100 Prozent Ökostrom? „Ein ambitioniertes Ziel. Aber machbar“

Österreich ist auf dem Weg, 100 Prozent seiner Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Wo stehen wir? Bis wann können wir dieses Ziel erreichen? Und wie wird Ökostrom in Österreich gefördert? Ein Interview mit dem OeMAG-Vorstand Gerhard Röthlin.
(Interview aus dem Oktober 2021)

Die OeMAG (Abwicklungsstelle für Ökostrom AG) wurde von der Republik Österreich mit der Ökostromabwicklung nach dem Ökostromgesetz betraut und sorgt dafür, dass die staatlichen Förderungen für erneuerbare Energien bei den Ökostrom-Erzeugern ankommen. Bei der Tarifförderung kauft die OeMAG den Ökostrom von den Erzeugern zu verordneten Fördertarifen und liefert den Strom zu den in der Regel niedrigeren Marktpreisen an Stromhändler weiter. 

Außerdem werden als Förderungen Investitionszuschüsse vergeben, die OeMAG prüft die Anträge und begutachtet die Projekte: Kleine und mittlere Wasserkraftanlagen, Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) und Stromspeicher sowie Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Wir sprachen mit dem OeMAG-Vorstand Gerhard Röthlin über diese Förderungen, über den Ökostrom in Österreich und über zukünftige Entwicklungen, die mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) einhergehen.
Für mehr Einblicke in die Unterstützung von Photovoltaik-Anlagen, empfehlen wir unseren ausführlichen Artikel über die Förderung von Photovoltaik, den Sie auf unserer Webseite finden können.

Herr Röthlin, bis 2030 will Österreich 100 Prozent seiner Stromproduktion aus erneuerbaren Energien gewinnen. Erreichen wir dieses Ziel?

Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber machbar. Ende 2019 haben wir in Österreich 78 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt.  Zu den hundert Prozent fehlen uns noch 27 Terawattstunden (TWh) – das ist der Zielwert, der mit dem neuen EAG erreicht werden soll. In diesen Berechnungen ist auch der steigende Stromverbrauch bereits einkalkuliert. Wir werden als OeMAG unseren Beitrag dazu leisten, dass dieses Ziel erreicht wird.

Gerhard Röthlin empfing die MEIN LEBEN-Redaktion im OeMAG-Büro zu einem Gespräch über erneuerbare Energien und das neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.
Wüstenrot/Khoss

Gerhard Röthlin empfing die MEIN LEBEN-Redaktion im OeMAG-Büro zu einem Gespräch über erneuerbare Energien und das neue Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Die OeMAG wurde vom Staat mit der Ökostromabwicklung betraut. Sie sorgen dafür, dass die staatlichen Förderungen für erneuerbare Energien bei ihren Erzeugern ankommen. Wo kommt dieser Ökostrom her? Welche sind die wichtigsten Energiequellen?

Die wichtigste erneuerbare Energiequelle Österreichs ist nach wie vor die Wasserkraft. Wobei dazu anzumerken ist, dass die Groß-Wasserkraft, also große Lauf- und Speicherkraftwerke, nicht gefördert werden. Die anderen erneuerbaren Energiequellen sind die Sonne, der Wind sowie die Biomasse. In der Tarifförderung hat die OeMAG 39.000 Anlagen unter Vertrag. Davon entfallen 36.000 auf Photovoltaik-Anlagen, das ist in Bezug auf die Anzahl der mit Abstand der größte Teil, weil da auch die privaten „Häuslbauer“ mitumfasst sind, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installiert haben.

Und wenn man die erzeugte Leistung betrachtet?

In Bezug auf die installierte Leistung liegen in unserer Öko-Bilanzgruppe die Windenergie-Anlagen voran.

„Hundert Prozent Ökostrom bis 2030 ist ambitioniert. Aber machbar“, sagt Röthlin.
Wüstenrot/Khoss

„Hundert Prozent Ökostrom bis 2030 ist ambitioniert. Aber machbar“, sagt Röthlin.

Wer sind die Erzeuger von Ökostrom? Betreuen Sie alle Erzeuger von Ökostrom, vom Hausbesitzer mit Photovoltaik-Anlage bis hin zum Betreiber einer Wasserkraftanlage?

Ja, über die Tarifförderung und die Investitionszuschüsse fördern wir die alle. Von der Anzahl sind die Privaten ganz klar vorn, weil eben die Photovoltaik-Anlagen heutzutage relativ leicht im Hausbau implementiert werden können.

Das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG)

Das EAG wurde am 7. Juli 2021 vom Nationalrat beschlossen und stellt für die Bundesregierung ein wichtiges Instrument zur Erreichung des großen Ziels dar, die Stromversorgung Österreichs bis 2030 auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen.

Das EAG löst dabei das Ökostromgesetz ab und mit ihm wird auch ein neues Fördersystem implementiert. Mit Energiegemeinschaften soll es im Zuge des EAG auch möglich sein, gemeinsam Ökostrom zu produzieren, zu speichern und zu verbrauchen. 

In welchem Bereich wird das stärkste Wachstum verzeichnet?

Auch hier dominieren klar die PV-Anlagen und das wird auch in Zukunft, mit Blick auf das EAG, so bleiben. Denn hier liegen, schaut man sich die Zielvorgaben darin an, die größten Erwartungen.
Die Wasserkraft wird zwar nicht mehr stark zulegen, aber innerhalb der Erneuerbaren wird auch zukünftig der meiste Strom mit Wasserkraft erzeugt werden.

