgen, wenn mich ihre Tweets nicht mehr interessieren. Facebook-Freunde blende ich aus, wenn sie meinen Stream zumüllen. E-Mail-Newsletter lösche ich nicht nur, ich bestelle sie ab. E-Mails lese ich nicht mehr in dem Moment, indem sie ankommen – also ständig –, sondern gesammelt, zum Beispiel nur einmal pro Stunde. Dann fasse ich jede Mail nur einmal an, beantworte sie sofort oder sortiere sie aus, sodass mein E-Mail-Postfach nie mehr als zehn Nachrichten enthält.

Was raten Sie, um digitale Erschöpfung zu vermeiden?

Ein Rat ist mir besonders wichtig: Transparenz und klare Kante. Meine Kollegen wissen, dass sie mich abends nicht mehr anrufen können, es sei denn, die Welt geht unter. Kunden wissen, dass ich zweimal pro Woche die Kinder von Schule und Kita abhole, also auch mal nachmittags nicht erreichbar bin. Alle haben verstanden, dass ich ein Leben neben der Arbeit habe, das ich verteidige. Natürlich wissen alle, dass ich im Notfall erreichbar bin. Es muss aber wirklich ein Notfall sein – und von denen gibt es nicht viele.

Verteidigt seinen Feierabend: Unternehmer und Buchautor Markus Albers ist nach der Arbeit nur im Notfall zu erreichen. Er setzt auf die Kombination aus modernster Technik und Offline-Zeiten.
© Tobias Kruse

Verteidigt seinen Feierabend: Unternehmer und Buchautor Markus Albers ist nach der Arbeit nur im Notfall zu erreichen. Er setzt auf die Kombination aus modernster Technik und Offline-Zeiten.

Mehr zu Markus Albers findest du auf www.markusalbers.com. Das Buch „Digitale Erschöpfung“ ist 2017 im Carl Hanser Verlag, München, erschienen. 288 Seiten, Preis in Österreich: 22,70 Euro.