„Es war einfach nur ein schönes Gefühl“

Joachim Puchner, erfolgreicher Ex-Skirennläufer des ÖSV, kehrte nach seinem Rücktritt 2017 im Oktober dieses Jahres auf die Rennstrecke zurück: Beim Weltcup-Auftakt in Sölden feierte er seine Premiere als Kamerafahrer für den ORF – und trat damit in die Fußstapfen von Hans Knauß. MEIN LEBEN führte mit ihm ein Interview über seine Premiere und die Besonderheiten des Kamerafahrers.

(Interview auf dem Dezember 2020)

Lieber Joachim, in aller Kürze: Wie war die Premiere als Kamerafahrer beim Riesentorlauf in Sölden?

Es hat mir natürlich eine Riesenfreude bereitet, nach dem Rücktritt wieder im Starthaus zu stehen. Auch wenn es in einer anderen Form war. Und ich war schon sehr angespannt, weil ich als ehemaliger Speed-Spezialist ja den Riesentorlauf in Sölden nie gefahren bin. Aber dafür gab es reichlich Unterstützung vor Ort, das Team seitens des ORF war top – wenn ich Fragen hatte wurde mir immer geholfen. Ich habe mich richtiggehend wohl- und sichergefühlt.

Alles in allem war es glaube ich ein solider Auftakt und ich hoffe natürlich, dass alle, besonders die Zuseher vorm Fernseher, zufrieden sind.

Warst du aufgeregter als bei früheren Starts?

Anspannung gehört ja immer dazu, alles in allem war es einfach nur ein schönes Gefühl, am Start zu stehen. Und dann war es auch ein wenig wie früher: Sobald du dich aus dem Starthaus raus katapultierst, ist die Angespanntheit weg.

Vom Rennläufer zum Kameramann: Der ehemalige Weltklasse-Profi bietet jetzt den Zusehern vor den Bildschirmen ganz besondere Eindrücke.

Vom Rennläufer zum Kameramann: Der ehemalige Weltklasse-Profi bietet jetzt den Zusehern vor den Bildschirmen ganz besondere Eindrücke.

Gab es deinerseits ein langes Grübeln als die Anfrage zum Kamerafahrer kam? Oder war es eher ein „Geil, das ist eine super Chance!“-Gefühl?

Mir war das eigentlich sofort klar, dass ich das machen will. Ich liebe den Skisport über alles – durfte den Rennsport erleben und leben und bin dafür sehr dankbar. Und auch wenn die Karriere etwas früher als geplant endete, blieb diese Leidenschaft erhalten. Daher ist es jetzt eine ehrenvolle Aufgabe, als Kamerafahrer nur wenige Augenblicke vor den Top-Stars auf die Piste zu gehen.

Wie ist die Vorbereitung auf so eine Kamerafahrt im Vergleich zur Vorbereitung als Rennfahrer. Bleibt das „Setting“ ident? Strecke und Verletzungsgefahr bleiben ja gleich.

Also das Material, das ich als Kamerafahrer verwende ist ein Rennski. An den musste ich mich wieder ein wenig gewöhnen und trainiert habe ich im Vorfeld sowieso – damit ich weiß was ich da tue J Das Aufwärmen vor dem Start ist sowieso Pflicht, das gehört immer zu jedem Sport dazu, wenngleich die Intensität doch geringer ist im Vergleich zu früher. Aber wenn ich mir vorstelle mit einem Kaltstart die Streif in Kitzbühel runterzufahren: Ich glaub das ginge nicht gut aus.

Interessant ist ja zum Beispiel auch, dass man als Kamerafahrer natürlich die Kamera-Einstellungen mitbedenken muss. Jeder hat eine andere Position am Ski, bei Abfahrten ist man mehr in der Hocke als bei Riesenslaloms. Das bringt auch eine geänderte Kopfposition mit sich, je nach Strecke.

Auf was freust du dich diesen Winter besonders? Sind Kitzbühel & Wengen auch für Kamerafahrer Highlights?

Ja, absolut. Als ehemaliger Abfahrer sind das die Saison-Highlights. Weil vor Ort kennt man diese besondere Stimmung und sowohl Streif als auch das Lauberhorn sind einmalige Strecken und haben beide ihre ganz speziellen Besonderheiten.

Hans Knauß und Thomas Sykora lassen es ziemlich einfach wirken: Aber wie anspruchsvoll ist es, eine Rennstrecke runterzufahren und daneben zu kommentieren? Und hast du das im Vorfeld geübt?

