Buchtipps:
Neun lesenswerte Bücher für den Herbst 2020

Im Herbst geben die Verlage regelmäßig eine Vielzahl neuer Bücher heraus. MEIN LEBEN hat drei Literaturexperten gefragt, welche sie davon empfehlen. Hier unsere neun Tipps.

Die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb, der Leiter des Literaturhauses Graz, Professor Dr. Klaus Kastberger, und die Buchhändlerin Beatrice Baumann aus Graz haben momentan besonders viel zu tun: Sie müssen aus der unüberschaubaren Fülle aktueller Bücher die wichtigsten der Saison auswählen und vorstellen. Denn viele Menschen bekommen vor allem in der dunkleren Jahreshälfte Lust, es sich mit einem gutem Buch gemütlich zu machen. MEIN LEBEN hat die drei Experten gebeten, auf die neuen Verlagsprogramme zu schauen und uns ihre Top drei Empfehlungen vorzustellen. Viel Vergnügen beim Lesen!

Die Buchempfehlungen von Petra Hartlieb

Die Buchhändlerin und Autorin führt seit 2004 mit ihrem Mann Oliver die Buchhandlung Hartliebs Bücher im Wiener Stadtteil Währing. Petra Hartlieb studierte zunächst Psychologie und Geschichte und arbeitete als Pressereferentin und Literaturkritikerin in Wien und Hamburg. Seit 2014 veröffentlichte Petra Hartlieb vier Bücher, bei denen die Buchhandlung eine zentrale Rolle spielt, darunter den Spiegel-Bestseller „Meine wundervolle Buchhandlung“

Ihre drei aktuellen Buchempfehlungen:

Rebecca Makkai: Die Optimisten

Chicago 1985: Der Kunstexperte Yale ist auf der Jagd nach einer Gemäldesammlung, als sein Freundeskreis von einer rätselhaften Krankheit befallen wird. Wie steckt man sich an? Wer wird als nächster betroffen sein? Eindrucksvoll schildert die Autorin, was das mit dem Leben und den Beziehungen macht – ein Thema mit erschreckender Aktualität. Ein großer amerikanischer Roman, der das Zeug zum absoluten Lieblingsbuch hat. Und wer den Film Philadelphia mag, wird dieses Buch lieben!

Eisele Verlag 2020, 624 Seiten, 24,70 Euro, ISBN: 9783961610778

 

Gabriele Kögl: Gipskind

Als Mädchen auf einem Bauernhof in den 1960er Jahren in der Steiermark geboren zu sein, ist nicht gerade die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Noch dazu ist „die Kleine“, wie sie immer genannt wird, ein schwächliches Kind, das einen Teil ihrer frühen Kindheit in einem Gipsbett im Krankenhaus verbringt. Die Eltern sind einfache Leute, sie arbeiten viel zu viel, um ihre Tochter zu unterstützen. Wäre da nicht die Oma, die auf die Kleine schaut und ihr auch immer sagt, dass sie werden kann, was sie will.

Picus Verlag 2020, 336 Seiten, 25 Euro, ISBN: 978-3-7117-2098-6

Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt

Zu Beginn glaubt man sich in einem historischen Roman des 19. Jahrhunderts: dichtes Schneetreiben, eine schwangere Frau und ein Pferdekarren als einzige Möglichkeit, das Krankenhaus zu erreichen. Doch die Geschichte beginnt in den 1970er Jahren in einem Teil von Rumänien, dem Banat. In poetischer Sprache erzählt Iris Wolff die Geschichte einer Handvoll Menschen, die durch dieses Dorf miteinander verbunden sind. Ein Buch, das auf fast magische Weise die Kultur und das Zusammenleben der verschiedenen Völker vor dem totalitären Ceausescu-Regime vor unserem geistigen Auge auferstehen lässt. Große Empfehlung!

Klett Cotta 2020, 216 Seiten, 20,60 Euro, ISBN 9783608983265

Die Buchempfehlungen von Klaus Kastberger

Seit 2015 ist Klaus Kastberger Professor für Neuere deutsche Literatur am Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung der Universität Graz und Leiter des Literaturhauses Graz. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der österreichischen Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts. Klaus Kastberger ist Literaturkritiker unter anderem für den ORF, Die Presse und Falter sowie Juror des Ingeborg-Bachmann-Preises. 

Seine drei aktuellen Buchempfehlungen:

Friederike Mayröcker: da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete

Wie die 95-jährige Dichterin Mayröcker aus Wien schreibt derzeit niemand: Ein Buch zwischen Lyrik und Prosa und eine Art der Dichtung, die man so noch nicht gelesen hat. Höchste Empfehlung für alle, die wissen wollen, was mit Sprache möglich ist. Ein Feuerwerk von Einfällen und ein Capriccio aus Ideen: zeitgenössisch und hochaktuell.

