Emaille:
die Rückkehr des nachhaltigen Küchenklassikers

Kochgeschirr aus Emaille erlebt ein Revival. Auch Profiköche schätzen die Eigenschaften des Materials. Wir stellen den einzigen Hersteller in Österreich vor: Riess – eine familiengeführte Manufaktur mit langer Tradition.

Nicht nur bei Campern beliebt: Emaille

Nicht nur bei Campern beliebt: Emaille

Emaille, was ist das eigentlich?

Aus Omas Küch waren robuste Koch- und Alltagshelfer aus Emaille nicht wegzudenken. Auch wenn der Werkstoff in den 50-er Jahren zunehmend von Kunststoffen und Edelstahl verdrängt wurde: Jeder kennt Emaille oder besitzt vielleicht selbst ein Stück. Doch was ist Emaille eigentlich? „Emaille ist die große bekannte Unbekannte“, bestätigt Friedrich Riess, der Chef des niederösterreichischen Familienunternehmens Riess.

Das Wort Emaille stammt von dem altfranzösischen Wort „esmal” für Schmelzglas ab. Einfach ausgedrückt handelt es sich um Glas auf Eisen. Für die Herstellung werden Quarz, Feldspat, Borax, Soda und Pottasche verschmolzen, vermahlen und mit Farbpigmenten in Wasser aufgelöst. Dann wird das Trägermaterial Eisen in die Masse getaucht und im Brennofen bei 850 Grad untrennbar aufgeschmolzen. In der Regel sind es zwei Schichten. Bei besonders farbintensiven Stücken können es auch mal drei sein, erklärt der Firmenchef. Töpfe und Pfannen sind für alle Herdarten geeignet, dank des Eisenkerns auch für Induktion. Aus ökologischer Sicht punktet Emaille ebenfalls – es wird ausschließlich aus natürlichen Rohstoffen hergestellt und ist zu 100 Prozent recyclebar.

Kochgeschirr mit Tradition

Ein Ausschnitt aus dem Sortiments des Herstellers Riess

Ein Ausschnitt aus dem Sortiments des Herstellers Riess

Seine Erfolgsgeschichte verdankt Emaille im Wesentlichen einem böhmischen Arzt und Chemiker, der im Jahr 1836 herausfand, wie sich Metall bleifrei und damit giftfrei beschichten lässt. Die Glasbeschichtung war eine Revolution in der Kochgeschirr-Produktion. Sie machte Metalle unempfindlich gegen Korrosion – lange bevor rostfreier Stahl erfunden war. Als schadstofffreies, hygienisches und äußerst robustes Alltagsgeschirr eroberte es den Alltag: Von der Milchkanne über die Schöpfkelle, der Kehrschaufel bis zum Nachttopf. Darüber hinaus kam Emaille überall dort zum Einsatz, wo es viel aushalten musste: in Krankenhäusern, Kantinen sowie beim Militär.

Die einzigen in Österreich

Eisengeschirr wird in Emaille-Schlicker getaucht und anschließend gebrannt.

Eisengeschirr wird in Emaille-Schlicker getaucht und anschließend gebrannt.

Die Familie Riess stieg 1922 in die Emaille-Produktion ein. Friedrich Riess leitet das Werk heute gemeinsam mit Cousin Julian und Cousine Susanne in der neunten Generation. Die Riess-Vorväter waren seit 1550 mit einer Pfannenschmiede in Ybbsitz ansässig. Das reiche Vorkommen von Erz, Holz und Wasser war der Grund dafür, dass sich in der Region um Waidhofen in Niederösterreich einst viele eisenverarbeitende Betriebe angesiedelt hatten. Heute ist die Firma Riess der letzte verbliebene Arbeitgeber der Branche an der historischen Eisenstraße.

Grüne Produktion: Luftaufnahme des Riess-Geländes in Ybbsitz im Mostviertel.

Grüne Produktion: Luftaufnahme des Riess-Geländes in Ybbsitz im Mostviertel.

Um 1900 gab es in Europa hunderte Emaille-Fabriken. In Österreich waren es mal fünf. Seit 1980 gibt es nur noch den Betrieb in Ybbsitz. „Auch wir wurden schon oft totgesagt“, berichtet Friedrich Riess. Doch die Familie ließ sich nicht beirren. Selbst in Zeiten, in denen Unternehmensberater empfahlen, auf Masse und weniger Arbeiter umzustellen. „Mitarbeiter, die 25 Jahre und länger in derselben Firma arbeiten, gelten heute als unzeitgemäß, weil viel zu teuer. Dabei gehören sie zum wichtigsten Gut“, sagt Friedrich Riess und schüttelt ungläubig den Kopf. Er ist sich sicher: „Uns gibt es nur noch, weil wir alles anders gemacht haben als andere.“ Die Zahl der Mitarbeiter ist in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Waren es 2009 noch 86, sind heute um die 120 Menschen in Ybbsitz beschäftigt.

