„Wir sind das Tor in den Osten und in den Westen“

Mit Wexelerate hat in Wien ein gigantisches Startup-Zentrum eröffnet. Im Gespräch erklärt Geschäftsführer Stephan Jung, was den Standort so einzigartig macht und warum die Zusammenarbeit unterschiedlicher Branchen für ihn von existentieller Bedeutung ist.

© Marcel Köhler

Herr Jung, mit weXelerate haben Sie im Herzen von Wien ein Startup-Zentrum gegründet. Warum?
Wir haben einfach gemerkt, dass Österreich einen großen, gemeinsamen Punkt für Startups braucht. Einen Punkt, der große Strahlkraft hat. Wir haben uns daher von anderen, über die ganze Welt verteilten Zentren inspirieren lassen – und am Ende ist das weXelerate dabei herausgekommen: 9.000 Quadratmeter Fläche im Nouvel-Tower, also mitten in der City.

Wie wird das Konzept angenommen?
Ganz hervorragend. Wir sind seit Oktober live und haben schon jetzt über 40 Firmen, die sich dort eingemietet haben, sowie 55 Startups aus über 1.000 Bewerbungen für unser erstes Vier-Monats-Programm des Startup Accelerators. Darüber hinaus haben sich unterschiedliche Venture-Capital-Fonds mit insgesamt einer halbe Milliarde Euro an Venture Capital angesiedelt. Wir bauen dabei auch auf gewachsene Unternehmen wie beispielsweise Wüstenrot oder den ORF als sogenannte Corporate Partner. Diese haben digitale Firmenbereiche in unsere Räumlichkeiten ausgelagert und sind dort mit einzelnen Tischen oder ganzen Büros vertreten.

„Die 'Großen' haben großes Interesse, vom gemeinsamen Arbeiten mit all den jungen Unternehmen zu profitieren und zu lernen.“

Die Firmen, von denen Sie sprechen, sind etabliert. Wie stehen die Corporates mit den Startups – also ihrer eigentlichen Zielgruppe – in Verbindung?
Die Besonderheit dabei ist, dass wir ein Accelerator-Programm für unsere 16 Corporate Partner betreiben. Und in diesem Programm befinden sich wiederum 55 Startups aus 14 Nationen. Mit ihnen wollen wir gemeinsam an einem Markteintritt arbeiten. Und die „Großen“ haben großes Interesse, vom gemeinsamen Arbeiten mit all den jungen Unternehmen zu profitieren und zu lernen. Dass hier alle unter einem Dach stecken, ist keine PR-Maßnahme. Im Vordergrund steht eine echte Zusammenarbeit in Bezug auf Produkte, Geschäftsmodelle und Services. Die Corporates engagieren sich mit ihren Ressourcen in großem Maß.

Auf welche Branchen konzentrieren Sie sich?
Wenn man sich Wien als Standort anschaut, gibt es einen Fokus auf Fintech. Dann gibt es noch einen Schwerpunkt im Bereich Life Sciences und Health. Bei uns stehen Banken, Versicherungen, Logistik, Medien, Telekommunikation und Industrieunternehmen im Fokus, über unsere 16 Corporate Partner. Wenn man sich Zukunftsstudien anschaut, bemerkt man, dass Innovation immer stärker über Industriegrenzen hinweg betrieben wird. Und deshalb stellen auch wir uns ganz bewusst breit auf, weil in der Zukunft besonders branchenübergreifend viel passieren wird.

© Marcel Köhler

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Nehmen wir selbstfahrende Autos, die mit ihrer Vernetzung zahlreiche neue Möglichkeiten bieten. Man könnte sich beispielsweise in der Zukunft seinen Kaffee direkt zum Auto liefern lassen. Für leidenschaftliche Kaffeetrinker wäre das ein klarer Mehrwert. Damit das möglich ist, müsste allerdings die Auto- mit der Gastronomie-Branche zusammenarbeiten und sich entsprechend abstimmen.

Wie genau wollen Sie diese Zusammenarbeit fördern?
Zum einen natürlich in der Auswahl der Corporate Partner und Startups. Zum anderen aber auch in der Architektur unserer Flächen. Auf den 9.000 Quadratmetern haben wir Meeting-Boxen und Sessel-Landschaften, wo man sich einfach und informell treffen kann. Wir etablieren unser Zentrum so zu einem Hub im besten Sinne. Wenn eine bekannte Person aus der Startup-Szene einen Termin mit einem unserer Mieter hat, trifft sie auf dem Weg dorthin noch fünf, sechs weitere Leute, mit denen möglicherweise noch der ein oder andere Punkt zu besprechen ist. Das kann dort auf kurzem Weg erfolgen und ist natürlich ideal.

Wieso haben Sie sich ausgerechnet für Wien entschieden?
Die traditionelle Stärke der Stadt ist die Verbindung aus West und Ost. Wir sind das Tor in den Osten und in den Westen – und das wollen wir auch mit Wexelerate darstellen. Gerade in der osteuropäischen Region sehen wir viele spannende Startup-Talente, die aber noch ein schwach ausgeprägtes Ökosystem haben. Der Zugang zu Kapital, Kunden und anderen Talenten ist noch sehr fragmentiert. Das bedeutet, dass diese jungen Unternehmen noch herausfinden müssen, wer für sie die wichtigen Drehscheiben sind. Hier bietet unser Hub ein Ankerpunkt mit kurzen Wegen.

Wo sehen Sie Wien im Vergleich mit anderen europäischen Startup-Zentren?
Berlin oder London sind uns sicherlich noch etwas voraus. Aber wir haben das Rennen aufgenommen – und sind schon mit vielen anderen mindestens auf Augenhöhe.