Fassadengrün:
Die Wände zum Leben erwecken

„Living Wall“ oder lieber die traditionelle Gerüstkletterpflanze? Wilder Wein, der im Herbst seine volle Farbenpracht entfaltet, oder die beliebte Clematis? Ob sich deine Hauswand für eine Fassadenbegrünung eignet, worauf du dabei achten solltest und welche Vorteile begrünte Wände haben, erfährst du hier.

Gut fürs Klima: Begrünte Fassaden sind nicht nur angenehm fürs Auge, sondern reinigen auch die Luft.

Gut fürs Klima: Begrünte Fassaden sind nicht nur angenehm fürs Auge, sondern reinigen auch die Luft.

Graue Betonwände und unverputzte Flächen: Je größer die Stadt, desto ferner ist die Natur. Für grüne Erholung im Häusermeer sorgen deshalb Parkanlagen und urbane Nachbarschaftsgärten. Doch auch die Gebäude selbst kommen immer öfter grün daher. Planer und Bauherren setzen zunehmend auf begrünte Fassaden, Dächer und Innenhöfe. Berühmtes Beispiel: das Oasia Hotel Downtown in Singapur. Der moderne Wolkenkratzer, dessen rote Fassade über und über mit Pflanzen bedeckt ist, schaffte es auf Platz drei des Emporis Skyscraper Awards 2016.

Das natürliche Fassadengrün ist dabei mehr als nur Deko. Bauingenieure der Technischen Universität Wien haben in einem Pilotprojekt an dem Wiener Gymnasium Kandlgasse untersucht, wie Pflanzen auf dem Dach, an der Fassade und in den Klassenräumen das Mikroklima beeinflussen – mit einem positiven Ergebnis: Die Begrünungssysteme dämmten das Schulgebäude und temperierten die Räume ganzjährig. Dadurch erhitzten sich die Räume an heißen Tagen weniger, während das Gebäude an kalten Tagen um bis zu 20 Prozent langsamer als bei ungedämmter Fassade auskühlte. So wird weniger Energie für Heizung und Klimaanlage verbraucht.

Zudem wirken grüne Fassaden als Schadstofffilter, sie binden CO2 und produzieren Sauerstoff. Ist die Pflanzenhülle durchdacht angelegt, schützt sie darüber hinaus die Fassade vor Schlagregen, Hagel sowie UV-Strahlung und erhöht dadurch ihre Lebensdauer.

Zwei Arten der Fassadenbegrünung

Zum Begrünen deiner Fassade kannst du zwischen vertikalen Lösungen und Kletterpflanzen wählen.

Zum Begrünen deiner Fassade kannst du zwischen vertikalen Lösungen und Kletterpflanzen wählen.

Unterschieden wird zwischen zwei Kategorien der Fassadenbegrünung: der bodengebundenen (traditionellen) und der wandgebundenen Variante, der sogenannten „Living Wall“. Letztere findet man häufig an Neubauten wieder, da die Pflanzen gezielt platziert werden können und sich ihr Wachstum so gut planen lässt. Dabei wird eine Fassade vorgehängt, die hinterlüftet ist. Auf diese Weise besteht kein Kontakt zur eigentlichen Gebäudehülle. Pflanzentechnisch lässt sich die Living Wall vielseitig gestalten. Auch Stauden gedeihen auf ihr und lassen die Fassade wie einen grünen Pelz erscheinen. Da die wandgebundene Fassadenbegrünung über keinen Bodenanschluss verfügt, wird sie über Bewässerungsanlagen mit Wasser und Nährstoffen versorgt und eignet sich deshalb besonders für den innerstädtischen Bereich, der kein nährstoffreiches Fundament zur Verfügung hat. Diese Variante ist allerdings wegen des nötigen technischen Equipments relativ kostspielig: Der Preis beginnt je nach Anbieter und System bei 400 Euro pro Quadratmeter.

Bei der bodengebundenen Variante hingegen ist die Kletterpflanze tief in der Erde verwurzelt und zieht sich darüber die notwendigen Nährstoffe. Je nach Pflanzenart wächst die Kletterpflanze direkt an der Hauswand oder über ein Klettergerüst in die Höhe. Die traditionelle Art der Fassadenbegrünung bewährt sich seit Jahrzehnten und ist eine im Vergleich zur Living Wall günstige und dennoch ansprechende Variante insbesondere für Eigenheimbesitzer.

Voraussetzungen für Kletterpflanzen

Natürlicher Schutz: Begrünte Fassaden sind der Witterung weniger ausgeliefert.

Natürlicher Schutz: Begrünte Fassaden sind der Witterung weniger ausgeliefert.

