Isabell Prophet:
„Glück lässt sich trainieren“

Isabell Prophet hat ein Buch über „Die Erfindung des Glücks“ geschrieben. Mit MEIN LEBEN sprach die Autorin darüber, was jeder für sein eigenes Glücksgefühl tun kann und welche Rituale dabei helfen.

„Lebensumstände sind nur für zehn Prozent unseres Lebensglückes verantwortlich“, sagt Autorin Isabell Prophet.
© Petra Prophet

„Lebensumstände sind nur für zehn Prozent unseres Lebensglückes verantwortlich“, sagt Autorin Isabell Prophet.

Frau Prophet, Sie sagen, wir sollen unser Glück nicht erst nach Feierabend suchen. Wie gelingt es, Zufriedenheit schon bei der Arbeit zu finden?

Wer sein Glück schon am Tag verliert, der sollte es nicht nach Feierabend suchen – da wird es ja kaum zu finden sein. Deshalb ist die viel gelobte „Work-Life-Balance“ der völlig falsche Ansatz. Der Abend kann uns nicht für einen schlechten Tag entschädigen, dieser Anspruch ist zu groß. Dafür arbeiten wir auch zu viel, zu lange und viel zu oft auch nach Feierabend. Die Suche nach dem Glück im Job gelingt, wenn wir uns klar machen, was schief läuft. Als Startpunkt empfehle ich den meisten Menschen, erst einmal aufzuräumen. Ganz physisch, den Arbeitsplatz, den Spind, was auch immer sie brauchen. Dann den Tag: Welche Aufgabe gehört in welche Zeit? Und, ganz wichtig: Wann möchte ich einmal still arbeiten und wie kann ich mir das organisieren? Das schafft Ruhe im Kopf, und die ist essenziell für unser Glück. 

Flexibilität, Eigenverantwortung, nette Kollegen – was brauchen wir wirklich, um im Beruf glücklich zu sein?

Das ist für jeden Menschen etwas anderes – und übrigens auch für jede Lebenssituation. Aber ein Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern Eigenverantwortung und Flexibilität zugesteht, dem wird es in der Regel mit Loyalität gedankt werden. Weil es diese Dinge sind, die viele Menschen sich wünschen. Nette Kollegen sind leider manchmal schwer zu beschaffen. Aber glücklicherweise sind glückliche Menschen netter zueinander – und gestehen sich gegenseitig mehr zu. Das schafft ein gutes Arbeitsklima.

Immer mehr Menschen streben nach Selbstverwirklichung bei der Arbeit, der Beruf soll gleichzeitig Berufung sein. Entsteht so nicht auch enormer Druck?

Leider kann diese Suche Menschen wirklich enorm unter Druck setzen. Das Ziel ist ja schön: Werdet alle glücklich bei der Arbeit! Es hat aber eine Kehrseite: Wer nicht glücklich ist, der hat wohl einen Fehler gemacht. Und das ist wirklich das letzte, das Menschen hören wollen, wenn sie sich festgefahren fühlen. Und wie sollen wir uns auch ständig selbst verwirklichen? Dem widerspricht schon unsere Struktur mit großen Konzernen und kleinen und mittelständischen Unternehmen, in denen gewisse Hierarchien wichtig sind, damit sie funktionieren. Was bei dem Auftrag, eine „Berufung“ zu finden, vergessen wurde: Wir können auch glücklich sein, wenn der Job nicht perfekt ist. Selbst ein Job, der nur Geld und Freizeit bringen soll, kann uns zufrieden machen.

Viele Menschen würden gerne etwas an ihren Lebensumständen ändern, um sich wohler zu fühlen, finden aber irgendwie nicht die Zeit dafür – oder den Mut. Was raten Sie?

Lassen Sie es. Suchen Sie Ihr Glück im Kleinen. Das bringt auch mehr – Lebensumstände sind nur für zehn Prozent unseres Lebensglückes verantwortlich. 50 Prozent machen die Gene, da sind wir machtlos. Aber unser Verhalten bestimmt ganze 40 Prozent. Glück lässt sich also trainieren. Und mit der gewonnenen Energie können wir die Lebensumstände ändern. Nur den Umzug aufs Land würde ich mir überlegen – Pendler sind tendenziell gestresster, weil sie statt des grünen Gartens oft nur die Stoßstange des nächsten Autos vor sich sehen.

Haben Sie ein Beispiel für kleine Übungen, mit denen man Glück finden kann, auch wenn die Umstände nicht perfekt sind?

Meine Lieblingsübung ist ganz klassisch: Man setzt sich abends hin und fragt sich, was heute schön war, wofür man dankbar ist oder wem. Aber nicht nur gelegentlich, sondern täglich. Und es gibt keine Ausreden, kein „heute war gar nichts schön“. Irgendetwas kann man doch jedem Tag abgewinnen. Diese Übung schärft die Wahrnehmung für das Gute. Eine Chat-Gruppe mit Freunden kann dabei helfen. So wissen wir, dass wir abends gefragt werden, was gut war. Wir nehmen das Gute stärker wahr, wenn wir wissen, dass wir später eine kleine Geschichte dazu erzählen müssen. Das ist übrigens auch gut für unsere Freundschaften.

ZUR PERSON

Isabell Prophet lebt und arbeitet als Journalistin in Berlin. Dabei setzt sie sich besonders mit den Themen Künstliche Intelligenz, moderne Arbeit und modernes Leben auseinander. Nach „Die Entdeckung des Glücks“ (2017) erscheint am 18. Juni ihr neues Buch „Wie gut soll ich denn noch werden?! Schluss mit übertriebenen Ansprüchen an uns selbst“.