Ausblick auf 2030: Zielvorgaben zur Erreichung des 100-Prozent-Ziels nach Erzeugungsarten. Quelle: https://pvaustria.at/wp-content/uploads/15-07-2021-Schneider-Branchentreff.pdf

Ausblick auf 2030: Zielvorgaben zur Erreichung des 100-Prozent-Ziels nach Erzeugungsarten. Quelle: https://pvaustria.at/wp-content/uploads/15-07-2021-Schneider-Branchentre...

Welche Fördermöglichkeiten gibt es für private Hausbesitzer und Besitzer von etwas Land?

Für die Ökostromförderung gibt es bisher Investitionszuschüsse und Betriebsförderungen, die von uns abgewickelt werden. Bei Ersterem wird ein Teil zu den Installationskosten einer Anlage zugeschossen. Bei den Betriebsförderungen übernehmen wir als OeMAG den erzeugten Strom zu einem über die gesamte Laufzeit fix zugesagten Einspeisetarif vom Stromerzeuger. Dieser zu Fördertarifen bezahlte Strom wird dann von uns weiterverkauft.

Sie nehmen Ökostrom zu Fördertarifen ab und liefern ihn zu niedrigeren Marktpreisen an die Stromhändler. Warum brauchen wir diese Fördertarife eigentlich?

Die Förderung soll neuen Technologien zur Marktreife verhelfen und diese an den Markt heranführen. Man betrachte nur Photovoltaik-Anlagen: Dies waren ursprünglich sehr teuer. Jetzt werden sie zunehmend leistbarer und genießen eine immer breitere Akzeptanz und Anwendung.

Daneben gibt es noch die Investitionszuschüsse. Warum reicht es nicht, für den Ökostrom die höheren Fördertarife zu zahlen?

Bei jeder Anlage sind die Kapital- und Betriebskosten zu decken. Die Betriebskosten sind bei erneuerbaren Energiequellen eher gering, weil ich keine Rohstoffe brauche. Damit Private und Unternehmen aber überhaupt in die Erneuerbaren Energien einsteigen, kann eine Investitionsförderung die von Anfang an zu erwartenden hohen Kosten teilweise decken. Allerdings kann nur entweder die Investitionsförderung oder die Betriebsförderung in Anspruch genommen werden.

Und das Modell der Fördertarife ändert sich mit dem EAG?

Ja, das EAG sieht ein neues Modell der Betriebsförderung vor. Die bisherige Tarifförderung wird durch ein Marktprämienmodell abgelöst: In Zukunft muss sich jeder Stromerzeuger seinen Abnehmer selbst suchen und diesem den Ökostrom zum Marktpreis verkaufen. Als Förderung erhält dann der Stromerzeuger von der Förderabwicklungsstelle zusätzlich eine variable und laufend an die Marktpreise angepasste Marktprämie.

Wie hoch wird diese Prämie sein?

Diese wird flexibel gestaltet und immer wieder neu an die jeweiligen Marktpreise angepasst werden.

Was ändert sich dadurch für die zukünftige Förderstelle?

Die OeMAG als bisherige Ökostromabwicklungsstelle hat als Stromhändler agiert: Wir haben den Ökostrom von den Erzeugern abgekauft und ihn an der Börse weiterverkauft.
Die neue EAG-Förderabwicklungsstelle wird keinen Ökostrom einkaufen, sondern nach dem neuen Fördermodell die Marktprämien an die Erzeuger auszahlen.

Gibt es neue Quellen, Methoden oder Trends für die Gewinnung von Ökostrom?

Natürlich unterliegen PV-Anlagen, Windräder und Wasserkraftwerke – wie alle technischen Anlagen – einer permanenten Weiterentwicklung. Große technologische Sprünge sind in nächster Zeit allerdings nicht zu erwarten.
In der Energiebranche wird das Thema „Sektorkopplung“ diskutiert; in der Verschränkung der Bereiche Elektrizität und Wärme könnten zukunftsträchtige Potenziale liegen. 

Sektorkopplung

Bei der Sektorkopplung geht es darum, die Bereiche Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie gesamthaft zu betrachten und den Energietransfer zwischen diesen Sektoren zu verbessern. Damit könnte künftig etwa überschüssiger Strom auch in anderen Sektoren genutzt oder gespeichert werden. Dies ist in Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien vor allem deshalb von Bedeutung, da wir beispielsweise im Sommer mehr Strom aus Wind & Sonne lukrieren können als im Winter – und auch mehr, als wir verbrauchen können.

Nähere Informationen: HIER

Was kann ich als normaler Bürger dazu beitragen, grünen Strom zu fördern?

Ich kann einerseits ein Angebot eines Strom-Anbieters auswählen, der mich mit 100 % Ökostrom versorgt.
Und in Zukunft kann man sich auch einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft anschließen oder selbst eine gründen.

Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften klingt spannend. Was ist das genau?

Die Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften sollen es vielen Menschen ermöglichen, an der Energiewende teilzunehmen. In einer solchen Gemeinschaft können sich unterschiedliche Akteure, nämlich Erzeuger und Verbraucher, zwischen denen ein räumliches Nähe-Verhältnis besteht, zusammentun und erzeugte Energie teilen, gemeinsam verbrauchen, speichern und verkaufen. Damit können sich auch für jene engagieren, die nicht in der Lage sind, selbst eine Ökostrom-Anlage zu bauen.

Vielen Dank für das spannende Interview!

MMag. Gerhard Röthlin, Vorstand der OeMAG
Wüstenrot/Khoss

MMag. Gerhard Röthlin, Vorstand der OeMAG