Vom Teich auf den Teller – Algen aus Österreich

Spirulina-Algen gelten als „Superfood“. Das innovative Start-up Spirulix produziert nachhaltig in Niederösterreich. Mit neuen Produkten will es die Österreicher für das grüne Lebensmittel gewinnen.

Karl Pfiel in der Algenzucht-Anlage
©spirulix

Karl Pfiel in der Algenzucht-Anlage

Karl Pfiel ist die treibende Kraft hinter Spirulix. Wer mit ihm spricht, merkt sofort: Dieser Mann brennt. Hat er einmal angefangen, von seinen vielfältigen Unternehmungen und Plänen zu berichten, gibt es kein Halten mehr. Und am Ende dreht sich dem erschöpften Gesprächspartner der Kopf. Er fragt sich: Wie bekommt der Mann das alles geregelt? Ein großer Teil von Pfiels Energien richtet sich im Moment auf das Algen-Start-up Spirulix. 

Eine Bakterie mit großem Potenzial

Fans schreiben der Spirulina wundersame Wirkungen zu. Unter anderem soll die Alge das Immunsystem stärken, beim Abnehmen helfen, den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken. Wissenschaftlich gesichert sind diese Annahmen nicht. Unbestritten ist in der Alge vieles, was unser Körper braucht: Sie besteht zu 60 Prozent aus Eiweiß, enthält alle essentiellen Aminosäuren, beta-Karotin und hohe Konzentrationen an Kalzium, Eisen und Magnesium. Wegen dieser und anderer Inhaltsstoffe wird Spirulina als „Superfood“ geschätzt. 

Streng botanisch genommen ist die Spirulina gar keine Alge, sondern eine Bakterie. In der Natur kommt sie in subtropischen bis tropischen Gewässern mit hohem Salzgehalt vor. Schon von den Azteken wurde sie als Nahrungsmittel genutzt. Was die Spirulina neben dem Reichtum an Nährstoffen interessant macht: Es ist eine nachhaltige Nahrungsquelle. Für den Anbau braucht man weniger Land und wesentlich weniger Wasser als für Getreide oder Gemüse. Von Fleisch ganz zu schweigen. Spirulina vermehrt sich schnell und kann das ganze Jahr über geerntet werden. Deshalb wurde Spirulina schon 1974 von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „Nahrungsmittel der Zukunft“ bezeichnet.

Bauer mit Energie

Spirulix-Algenfarm in Weidling von außen
©spirulix

Spirulix-Algenfarm in Weidling von außen

Für Karl Pfiel begann die Zukunft im Jahr 2015. Der Agrar-Ingenieur stammt aus einer bäuerlichen Familie. Auf dem ererbten Hof startete er zunächst mit einer ganz normalen Landwirtschaft. Schon bald kam ein weiteres Geschäftsfeld dazu: Bioenergie. Bei der Bioenergie wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Biomasse für die Gewinnung von Strom und Wärme eingesetzt.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts errichtete Pfiel 2013 mit einem eigenen Bioenergie-Unternehmen ein Glashaus zur Produktion von Algen. Hier sollte erforscht werden, welche Algen in Europa unter welchen Bedingungen und zu welchen Kosten kultiviert werden können. Nach drei Jahren Forschung überlegte Pfiel, wie er sein Glashaus und die Erfahrungen mit der Algenzucht auch kommerziell nutzen könnte. Diese Überlegungen brachten Pfiel auf die Spirulina. 

Saubere Algen

Spirulina Rohmasse, Trocknung
©spirulix

Spirulina Rohmasse, Trocknung

Spirulina war bis dahin nur als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Tabletten auf dem Markt. Und die stammen aus China. Verschrien für verschmutzte Luft und Gewässer, ist diese Herkunft für eine gesundheitsbewusste Zielgruppe nicht unbedingt eine Empfehlung. Aber genau an diese Zielgruppe richten sich Algen-Produkte. 

Pfiel sah seine Chance: Für Spirulina aus kontrolliertem heimischen Anbau. Und für eine breite Palette von Spirulina-Lebensmitteln aus eigener Produktion. Die Geschäftsidee der Marke Spirulix war geboren. Das Unternehmen gründete er 2015 zusammen mit seiner Frau Martina und Elad Zohar, einem israelischen Experten für Aquakultur.

Heute gehören neben purem Spirulina als Pulver oder Flocken verschiedene Sorten von Müslis, Crackern und Nougat Riegeln zum Sortiment. Auch ein Brot bestehend aus Spirulina und Reismehl wurde in Zusammenarbeit mit einer lokalen Bäckerei entwickelt. Alle Produkte sind vegan. Für Veganer ist Spirulina auch wegen des hohen Gehalts von Eiweiß und Omega-3 Fettsäuren interessant.

Grünes Produkt mit grünem Image 

Spirulix-Produkte, Spirulina-Flocken
©spirulix

Spirulix-Produkte, Spirulina-Flocken

Spirulix trifft auf Trends: Gesundheitsbewusstsein, hochwertige Lebensmittel, vegane Ernährung. Ob man Spirulina als Allheilmittel oder als „Superfood“ betrachtet, bleibt vorerst Glaubenssache. Aber gesünder als zum Beispiel herkömmliche Kartoffelchips sind die Algen-Cracker von Spirulix allemal. Eine Herausforderung für das Startup: negative Assoziationen beim Stichwort „Algen“. Viele Menschen denken dabei an verschmutzte Pools und überdüngte Gewässer. Und an grünes Brot oder grünes Müsli muss sich der Kunde erst einmal gewöhnen. Aber immerhin steht die Farbe Grün für Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit. Dazu passt hervorragend das grüne Image, das das Unternehmen nach Kräften pflegt. Spirulix kann dieses Image auch mit Fakten unterfüttern. Die Produktion ist nachhaltig. Der Strom kommt aus dem Biogas-Kraftwerk vor Ort. Die Abwärme heizt die Becken der Farm, das Wasser wird nach dem Absieben der Algen wiederverwendet. 

Algen wachsen schnell

 „Spirulix“ hat sich erfolgreich etabliert. Zwölf überwiegend sehr junge Leute arbeiten im Team. Doch Karl Pfiel reicht das nicht. Er will expandieren, den Sprung aus dem eigenen Webshop in die Supermarktregale schaffen. Im März 2021 präsentierte das Ehepaar Pfiel daher Spirulix in der Start-up-Show 2 Minuten 2 Millionen- mit Erfolg. Sie gewannen einen Investoren und eine Listung in einer Lebensmittelkette. Bevor die Algenprodukte in den Supermärkten ankommen, soll jetzt erst einmal die Produktion verdreifacht werden. Was das schnelle Wachstum anbetrifft, scheint sich der umtriebige Agrarunternehmer seine Algen zum Vorbild genommen zu haben.