„Wald ist einerseits vom Klimawandel betroffen, andererseits ist er Teil der Lösung“

Wald und Klima(schutz) sind untrennbar miteinander verbunden. Über die genauen Zusammenhänge führten wir ein interessantes Interview mit dem Experten DI Dr. Peter Mayer, Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW).

Sehr geehrter Herr Mayer, in den vergangenen Wochen haben wir zahlreiche Unwetter, Überschwemmungen etc. mitansehen müssen. Welche Gedanken gingen Ihnen, als Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW), da durch den Kopf?

Ich habe an den Klimawandel, aber vor allem an die wichtige Rolle der Wälder beim Schutz vor Naturgefahren gedacht. Rund die Hälfte von Österreichs Fläche ist von Wald bedeckt. Wälder können viel vom Niederschlag abfangen. Je nach Baumartenzusammensetzung und Dichte des Kronendaches können bei Regen vier bis sechs Millimeter (= Liter/m²) Wasser im Kronenraum zurückgehalten werden. Es zeigt sich die gewaltige Kraft von Extremereignissen, die im Zuge vom Klimawandel an Häufigkeit zunehmen wird. Ökosysteme können puffern, aber nicht alles. Das Bundesforschungszentrum für Wald setzt sich neben Lawinen viel mit Niederschlagsereignissen auseinander. Wir unterstützen unter anderem mit Beregnungsversuchen, Modellierungen und unserer Expertise die Entscheidungsträger wie  Bürgermeister:innen oder Raumplaner:innen vor Ort.

Dr. Peter Mayer auf dem Gelände des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) in Schönbrunn
Foto: BFW/Marianne Schreck

Dr. Peter Mayer auf dem Gelände des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) in Schönbrunn

Welche Bedeutung hat der Wald für den Klimaschutz?

Wald ist einerseits vom Klimawandel betroffen, andererseits ist er Teil der Lösung. Der österreichische Wald nimmt Kohlendioxid aus der Luft auf und speichert den Kohlenstoff im Holz. Dieser Kohlenstoffvorrat nimmt derzeit und in naher Zukunft zu und hilft beim Klimaschutz. Wird die globale Erderwärmung nicht wie im Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen auf unter 2 °C begrenzt, ist dieser Beitrag gefährdet. Höhere Temperaturen und dadurch erforderliche Anpassungsmaßnahmen im Wald können die Senkenwirkung des Waldes und Holzsektors deutlich beeinflussen. Österreichs Wald wird noch für die nächsten 30 bis 100 Jahre eine CO2-Senke darstellen, danach zeigen die Szenarien ein gegenteiliges Bild: Der Wald wird zur Kohlenstoffquelle. Dies zeigen Szenarien aus dem Projekt CAREFORPARIS, an dem das BFW, die Universität für Bodenkultur (BOKU), Wood K plus und das Umweltbundesamt mitarbeiteten.

Wald: Vom Klimawandel betroffen und gleichzeitig Teil der Lösung. Das sagt Dr. Peter Mayer (BFW) in unserem Interview.

Wald: Vom Klimawandel betroffen und gleichzeitig Teil der Lösung. Das sagt Dr. Peter Mayer (BFW) in unserem Interview.

Den größten Hebel für einen effektiven Klimaschutz leisten langlebige Holzprodukte und der Ersatz von fossilen Rohstoffen durch erneuerbare Stoffe wie Holz. Nutzt man Holzprodukte, können Emissionen vermieden werden, da sie einen kleineren Kohlenstoff-Fußabdruck als Ersatzprodukte aus anderen Rohstoffen aufweisen.

Wie wichtig ist Biodiversität für einen Wald und was zeichnet einen gesunden Wald sonst noch aus?

Der Wald ist ein sehr wichtiges Ökosystem, wenn es um Biodiversität geht. Die Klimaerwärmung verändert jedoch auch die Biodiversität des Ökosystems Wald. Hier sind neue, dynamische Sichtweisen gefragt, die diese Änderungen mitdenken. Mit dem neuen Institut für Waldbiodiversität und Naturschutz setzt das BFW innovative Akzente. Ein gesunder Wald ist vielfältig, bietet zum Beispiel einen gewissen Anteil an sogenanntem Totholz, also abgestorbenen Bäumen, und mit diesem ausreichend Lebensräume für verschiedene Tiere, Pflanzen und Pilze. Er ist resilient gegenüber Störungen und kann die Herausforderungen des Klimawandels bestehen.

Was gefährdet unsere Wälder aktuell am meisten?