Endkontrolle vor der Verpackung

Endkontrolle vor der Verpackung

Die Vorteile der Emaille

Jahrzehnte galt Emaille als überholt. Kunststoff oder beschichtetes Kochgeschirr sind billiger. Mit Landhausstil, Retro-Trend und dem Interesse an nachhaltigen Produkten erlebte der Werkstoff eine Renaissance, seine zahlreichen Vorteile rückten wieder ins Blickfeld: Emaille ist bis 450 Grad hitzebeständig, schnitt- und kratzfest, hygienisch und geschmacksneutral. Die Produkte zeigen bei richtiger Pflege selbst nach Jahren und kaum Gebrauchsspuren. Emaille besteht nur aus natürlichen Rohstoffen, ist nickelfrei und damit auch für Allergiker geeignet.

Kochgeschirre sind aus einem Stück gefertigt. Dadurch erhitzt sich beim Kochen der gesamte Topf (Achtung, das bedeutet auch der Deckel!) und nicht nur der Boden. Damit kommt man mit sehr viel weniger Energie als bei herkömmlichen Induktions- oder gar Edelstahltöpfen aus. Durch das Niedertemperatur-Kochen und die schonende Garung bleiben wiederum Vitamine, Nährstoffe sowie Geschmack erhalten.

CO2-neutral aus Österreich

Der traditionsreichen Manufaktur ist der Sprung in die Gegenwart gelungen. Das Unternehmen exportiert heute in über 35 Länder. Gemeinsam mit dem Designbüro „dottings“ aus Wien entstehen neue und spannende Produktlinien. Darunter die Backformen der „Riess Edition Sarah Wiener“. Die Promi-Köchin ist, wie viele andere Küchenchefs, bekennender Emaille-Fan, da sie um die vielen Vorteile von Emaille in der Küche weiß.

Nachhaltigkeit ist in der Riess-Firmengeschichte fest verankert. Schon 1926 wurde das erste werkseigene Wasserkraftwerk gebaut – inklusive Fischtreppe, die den Tieren ein barrierefreies Vorankommen ermöglicht. Alle Maschinen werden seitdem mit dem selbst erzeugten, sauberen Strom betrieben. Um die Stromversorgung in den kommenden Jahren sicherzustellen, wurde 2016 ein weiteres Kraftwerk an der Großen Ybbs gebaut.

Nachhaltig: Jause aus der Emaillle-Dose

Nachhaltig: Jause aus der Emaillle-Dose

Die richtige Pflege

Für lang anhaltende Freude an Emaille-Kochgeschirr empfiehlt der Firmenchef ein langsames Erhitzen von Töpfen und Pfannen. Schockartige Temperaturunterschiede nimmt das sonst so robuste Material übel, da sich Eisen und Glas unterschiedlich schnell ausdehnen. Genauso wenig mag Emaille aggressive chemische Mittel. Zum Reinigen genüge es, das noch warme Geschirr in Wasser und etwas Spülmittel einzuweichen. Die Geschirrspülmaschine sollte tabu sein.

„Ich würde es gerne noch erleben, dass in Haushalten mit Kochgeschirr ebenso sorgsam umgegangen wird wie mit Wäsche. Eine empfindliche Seidenbluse oder einen hochwertigen Pullover aus Cashmere gebe ich ja auch nicht sorglos in die Waschmaschine“, so Friedrich Riess. Am einfachsten sei es, sich beim Umgang diesen Satz zu merken: Behandle Emaille wie Glas und du hast lange Freude daran.

Werksbesichtigung

Die Emaille-Manufaktur Riess bietet von Montag bis Freitag zwischen 8 und 10 Uhr Betriebsbesichtigungen an (ab zehn Personen). Anmeldung unter Telefon: 07443/8631552 oder per Mail office@riess.at. Adresse: Riess Kelomat GmbH, Maisberg 47, 3341 Ybbsitz. Infos: www.riess.at

Die Riess-Geschäftsführer mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Die Riess-Geschäftsführer mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.