Wie es spruchreif war, dass ich diese Position übernehme, bin ich sofort aufs Kitzsteinhorn rauf und hab mit neuem Material die ersten Runden gedreht. Beim Freifahren, also ohne gesetzte Tore, habe ich dann versucht zu kommentieren. Mein erster Gedanke war: „Ja leck. Das ist schwer!“

Glücklicherweise habe ich zufällig Alexandra Meißnitzer getroffen, die mir versicherte: „Wirst sehen, wenn die Tore da sind, ist das einfacher.“

 

Im Starthaus in Sölden - im Hintergrund schlängelt sich der Riesentorlauf den Hang hinab

Im Starthaus in Sölden - im Hintergrund schlängelt sich der Riesentorlauf den Hang hinab

Und hat sie recht behalten?

Ja, absolut! Die Alexandra ist ja ein Profi und hat da viel Erfahrung. Sobald die Tore herumstehen, hat man etwas zu kommentieren, eine gewisse Orientierung. Also habe ich mich mit Riesentorlauf-Toren herangetastet. Und bei zukünftigen Abfahrten nutze ich natürlich die Trainings vor den Rennen, die man als Kameramann auch mitfährt. Da muss man sich herantasten wie die Sprünge gehen, wie hoch Geschwindigkeiten in gewissen Passagen sind und wie diverse Topografien reagieren.

Kann man als Kamerafahrer das Skifahren auf einer perfekt präparierten Piste vielleicht mehr genießen als zuvor?

Genießen sollte man sowieso immer, auch als Rennfahrer – es bringt dir ja nichts, den ganzen Tag angespannt zu sein. Da verkrampfst du nur. Es gibt ja auch für Profifahrer eine Zeit vor und nach dem Rennen, wo man das Rundherum, die Kulisse, das Panorama genießen sollte. Die Anspannung will gut getimed sein.

Als Kamerafahrer musst du dich auch in Kitzbühel von oben bis unten enorm konzentrieren, in Wengen kann ich dann in den Gleitpassagen des oberen Bereichs vielleicht ein wenig mehr das Panorama genießen.

Hast du dich in den letzten Wochen mit Hans Knauß ausgetauscht?

Ja, sowohl mit Alexandra Meißnitzer und auch dem Hans Knauß habe ich mich ausgetauscht. Mit Hans habe ich öfter telefoniert. Das war besonders in Materialfragen extrem hilfreich. Und vor Ort in Sölden, er kommentiert ja weiterhin für den ORF, haben wir uns dann immer wieder kurzgeschlossen. Da bekam ich Pisteninformationen und konnte viel aus seiner 15-jährigen Erfahrung als Kamerafahrer mitnehmen.

Wie wird man als Kamerafahrer im „Weltcup-Zirkus“ wahrgenommen? Eher als einer der Aktiven oder eher als Medienvertreter? Bzw. ist es etwas ganz Besonderes, weil man als Einziger „beide Welten“ vereint?

Also ein Aktiver bin ich definitiv nicht mehr. Ich möchte aber „das Gefühl eines Aktiven“ vermitteln an die Zuseher. Aber ich sehe mich schon mehr als Medienvertreter. Die „Aktiven“ und Rennfahrer gehen dann ab Startnummer 1 los.

Und kommen wir nochmal auf deine Premiere in Sölden zurück: Mal ehrlich, hast du auf die Stoppuhr geschaut und deine Zeit mit jener der „aktiven Rennfahrer“ verglichen?

Nein, mitgestoppt habe ich nicht. Jemand anderer hat glaub ich mitgestoppt. Das ist für den ein oder anderen Zuschauer vielleicht interessant, aber meine Kamerafahrt hat ja nichts mit dem tatsächlichen Rennfahren zu tun und ein Vergleich wäre unangebracht denk ich.

Meine Aufgabe ist es ja jetzt nicht mehr, so schnell wie möglich im Ziel zu sein. Sondern, den Zusehern ein gutes Gefühl rüberzubringen. Dafür gilt es, ein Mittelmaß zu finden: Einerseits zwischen der Geschwindigkeit eines Rennfahrers, um die Übertragung authentisch zu gestalten. Und andererseits um Kontrolle, um das Kommentieren nicht zu vernachlässigen.

Lieber Joachim, vielen Dank für das Interview!

Zur Person

Joachim Puchner ist ehemaliger Profiskifahrer und nunmehriger Kamerafahrer für den ORF. Als aktiver Sportler debütierter er im Jänner 2009 im Alter von 22 Jahren im Ski-Weltcup. Zu seinen größten Erfolgen zählen diverse Weltcup-Podestplatzierungen in Abfahrt und Super-G, ein 8. Platz im Super-G-Weltcup sowie eine Silbermedaille bei den alpinen Ski-Juniorenweltmeisterschaften 2007 in Altenmarkt (Super-G).