Wie schon erwähnt ist der Klimawandel auch für den Wald die größte Herausforderung. Die Niederschlagsmengen werden sich künftig anders über das Jahr verteilen und viele Baumarten und Wälder werden mit Trockenheit konfrontiert sein. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel anfälliger gegenüber Schädlingsbefall werden. Ein leider recht anschauliches Beispiel dafür ist das Waldviertel: Dort kam es zu einem großflächigen Absterben der Fichte, sie erhielt dort nicht mehr die notwendigen Niederschlagsmengen. Die Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher hatten in der Folge leichtes Spiel. Und die Waldbesitzer*innen fragen sich jetzt, was sie künftig pflanzen sollen. Hier können wir als BFW mit einer Vielzahl von Forschungsergebnissen Waldbesitzer*innen und Forstbetriebe sehr gut unterstützen.

Das Klima ändert sich, es wird wärmer in unseren Breiten: Wie wird sich der österreichische Wald in den nächsten Jahrzehnten ändern?

Der Wald der Zukunft ist ein Mischwald, könnte man vereinfachend sagen. Sie müssen sich das wie ein Aktienportfolio vorstellen. Setze ich alles nur auf eine Baumart und fällt diese aus, ist sprichwörtlich alles weg. Arbeite ich mit mehreren Baumarten, können bei Ausfall einer Baumart die anderen deren Aufgaben übernehmen. Die Fichte war bisher die wichtigste Baumart in Österreich. Sie wird weiterhin - und hier vor allem in gebirgigen Lagen - eine weite natürliche Verbreitung haben. Sie wird aber in vielen Teilen Österreichs nur mehr in klimafitten Mischwäldern vorkommen und im Flachland ganz verschwinden.

Wie wichtig sind Aufforstung und das Setzen von Jungbäumen heutzutage?

Grundsätzlich empfehlen wir die Nutzung der sogenannten Naturverjüngung, also jene Bäume, die ohne menschliche Pflanzung im Wald wachsen. Es gibt aber Fälle, wo die Waldbewirtschafter*innen – und in Österreich gibt es 145.000 davon, 82 % des Waldes ist zudem in Privatbesitz –  unterstützend eingreifen sollen oder sogar müssen. Zum Beispiel wenn sich herausstellt, dass die Baumart nicht mehr für diesen Standort geeignet ist. Dann könnte man etwa auf eine trockenresistentere Baumart zurückgreifen. Und die muss gepflanzt werden. Eine andere Möglichkeit ist es, Bäume aus Regionen zu verwenden, in denen bereits Bedingungen vorherrschen, wie wir sie vermutlich in 30 bis 50 Jahren bei uns haben werden. Man spricht in Fachkreisen von ‚unterstützter Migration‘. Zum Test dieser Baumarten haben wir bereits Versuchsflächen, sogenannte Klimaforschungswälder angelegt.

Baumarten für den Wald der Zukunft - im Klimaforschungswald stehen sie auf dem Prüfstand.
Foto: Paul Gruber (BMLRT)

Baumarten für den Wald der Zukunft - im Klimaforschungswald stehen sie auf dem Prüfstand.

Das BFW hat aktuell knapp 320 Mitarbeiter:innen. Das ist auf den ersten Blick viel. Sieht man sich die facettenreichen Aufgaben (Ausbildungsstätten uvm.) und Standorte an, relativiert sich das. Welche Leistungen bieten sie an?

Das BFW kümmert sich mit seinen fünf Standorten in Österreich um den Wald in all seinen Aspekten – deshalb unser Leitspruch ‚Wir wissen alles über den Wald‘. Unsere Forschung reicht von Bewirtschaftung über Klimawandel, Biodiversität und Naturgefahren bis zur Erholung und Gesundheit – ein Thema, das sich gerade in der COVID-19 Krise mit vermehrten Waldbesuchen verstärkt hat. Mit 11.000 Probepunkten in ganz Österreich erheben wir permanent alle Zahlen und Fakten rund um den Wald, durch die sogenannte Waldinventur. Damit bieten wir als einzige Institution in Österreich wichtige Entscheidungsgrundlagen für Politik, Wirtschaft, internationale Berichtspflichten etc. Mit unseren zwei forstlichen Ausbildungsstätten Ossiach und Traunkirchen sind wir zudem unmittelbarere Ansprechpartner für alle Praktiker*innen und am Wald Interessierten. Mit über 100 verschiedenen Kursen schulen wir rund 15.000 Personen jedes Jahr. Das reicht vom Schneiden mit der Motorsäge bis zur Waldpädagogik. Nicht zuletzt erfüllen wir auch Kontrollpflichten für die Republik Österreich: In der Umsetzung von EU-Recht sind unsere Kontrollprofis u. a. sehr erfolgreich damit beschäftigt zu verhindern, dass illegal geschlägertes Holz oder Holzprodukte auf dem österreichischen Markt landen.

