Immer mehr intelligente und vernetzte Geräte erobern unser Zuhause. Doch wissen wir wirklich, was wir uns da ins Haus holen? Eine Ausstellung klärt auf.
Ein Roboterhund bringt auf Zuruf die Hausschuhe, der Kühlschrank managt die Einkäufe automatisch oder wir bestellen mit nur wenigen Augenaufschlägen unsere Lieblingspizza an die Haustür: bequeme Welt oder „out of control”? Wie wir Verbraucher uns im digitalen Zuhause der Gegenwart und Zukunft gut orientieren können, erklärt der Senior Director der Ars Electronica Solutions in Linz, Michael Mondria, im Interview mit MEIN LEBEN.

Herr Mondria, die Ausstellung „Smart Home – Sweet Home?“ präsentiert die neuesten Trends und Möglichkeiten, wie unsere technischen Geräte im Haushalt immer stärker miteinander kommunizieren. Wie weit ist das „schlaue Zuhause“ in Österreich schon verbreitet?
Soweit ich weiß, existieren keine Erhebungen, die den aktuellen Stand abbilden. Noch ist der Bereich Smart Home ein reiner Zukunftsmarkt – was sich aber in den kommenden drei Jahren mit der Einführung der neuen 5G-Netze im Mobilfunk rapide ändern wird. Mit dem Mobilfunkstandard 5G erreicht das Smart Home eine ganz andere Dimension und es werden Anwendungen möglich, die man sich bisher nicht hat vorstellen können. Dann werden wir, wie auch andere westliche Länder, diesen Weg mitgehen, das zeigen alle Statistiken. Wir haben in Österreich eine Durchdringung des Internets von nahezu 82 Prozent, damit ist das Feld bestens vorbereitet. Die Akzeptanz wird weitaus höher sein als die Skepsis.
Wie definieren Sie ein Smart Home, was gehört alles dazu?
Alle klassischen Anwendungen wie smarte Heiz- und Elektrosysteme auch mit vernetzten Geräten und der direkten Kommunikation untereinander – also das „Internet of Things“, das alle Automatisierungen und dazugehörigen Dienstleistungen zur Fernsteuerung oder Überwachung mit einbezieht. Das sind aus meiner Sicht die wesentlichen Bestandteile eines intelligenten Zuhauses.
Welche überraschenden Trends stehen kurz vor dem Durchbruch?
Die Trends, die immer mehr Anwender finden, gehen alle in Richtung Sprachsteuerung und Spracherkennung und zeigen deutlich, wie die Entwicklungsgeschwindigkeit zunimmt. Anweisungen in Englisch funktionieren schon seit Langem sehr gut, jetzt geht es auch mit der deutschen Sprache schnell voran. Sprachassistenten wie Alexa von Amazon oder Siri von Apple werden im Smart-Home-Bereich auch sehr gehypt. Da sehe ich sehr viel Potenzial, aber auch einen hohen Bedarf an Orientierung, die man den Menschen geben muss. Das Gleiche gilt für Technologien zur Gesichtserkennung, die ebenfalls immer stärker in den Home-Bereich rücken. Zum Beispiel ein Wandspiegel, der mit Security-Kameras in meiner Abwesenheit den Raum abscannt. Oder Datenbrillen, über die ich mit meinen Augenbewegungen meine Lieblingspizza bestellen kann. