„Digitale Kompetenzen sind mittlerweile eine Kulturtechnik“

Was bedeutet es, „digital kompetent” zu sein? Warum ist es wichtig, sich in digitalen Kompetenzen zu schulen? Und wie digital-fit sind die Österreicher? Wir sprachen mit Mag. Ulrike Fiona Domany-Funtan, der Generalsekretärin des Vereins fit4internet.

Bei den Digitalen Kompetenzen liegt Österreich im EU-Schnitt im auf dem achten Platz.
©marvin-meyer/unsplash

Bei den Digitalen Kompetenzen liegt Österreich im EU-Schnitt im auf dem achten Platz.

Frau Domany-Funtan, wie fit sind die Österreicherinnen und Österreicher in Sachen Digitalisierung? 

Wir haben im Mai 2019 einen Check zur digitalen Alltagskompetenz gestartet, in dem sich Leute selbst einschätzen können, wie kompetent sie in der digitalen Welt sind. Quer über alle Kompetenzbereiche, gemäß dem digitalen Kompetenzmodell für Österreich. Mittlerweile wurde der CHECK über 10.000x absolviert und die Österreicher*innen schätzen sich als relativ kompetent ein. Frauen bewerten sich dabei grundsätzlich etwas schlechter. Was wir beobachten: Über alle Gruppen hinweg ist die Selbsteinschätzung im Bereich Sicherheit unterdurchschnittlich. Unabhängig davon, ob die Person 16 oder 99 Jahre alt ist.

Gibt es hier Vergleiche mit anderen Ländern?

Ja, da gibt es beispielsweise den Digital Economy and Society Index (DESI). Da rangiert Österreich im EU-Schnitt im Bereich der Digitalen Kompetenzen an achter Position. Das ist grundsätzlich nicht schlecht, aber auch kein Spitzenplatz.

Mag. Ulrike Fiona Domany-Funtan, MBA ist Generalsekretärin des Vereins fit4internet
© Sabine Klimpt

Mag. Ulrike Fiona Domany-Funtan, MBA ist Generalsekretärin des Vereins fit4internet

Warum nimmt Österreich keinen Spitzenplatz ein? Was machen andere Länder eventuell besser?

Für mich ist da durchaus die sprachliche Komponente entscheidend. Vieles was in der digitalen Welt passiert ist nun mal englisch, von daher gibt es eventuell einen leichten Vorteil für den angloamerikanischen oder skandinavischen Raum.

Der zweite Punkt ist für mich die schulische Bildung, wo wir durchaus einen Nachholbedarf haben. Hier ist es mit der Anschaffung von Geräten nicht getan, dazu gehören auch Pädagoginnen und Pädagogen, die sich wohl fühlen müssen mit diversen Tools, um diese sinnvoll im Unterricht einfließen zu lassen. Hier sind uns andere Länder einen Schritt voraus. Allerdings sind wir, so wie wir digitale Kompetenzen gerade beginnen zu evaluieren und zu standardisieren, Vorreiter in der Europäischen Union

Warum ist es denn eigentlich wichtig, sich in digitalen Kompetenzen zu schulen? Warum muss ich das können?

Wenn ich an die digitale Transformation denke und wie „Digitales” in Unternehmen verschiedener Größen und Branchen Einzug hält, dann werden Erwerbstätige ganz einfach eine gewisse Grundbasis brauchen, um mithalten zu können. 

Zu dem Thema passend ist gerade eine Studie erschienen, die die größten „Transformationshemmer für die KMU-Wirtschaft in Deutschland” nennt – und das ist eindeutig der Mangel an digitalen Kompetenzen. 

Digitale Transformation: Bei der schulischen Bildung gibt es Nachholbedarf.

Digitale Transformation: Bei der schulischen Bildung gibt es Nachholbedarf.

Wie begegnet man diesem Mangel?

Im Prinzip hat man als Unternehmen drei Möglichkeiten gegenzusteuern: Der Weg des Recruitings erweist sich als schwierig, vor allem aufgrund des Fachkräftemangels – viele Stellen im IKT-Bereich bleiben unbesetzt. Weg Nummer zwei ist das Auslagern von gewissen Stellen und Arbeitsbereichen, was aber für den Wirtschaftsstandort nicht wünschenswert ist. Bleibt noch die Weiter- und Fortbildung von bestehenden Mitarbeitern. Und dies in allen Bereichen des Unternehmens. 

Was kann ein junger Mensch tun, um seine Digitalkompetenzen auszubauen? 