Kletterpflanzen werden unterteilt in Selbstklimmer und Gerüstkletterpflanzen. Je nach Pflanzenart und Fassadengröße brauchen Kletterpflanzen zwischen fünf und 20 Jahren, um die Wirkung eines grünen Teppichs zu erzielen. Die Selbstklimmer, die meist mittels Haftwurzeln oder Haftscheiben klettern, breiten sich großflächig aus und dringen gezielt in Fugen, Risse und Abstände. Die Fassade muss deshalb technisch intakt sein. Den Einsatz von Selbstklimmern nennt man deshalb auch Direkt-Begrünung. Doch Achtung: Die Anschaffung ist zwar kostengünstig, die spätere Pflege dagegen birgt höhere Unterhaltskosten. Die Haftorgane lassen sich nur unter größerem Aufwand wieder ganz entfernen und lassen oftmals irreparable Schäden im Putz zurück. Wandöffnungen, Jalousien und Fallrohre sowie Dachflächen sollte man deshalb konsequent von dem Bewuchs der Kletterpflanzen freihalten. Zu den Selbstklimmern zählen der immergrüne Efeu sowie die Kletterhortensie und der Wilde Wein. Auch wenn Selbstklimmer keine Rankhilfe benötigen, kann diese eine sinnvolle Starthilfe sein, um den Bewuchs in Form zu bringen und sein Stammgerüst zu sichern.

Romantisch: Kletterrosen wachsen am besten mit Rankhilfe.

Romantisch: Kletterrosen wachsen am besten mit Rankhilfe.

Gerüstkletterpflanzen hingegen können vertikale Flächen nur mithilfe von Kletterhilfen bewachsen, seien es Seilsysteme, Klettergerüste oder andere Pflanzen. Sie haben verschiedene Klettertechniken entwickelt, mit denen sie sich binnen kürzester Zeit ausbreiten. Es gibt die Winder, die mit ihren Sprossen spiralenförmig um die Kletterhilfe aufwärts streben, die Ranker, die fadenartige, kontaktempfindliche Befestigungsorgane nutzen, und die Spreizklimmer, die mithilfe ihrer Sprossen, Dornen und Widerhaken eine Struktur durchdringen und sich so an sie haften. Besonders geeignet für Spreizklimmer sind Gitter und Netze. Gerüstkletterpflanzen wachsen bei den richtigen Voraussetzungen ewig und können, im Gegensatz zu den Selbstklimmern, ganz einfach von der Fassade entfernt werden. Die beliebtesten Exemplare sind hier die Clematis und die Kletterrose.

Die Lichtverhältnisse entscheiden

Da jede Kletterpflanze eigene Bedürfnisse und Eigenschaften hat, ist eine standortgerechte und objektbezogene Pflanzenauswahl wichtig. Kenntnisse über Größe, Gewicht, Triebdurchmesser und Richtungswuchs sind also unabdingbar, denn manche Pflanzen wachsen geradezu unendlich, während andere ohne Rankhilfe oder Klettergerüst keine zwei Meter schaffen. Auch die Jahreszeit und die Lichtverhältnisse spielen eine große Rolle.

Farbenspiel im Wandel der Jahreszeiten

Farbenspiel im Wandel der Jahreszeiten

Die Auswahl an Kletterpflanzen, die sich im Schatten wohlfühlen, ist eher begrenzt, zu den beliebtesten gehört Efeu. Dieser kann mühelos bis zu 20 Metern erklimmen. Nachteil: Efeu breitet sich großflächig aus und lässt sich wegen seiner Haftorgane nur schwer wieder von der Hauswand entfernen. Ebenfalls schön anzuschauen ist Wilder Wein. Er kann 15 Meter hochwachsen, ist im Umgang relativ anspruchslos und erstrahlt im Herbst in einem feurigen Rot mit verschiedenen Nuancen. Für den Halbschatten eignet sich der Hopfen, der auf einen feuchten und nährstoffreichen Boden angewiesen ist, oder die Clematis. Sie blüht von Frühjahr bis Spätsommer und ist wegen ihrer Farbenvielfalt besonders beliebt.

Der Chinesische Blauregen (Wisteria sinensis) mag besonders Sonne und erfreut uns als erster im Jahr mit seinen blauvioletten Blüten. Er streckt sich bis zu 15 Meter in die Höhe und schmückt neben Fassaden auch Hauseingänge, Brückengeländer und Gartenmauern. Für Rosenliebhaber sind Kletterrosen die ideale Fassadenbegrünung, denn sie beeindrucken neben dem Grün mit tennisballgroßen Blüten und lassen sich recht einfach wieder von der Hauswand entfernen.

Nicht ohne Pflege: Eine regelmäßige Kontrolle kann Schäden am Haus verhindern.

Nicht ohne Pflege: Eine regelmäßige Kontrolle kann Schäden am Haus verhindern.

Egal für welche Pflanze du dich entscheidest, eine regelmäßige Sichtkontrolle ist wichtig, um Schäden an der Fassade zu vermeiden. Nur so erkennst du ungewünschten Wuchs rechtzeitig und kannst ihn zurückschneiden. Belohnt wirst du dafür mit einer lebendigen Fassade und einem tollen Klima.

Lesetipp: Der „Leitfaden Fassadenbegrünung“ von „ÖkoKauf Wien“, einem Programm des Magistrat der Stadt Wien, liefert auf 100 Seiten einen detaillierten Überblick über Arten der Fassadenbegrünung und bautechnische Voraussetzungen sowie zahlreiche Beispiele.