Klein, aber daheim. Wie lebt es sich in einem Tiny-House-Dorf?

Wie viel Platz brauchen wir eigentlich zum Glücklichsein? Bedeutet mehr Raum gleich mehr Freiheit? Oder verhält es sich vielleicht genau umgekehrt? Fühlt es sich befreiend an, sich von den gewohnten Vorstellungen „eines Zuhauses” zu lösen? Und was hat das alles mit meinem ökologischen Fußabdruck zu tun? In einer kleinen Gemeinde in Oberösterreich entsteht eine der ersten Tiny-House-Siedlungen des Landes. Ein Wohnungsbaukonzept, das in vielerlei Hinsicht zum Umdenken anregt.

Simone Kamleitner geht voran: Leben auf 30 Quadratmetern

Simone Kamleitner geht voran: Leben auf 30 Quadratmetern

Eine Frau verkleinert sich. Wie es zum Tiny-House-Dorf kam.  

Vor allem Städter können ein Lied davon singen: Es wird immer schwerer, eine Wohnung zu finden – und vor allem eine, die man sich auch leisten kann. Die Mieten steigen, und damit auch der finanzielle Druck, alles am Laufen zu halten. Deshalb fragen sich immer mehr Menschen: „Brauche ich das wirklich alles?“ Könnten wir nicht auch ganz anders leben? Mit weniger Stress und weniger Belastung? Vielleicht auch nachhaltiger?

Simone Kamleitner hat für sich eine Antwort gefunden. Die Designerin entschied vor einigen Jahren, ihr Leben komplett neu zu sortieren. Und das hieß vor allem: erst mal aussortieren. Alles sollte ein wenig weniger werden: weniger Besitz, weniger Ballast, dafür leichter zu bewerkstelligen. Sie tauschte ihr Reihenhaus von 90 Quadratmetern gegen ein 27 Quadratmeter großes Tiny-House im Flachgau nahe Salzburg. Die Veränderung hat ihr gutgetan.

Mittlerweile lebt sie schon seit acht Jahren in ihrem kompakten Zuhause und hat sich in der Region als Mikrohaus-Pionierin und Reduktions-Expertin einen Namen gemacht. Für Simone Kamleitner ist dieses auf das Minimum reduzierte Wohnen und Leben ein Zukunftsmodell. Nun möchte sie auch anderen ihre Vision von reduziertem Wohnen und Leben ermöglichen. Gemeinsam mit einem Holzbauer aus der Region entwickelte sie das erste Tiny-House-Dorf für alle Generationen in Oberösterreich. Wir haben uns das Projekt einmal genauer angesehen.

Inhalt
1. Intro: Klein, aber daheim. Wie lebt es sich in einem Tiny-House-Dorf?
2. Eine Frau verkleinert sich. Wie es zum Tiny-House-Dorf kam. 
3. Kleines Dorf. Große Idee. Eine Gemeinde denkt um. 
4. Groß in der Reduktion. Wofür Platz ist, und was draußen bleiben muss. 
5. Mehr Leben pro Quadratmeter. Was macht das Tiny-House mit seinen Bewohnern?
6. Bedeutet das weniger Haus gleich weniger CO2? Tiny-Häuser und Nachhaltigkeit.
7. Wird Schneegattern die Welt verändern? Die Zukunft der Tiny-Häuser.
8. Überblick
9. FAQs – häufig gestellte Fragen

Kleines Dorf. Große Idee. Eine Gemeinde denkt um.

Dorf im Dorf: 12 Mikrohäuser für Schneegattern

Dorf im Dorf: 12 Mikrohäuser für Schneegattern

Eigentlich ist es ein eher unscheinbares Dorf im Kreis Lengau. Mit gerade einmal 914 Einwohnern werden viele noch nie von Schneegattern gehört haben. Dabei liegt die Gemeinde wunderschön. Umgeben von sanften Hügeln, saftigen Wiesen und herrlichen Wäldern – viele schöne Badeseen gibt es in der Gegend, und nach Salzburg sind es mit dem Auto auch nur rund 30 Minuten. Ein richtiges oberösterreichisches Idyll. Allerdings klingt „Idyll” immer ein wenig verschlafen, und Schneegattern ist vielleicht genau das Gegenteil.