Das ist altersunabhängig: Es braucht ein Selbstbild von den eigenen Kompetenzen, zu wissen: „Wo steh‘ ich eigentlich?“ Und dann die Bereitschaft, weiterlernen zu wollen. Letzteres, die Kompetenz des Weiterlernens immer behalten, ist vielleicht die wesentlichste Hauptkompetenz innerhalb der digitalen Kompetenzen. Denn digitale Kompetenzen sind kein statisches System, sondern sie sind auch sehr schnellen Änderungen unterworfen. Man muss im wahrsten Sinne des Wortes up to date bleiben, das ist mit einmal lernen nicht abgehakt. 

Wären Sie dafür, dass das Erlernen von digitalen Kompetenzen zum Grundgerüst in der Schule werden soll – ähnlich wie Sprachkompetenzen oder Rechnen?

Ja absolut, denn digitale Kompetenzen sind neben den grundlegende Kompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen, bereits Kulturtechniken – ohne diese geht es nicht mehr. Die Frage ist nur, ab welchem Alter und in welchem Ausmaß.

Erwerbstätige brauchen eine Grundbasis an digitalen Kompetenzen

Erwerbstätige brauchen eine Grundbasis an digitalen Kompetenzen

Ein guter Punkt: Was das Lesen oder Rechnen anbelangt, weiß jeder was es heißt kompetent zu sein. Doch was sind denn eigentlich digitale Kompetenzen? Was sollte ein jeder von uns können?

Entscheidend ist, mich sicher und kompetent und am eigenen Bedarf orientiert - und das ist für jede Altersgruppe unterschiedlich - in der digitalen Welt bewegen zu können. Und „am eigenen Bedarf orientiert“ heißt: Bin ich beispielsweise erwerbstätig, muss ich mit den digitalen Tools, die mir im Job zur Verfügung gestellt werden, umgehen können. Im Privaten gilt es unter anderem darum, Anwendungen des Digitalen Amts nutzen zu können, wenn ich nicht (mehr) die Wohnung verlassen kann oder mir über das Internet Tickets für einen Flug buchen zu können. Ich bezeichne das manchmal gerne als den „Digitalen Hausverstand”, den jeder besitzen sollte. 

Stellen Sie doch kurz Ihren Verein, fit4internet, vor.

Wir sind ein gemeinnütziger Verein, getragen von Leitbetrieben wie Wüstenrot, die alle mit der digitalen Transformation beschäftigt sind und die aber auch alle immer den Menschen mit im Auge haben. Gemeinsam mit den Betrieben geht es uns um ein unternehmensunabhängiges Orientierungssystem, was denn digitale Kompetenzen sind und wie ich sie evaluieren kann. Denn letztlich tu ich mir dann in der Unternehmensentwicklung leichter: Welche Kompetenzen brauche ich und wie qualifiziere ich meine Mitarbeiter*innnen dafür? Denn all unseren Mitgliedsbetrieben ist bewusst, dass die digitale Transformation nur geschafft werden kann, wenn wir die Menschen mitnehmen und wenn wir in die Weiterbildung der Mitarbeiter*innen investieren. 

Was sind Ihre nächsten Ziele mit dem Verein?

Nummer eins und ständiges Ziel ist die Bewusstseinsbildung, dass jeder Österreicher versteht, dass digitalen Kompetenzen wichtig sind, nicht mehr verschwinden werden und dass jeder sieht, wo sie oder er mit den eigenen digitalen Kompetenzen steht. Nummer zwei liegt etwas weiter entfernt – aber wir möchten es schaffen, dass alle Österreicher*innen digital Alltagskompetent sind. Also auf Stufe drei bis vier auf der achtstufigen Skala innerhalb der Kompetenzbereiche. 

Kurzfristigstes Ziel ist die Veröffentlichung eines neuen Checks: Ab Mai 2020 wird es einen Kurz-Check zu den digitalen Berufskompetenzen geben. Dieser wird unabhängig von Branche oder Ausbildung der Frage nachgehen: Welche digitalen Kompetenzen müsste ich haben, um in der digitalen Berufswelt zu bestehen?

Der Verein fit4internet

Der Verein fit4internet ist eine überparteiliche und unabhängige Initiative zur Qualifizierung und Quantifizierung digitaler Kompetenzen der österreichischen Bevölkerung. Oberstes Ziel ist die Ermöglichung einer kompetenten Nutzung digitaler Technologien und breiter Teilhabe der gesamten Gesellschaft an der Digitalisierung.

https://www.fit4internet.at/