Suhrkamp 2020, 201 Seiten, Preis 24,70 Euro, ISBN: 978-3-518-22515-8

 

Stefan Kutzenberger: Jokerman

Man sollte Bob Dylan mögen, um von diesem wahnwitzigen Schelmenroman begeistert zu sein. In kleinen Bemerkungen, die der Protestbarde auf der Bühne macht, sagt er die Zukunft voraus. Seine Fähigkeit, diese kryptischen Andeutungen zu entschlüsseln, führt den Helden des Buches in höchste Kreise der amerikanischen Politik. Auch der Ausgang der Wahl im heurigen Herbst bleibt kein Geheimnis.

Piper 2020, 352 Seiten, Preis 22,70 Euro, EAN 978-3-8270-1424-5

 

Xaver Bayer: Geschichten mit Marianne

Verrückte Storys eines verrückten Liebespaars. Besonders geeignet für alle, denen mit ihrem Partner gerade fad ist. Dieses Buch päppelt die Beziehung auf. Zeigt aber auch, wie lebensgefährlich die wahre Liebe sein kann.

Jung und Jung Verlag 2020, 184 Seiten, 21 Euro, ISBN: 978-3-99027-240-4

 

Die Buchempfehlungen von Beatrice Baumann

Beatrice Baumann ist Buchhändlerin und eröffnete 2010 in Graz ihren Buchladen Büchersegler. 2019 erhielt sie den Österreichischen Buchhandlungspreis für die „Buchhandlung des Jahres“. Ihr Sortiment fokussiert sich auf zwei Bereiche: Belletristik und Kinderbuch. Eine Besonderheit des Bücherseglers sind die zahlreichen Büchertische und Veranstaltungen. 

Ihre drei Empfehlungen:

Lena Johanna Högl: Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum

Emotionaler Leerstand im privaten Eigentum – was für ein fabelhafter Titel. Die Autorin kannte ich erst einmal nicht … Ah. Ein Debütroman. Sie dokumentiert ihr Liebesleben. Vom ersten Verliebtsein im Kindergarten bis heute. Jahrgang 1996, wohlbehütet aufgewachsen, bläut der Vater ihr ein, streng zu sich zu sein und sich nicht allzu mädchenhaft zu verhalten. Ihre Form des Damitfertigwerdens liest sich enorm erfrischend. Ihre Geschichten spannen sich zwischen grotesk und berührend. Für alle, die (literarisch) gern Neues wagen.

Achse Verlag 2020, 260 Seiten, Preis 20 Euro, ISBN: 978-3-9504831-2-3
 

Madeline Miller: Ich bin Circe

Griechische Mythologie aus der Perspektive einer Frau! Das ist Circe (altgriechisch: Kirke). Sagenstoff als Roman. Geht das? Bezaubernd kann ich nur sagen. Circe ist das Kind des Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, das schon im Kindesalter spürt, dass es anders denkt und fühlt, als von ihm erwartet. Circe schleicht sich in die Halle, wo Prometheus bestialisch gefoltert worden ist, und bringt ihm Nektar zu trinken. Sie fragt ihn, ob er tatsächlich selbst gestanden hat mit dem Wissen über die zu erwartende folgenschwere Bestrafung. (Er hatte den Menschen das Feuer gebracht.) Prometheus antwortet: „Götter müssen sich nicht alle gleich verhalten.“

Mit Zauberkraft, Pflanzenwissen und ihrem Anderssein wird sie später auf eine einsame Insel verbannt. Die Verbannung wird ihre Selbstverwirklichung. Sie findet ihre Bestimmung, entdeckt ihre Gaben. Später sogar alleinerziehende Mutter. Inspirierend, klug und bewegend erzählt.

Eisele Verlag 2019, 520 Seiten, Preis 24,70 Euro, ISBN: 978-3-96161-068-6

Sánchez Vegara, María Isabel: Astrid Lindgren

Die Reihe ‚Little People Big Dreams’ widmet sich Persönlichkeiten, die eines verbindet: Alle Ideen, Visionen, Dinge, die diese Menschen umgesetzt haben, begannen, als sie noch Kinder waren. Mit einem Traum.

Ganz frisch erschienen: Die Lebensgeschichte der Astrid Lindgren. Wer kennt sie nicht, ihre Klassiker: Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga oder Ronja Räubertochter. Geschichten, die sich die Schriftstellerin für ihre Kinder ausgedacht hat. Eines wollte sie nie: Erwachsen werden. Mit ihren Büchern ist sie unsterblich. Genial illustriert von Linzie Hunter aus (originially) Schottland. Für begeisterte Biografen ab fünf Jahren.

Insel Verlag 2020, 32 Seiten, Preis 14,40 Euro, ISBN: 978-3-458-17853-8