Wenn es um Wohnungsbau geht, leistet man hier echte Pionierarbeit – mit einer der ersten Tiny-House-Siedlungen in Österreich. Ein Dorf im Dorf. Auf einer Fläche von 5.732 Quadratmetern Bauland entstehen 12 barrierefreie Holzriegelhäuser mit 30, 50, 70 und 90 Quadratmetern. Der Spatenstich war Anfang 2023, bezugsfertig soll die Siedlung Ende des Jahres sein. Zu jedem Haus gehören eine Terrasse und ein kleiner Garten. Darüber hinaus gibt es eine Fläche, die der gesamten Tiny-Gemeinde offensteht – eine Pergola mit Feuerstelle zum Grillen und Entspannen, alleine oder in der Gemeinschaft. Laut Projektinitiatorin Simone Kamleitner sind viele der Häuser bereits verkauft. Allerdings sind die größeren Tiny-Häuser bisher gefragter als die ganz kleinen 30-Quadratmeter-Objekte.

Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die sich für dieses Lebensmodell entscheiden: Paare, Singles und auch Pensionisten. Und das ist gewünscht. Es soll ein Generationendorf entstehen. Ein Ort des sozialen Miteinanders, an dem sich alle wohlfühlen und harmonisch zusammenleben. Erich Ripple, der Lengauer Bürgermeister, war anfangs skeptisch, hat aber nach näherer Betrachtung des Projektes seine Meinung geändert. Reduzierter, bezahlbarer Wohnungsbau, der das Zusammenleben mehrerer Generationen ermöglicht, betrachtet er als zukunftsfähiges Wohnkonzept. Für ihn passt die Idee ideal nach Schneegattern. 

Groß in der Reduktion. Wofür Platz ist, was draußen bleiben muss. 

Es gibt ein paar essenzielle Dinge, die wir zum Leben brauchen. Ein Bett zum Schlafen, ein Bad zur Pflege, eine Küche zum Kochen, einen Platz zum Essen und zum Arbeiten. All das passt bequem auf 30 Quadratmeter. Und mit etwas Kreativität und einer cleveren Raumaufteilung bleibt auch genug Platz für Extras wie eine Spülmaschine oder ein Schaukelstuhl. Zu eng wird es allerdings für alle die Dinge, die uns vielleicht ohnehin schon lange nerven. Wir alle kennen das. Es gibt Dinge, die wir über Jahre, manchmal sogar ein ganzes Leben lang mit uns herumtragen. Objekte, die wir aus irgendeinem Grund nicht wegwerfen, obwohl sie keinen wirklichen Nutzen oder einen emotionalen Wert für uns haben. In einem Tiny-House gibt es keinen Platz für solchen unnötigen Kram. Und das kann befreiend sein. Das Weglassen des Überflüssigen schafft Raum – nicht nur physisch, sondern auch mental. Ohne diesen zusätzlichen Ballast können sich 30 Quadratmeter erstaunlich weitläufig anfühlen.

Mehr Leben pro Quadratmeter. Was macht das Tiny-House mit seinen Bewohnern?

Kleines Haus ganz groß: Innenansichten links eines 90-, rechts eines 70-Quadratmeter-Hauses

Kleines Haus ganz groß: Innenansichten links eines 90-, rechts eines 70-Quadratmeter-Hauses

Kann Geld glücklich machen? Wahrscheinlich am ehesten, wenn man es gar nicht erst braucht. Ein Mikrohaus bedeutet definitiv weniger finanzielle Belastung. Die Objekte in Schneegattern starten bei 170.000 Euro für 30 Quadratmeter und enden bei 351.000 Euro für 90 Quadratmeter. Zu solchen Preisen findet man in einer Stadt wie Salzburg keinen Wohnraum. Hinzu kommt, dass man das Grundstück nicht kaufen muss. Es wurde für 88 Jahre von den Österreichischen Bundesforsten gepachtet. Komfortabler und entspannter kann man kaum an ein eigenes Haus mit Garten kommen. Und während man normalerweise mit dem Hausbau eine Entscheidung fürs Leben trifft, kann man es mit einem Mikrohaus etwas entspannter sehen. Bei Umzügen lassen sich zumindest die kleinen Modelle in Schneegattern problemlos versetzen – quasi ein Tiny-House-To-Go.

