#InventedInAustria:
Die Postkarte

Österreicher sind erfindungsreich – das zeigen wir in unserer Serie „Invented in Austria“. Folge 5 berichtet davon, wie der Nationalökonom Emanuel Herrmann mit einer kleinen Pappkarte eine Revolution im Postwesen einleitete.

Zunächst noch ohne Bild: die „Correspondenz-Karte”

Zunächst noch ohne Bild: die „Correspondenz-Karte”

Ein Schriftstück ohne schützenden Briefumschlag zu versenden – ist das schamlos oder eine Marktlücke mit großem Potenzial? Ansichtssache, zumindest in der Mitte des 19. Jahrhunderts. 

Eine Idee, zwei Meinungen

Als der preußische Geheime Postrat Heinrich von Stephan 1865 bei der 5. Postkonferenz in Karlsruhe die Idee vorbrachte, als Alternative zum Brief ein „Postblatt“ – eine offen zu versendende Karte für kurze schriftliche Mitteilungen – einzuführen, rief dies blankes Entsetzen bei seinem Vorgesetzten hervor. Der Generalpostdirektor fürchtete nicht nur Einnahmeverluste wegen des geringeren Portos, schwerer wogen sittliche Bedenken ob der unanständigen Form. Offene Mitteilungen konnte schließlich jeder mitlesen, vom Dienstmädchen bis zum Postboten. Heinrich von Stephans Idee wurde rundum abgelehnt.

Erfand ein Kommunikationsmedium: Emanuel Herrmann
© J. Löwn, Wien

Erfand ein Kommunikationsmedium: Emanuel Herrmann

Anders dachte man in Österreich-Ungarn. Am 26. Januar 1869 veröffentlichte Emanuel Herrmann, damals Leiter des Departements für Gewerbe und gewerblichen Unterricht des Handelsministeriums, in einer Wiener Tageszeitung einen Artikel mit dem Titel „Über eine neue Art der Correspondenz mittels der Post“. Darin sprach sich der gebürtige Klagenfurter für die für die Einführung eines neuen Kommunikationsmediums aus. Als Nationalökonom interessierten Herrmann vor allem die wirtschaftlichen Aspekte. Er hatte errechnet, mit welch großem Aufwand der Versand von Briefen mit Siegel verbunden war und welchen Vorteil die Postkarte bieten konnte. Emanuel Herrmanns Idee: Auf einem 8,5 mal 12,2 Zentimeter großen Kärtchen fanden auf der einen Seite die Adresse und auf der anderen in etwa 20 Worte Platz. Das Porto – weniger als die Hälfte des damaligen Briefportos ­– war bereits eingedruckt, die Karte selbst gab es quasi kostenlos dazu. Ein Schnäppchen, das zugleich auch weniger gebildeten oder wortgewandten Zeitgenossen die Hemmungen nahm, schriftliche Mitteilungen zu verfassen und zu versenden.

Von Österreich in die Welt

Beliebte Ansichtskarten-Motive: Kaiserin und Kaiser
Links: ÖNB / Angerer, L., rechts: ÖNB

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Unter dem Namen „Correspondenzkarte“ kam Emanuel Herrmanns Erfindung am 1. Oktober 1869 auf den Markt – und entwickelte sich sofort zum Kassenschlager. Im ersten Monat nach der Einführung wurde das neue Produkt bereits 1,4 Millionen Mal verkauft. Gemessen an der Menge von 21 Millionen Briefen und Zeitungen, die um 1870 in Österreich-Ungarn monatlich befördert wurden, war das zunächst noch ein bescheidener Umfang. Aber Preußen zog nun nach. Als Heinrich von Stephan 1870 Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes wurde, setzte er seine ursprüngliche Idee sofort um. Ab dem 1. Juli 1870 konnten nach und nach auch im Nachbarland die vormals als anrüchig geltenden Postkarten verschickt werden. In den Folgejahren führten viele weitere Länder die Postkarte ein. Bis zur Ansichtskarte mit meist farbigen Abbildungen, wie wir sie heute kennen, dauerte es allerdings noch knapp 30 Jahre. 

Emanuel Herrmann starb 1902 in Wien. Seinen Grabstein ziert der Zusatz „Erfinder der Postkarte“.
 

#InventedInAustria

Folge 1: Die mechanische Nähhand

Folge 2: Die Dehnung der Zeit

Folge 3: Die Tubenzahnpasta

Folge 4: Der Würfelzucker