 

Neben Forstwirtschaft haben Sie auch Politikwissenschaft studiert. Sind diese zwei Felder untrennbar miteinander verknüpft?

Untrennbar sind sie natürlich nicht. Es ist eine eher seltene Kombination, die aber sehr viele Vorteile bringt. Das Studium der Forstwirtschaft liefert mir die fachlichen Grundlagen, um den Wald in all seinen Facetten verstehen zu können. Das Politikwissenschaftsstudium hilft dabei, die Interessen in Prozessen auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene einzuschätzen. Die Kombination daraus hilft mir im Management des BFW unsere zielgruppenorientierte Beratung und Kommunikation zu stärken.

Ihr dringendster Appell an heimische und europäische Politiker:innen?

Wir alle haben unsere beruflichen und privaten Vorstellungen. Es ist aber wichtig, manchmal die Komfortzone zu verlassen und sich mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Deshalb halte ich das Verstehen von fachübergreifenden Zusammenhängen und das richtige Einschätzen von Wechselwirkungen von Entscheidungen für einen wichtigen Aspekt. Der Wald und die vielen Interessen, die es rund um ihn gibt, zeigen das sehr gut, zum Beispiel im Green Deal der Europäischen Kommission. Es bedarf eines Erkennens von Zielen und Konflikten zwischen der nachhaltigen Bewirtschaftung und Nutzung des Rohstoffs Holz, der Rolle des Waldes und Holzes im Klimaschutz, der Frage der Außernutzungstellung (Anm.: gänzliche Einstellung der wirtschaftlichen Holznutzung; manchmal ist die Jagd noch erlaubt.von Wald und der Nutzung des Waldes zu Gesundheits- und Erholungszwecken. Nicht alles kann in gleichem Ausmaß im selben Wald erfolgen. Sowohl die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als auch die kreislauforientierte Bioökonomie als Strategien für die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft werden bei der Lösung dieser Zielkonflikte eine wichtige Rolle spielen.

Die EU-Kommission plant die Pflanzung von drei Milliarden Bäumen bis 2030. Ein guter Schritt Ihrer Meinung nach?

In Europa sind die Länder sehr unterschiedlich mit Waldressourcen ausgestattet. In Österreich sind wir mit fast der Hälfte der Landesfläche einer der meistbewaldeten EU-Mitgliedsländer. Zudem nimmt der Waldanteil seit Jahrzehnten zu. In Österreich ist seit den 1960er Jahren eine Fläche größer als Vorarlberg dazugekommen. Allein in den letzten Jahren haben wir jährlich 3400 ha Waldzuwachs, das entspricht 4762 Fußballfeldern. Daraus zeigt sich, dass die Pflanzung von Bäumen in Österreich sehr differenziert zu bewerten ist. Vor allem im urbanen Raum und in seiner Umgebung gibt es in Österreich Potential. In anderen, wenig bewaldeten EU-Mitgliedsstaaten geht es aber tatsächlich um eine aktive Vermehrung der Waldfläche. Das Pflanzen von Bäumen ist aber nur eine Maßnahme, die sehr gerne als Symbol verwendet wird. Im Grunde geht es insgesamt um einen Veränderungsprozess der Gesellschaft, der über das Pflanzen von Bäumen weit hinausgeht und unsere eigenen Gewohnheiten und Verhaltensweisen auf den Prüfstand stellt.

Zum Abschluss an unsere Leser:innen: Was kann jede und jeder tun, um den Wald zu schützen?

Kurz gesagt, mit dem berühmten Hausverstand in den Wald gehen. Wir sehen den Wald jeweils durch unsere eigene Brille und durch die Dinge, die wir dort gerne machen. Rücksicht auf die Natur und das Bewusstmachen der vielen, unterschiedlichen Leistungen des Waldes helfen meines Erachtens, um dieses spannende Ökosystem in eine klimafitte Zukunft zu bringen.

Tipp: Lies auch unseren Artikel über den Rothwald, Österreichs letztem Urwald.

Bundesforschungszentrum für Wald

Das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) widmet sich allen Aspekten des Lebensraums Wald – in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht. Neben dem Hauptsitz in Schönbrunn (Wien), gibt es noch einen Standort in Innsbruck (Institut für Naturgefahren), zwei forstliche Ausbildungsstätten in Ossiach und Traunkirchen (FAST Ossiach und FAST Traunkirchen), einen Versuchsgarten bei Tulln sowie einen Lehr- und Versuchsforst in Kärnten. Insgesamt arbeiten rund 320 Mitarbeiter:innen unter dem Motto ‚Wir wissen alles über den Wald‘ an Lösungen für Österreichs Wald.

Nähere Informationen auf der Website www.bfw.gv.at.