Doch es sind nicht nur finanzielle und rein praktische Beweggründe, die für das reduzierte Leben in einem Mikrohaus sprechen. Weniger Besitz bedeutet schlichtweg weniger Stress. Weniger Putzen, weniger Instandhaltung, weniger Ballast, den man mit sich trägt und der gelegentlich ziemlich belastend sein kann. Man kann sich mehr auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren: auf die Familie, auf Freude und auf das Miteinander. Dieses verändert sich ebenfalls. Wer wenig Raum um sich herum hat, sucht die Nähe zu anderen. Ein neues Gemeinschaftsgefühl kann entstehen. Deshalb spielt die Gemeinschaftsfläche im Projekt Schneegattern eine so zentrale Rolle. Sie ist ein Ort der Begegnung, der Geselligkeit, der Generationen zusammenbringt – es ist die Pergola mit Feuerstelle, die aus der reinen Siedlung ein Dorf, eine Gemeinschaft und ein soziales Netzwerk macht.

Bedeutet weniger Haus gleich weniger CO2? Tiny-Häuser und Nachhaltigkeit

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, sind unterschiedlichste Faktoren zu berücksichtigen.  Zunächst einmal sind Bodenverbrauch und Bodenversiegelung geringer als bei traditionellen Gebäuden. Zusätzlich setzt man in Schneegattern mit dem Holzriegelbau auf einen nachwachsenden Rohstoff, der CO2 speichert. Im Vergleich zu Beton und Stahl hat Holz einen deutlich geringeren Energie- und Wasserbedarf in der Herstellung und Verarbeitung. Das gilt natürlich nur für Hölzer, die aus der Region kommen. Zusätzlich reduziert die kompakte Bauweise den Materialverbrauch und reduziert die Fläche, die geheizt und gekühlt werden muss. Aber, da wird es ein wenig kompliziert, große Gebäude sind deutlich energieeffizienter. Das liegt vor allem daran, dass bei einem Tiny-Haus der gesamte Innenraum von Außenflächen umgeben ist, wodurch Raumenergie, sprich Wärme verloren geht. Das bedeutet grundsätzlich höherer Verbrauch pro Quadratmeter. Trotzdem ist die zu heizende Fläche natürlich deutlich geringer, und das macht sich auch in den Energiekosten bemerkbar. Fazit: Man kann nicht sagen, dass Tiny-Häuser automatisch nachhaltiger sind. Der ökologische Fußabdruck hängt vom Baumaterial, der Isolierung, den genutzten Energiequellen und natürlich vom individuellen Lebensstil der Bewohner ab. 

Wird Schneegattern die Welt verändern? Die Zukunft der Tiny-Häuser

Eine Idee wird Wirklichkeit: Die ersten Mikro-Häuser stehen schon.

Eine Idee wird Wirklichkeit: Die ersten Mikro-Häuser stehen schon.

Simone Kamleitner, die Initiatorin des Projekts in Schneegattern, hat ambitionierte Pläne für die Zukunft. Sollte ihr Generationendorf dort ein Erfolg werden, kann sie sich weitere Tiny-House-Siedlungen mit verschiedenen Schwerpunkten vorstellen. Zum Beispiel Mikrohaus-Siedlungen speziell für Singles, andere wiederum für Familien oder eine ökologisch ausgerichtete Gemeinschaft. An Ideen mangelt es ihr nicht. 

Und nicht nur in Schneegattern denkt man in diese Richtung. In Unken im Pinzgau plant beispielsweise der Salzburger Roland Mösl eine Siedlung, die fünf Tiny-Häuser mit jeweils 70 Quadratmetern umfasst. Diese sind so konzipiert, dass sie jeweils bis zu vier Personen beherbergen können – perfekt für Familien. Ein besonderes Augenmerk wird bei diesem Projekt auf Nachhaltigkeit gelegt: Jedes Haus wird mit Photovoltaikmodulen ausgestattet und speichert den gewonnenen Strom in Natrium-Akkus. Somit verfügt die gesamte Siedlung über ein autarkes Energiesystem. Roland Mösl strebt an, sein Projekt bis 2025 abzuschließen.

In Deutschland gibt es ebenfalls bereits einige Tiny-House-Siedlungen. Allerdings dienen viele von ihnen in erster Linie als Wochenendhäuser oder Ferienwohnungen. Die Zukunft wird zeigen, ob sich das Konzept des Mikro-Wohnens als dauerhafte Wohnlösung durchsetzt oder ob es eine Nische bleibt.

Überblick

In Oberösterreich entsteht eine der ersten Tiny-House-Siedlungen. Das Konzept hinter diesen kleinen Häusern zielt darauf ab, weniger Platz zu beanspruchen, den ökologischen Fußabdruck zu verringern und ein neues Lebensgefühl zu ermöglichen. Simone Kamleitner, eine Pionierin des Mikrohaus-Konzepts, tauschte ihr herkömmliches Haus gegen ein Tiny-House und entwickelte dann das erste Tiny-House-Dorf in Oberösterreich, das als soziale Gemeinschaft für alle Generationen konzipiert ist. Die Häuser in diesem Dorf sind finanziell zugänglicher als Wohnungen in städtischen Gebieten, bieten mehr Flexibilität und können das Gemeinschaftsgefühl stärken. In Bezug auf Nachhaltigkeit verbrauchen Tiny-Häuser weniger Ressourcen, wobei Holz als nachhaltiges Baumaterial bevorzugt wird. Allerdings ist kleineres Wohnen nicht unbedingt gleichbedeutend mit grünerem Wohnen. Während das Konzept in Schneegattern an Popularität gewinnt, entstehen auch in anderen Regionen ähnliche Projekte. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Mikrohaus-Konzept langfristig etablieren wird.

Lesetipps:
Lies auch unseren Artikel über Tiny-House-Projekt in Gutenstein in Niederösterreich.
Oder unseren Artikel mit Fünf Gründen für ein Leben im Tiny House.
Oder unseren Artikel über das Wohnen im Modulhaus.
Ober unseren Artikel über innovative Wohnkonzepte.

FAQs zu Tiny Houses und der Siedlung in Schneegattern:

Was ist das Besondere an der Tiny-House-Siedlung in Oberösterreich?
Es handelt sich um eine der ersten Tiny-House-Siedlungen in Österreich, gegründet von Simone Kamleitner, die darauf abzielt, ein soziales Miteinander für alle Generationen in kleineren Wohnräumen zu fördern.

Wie nachhaltig sind  Tiny-Houses?
Tiny-Häuser verbrauchen in der Regel weniger Ressourcen, insbesondere wenn sie aus nachhaltigen Materialien wie Holz gebaut werden. Sie benötigen weniger Energie zum Beheizen und Kühlen, obwohl größere Gebäude in Bezug auf Material- und Energieeffizienz manchmal vorteilhafter sind.

Welche Vorteile bieten Tiny-Häuser im Vergleich zu herkömmlichen Wohnungen?
Sie sind finanziell erschinglicher, ermöglichen eine größere Flexibilität, reduzieren den Besitz und fördern dadurch ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl.

Wie teuer sind die Tiny-Häuser in Schneegattern?
Die Preise starten bei 170.000 Euro für 30 Quadratmeter und gehen bis zu 351.000 Euro für 90 Quadratmeter.

Wer sind die typischen Bewohner dieser Tiny-House-Siedlung?
Die Siedlung zieht verschiedene Bewohner an, darunter Paare, Singles und Pensionisten, wobei das Hauptziel darin besteht, ein harmonisches Zusammenleben verschiedener Generationen zu fördern.

Gibt es ähnliche Tiny-House-Projekte außerhalb von Schneegattern?
Ja, es gibt ähnliche Konzepte, die in anderen Regionen entwickelt werden, einschließlich einer Siedlung in Unken, die von Roland Mösl geplant wird, und mehrere Tiny-House-Dörfer in Deutschland.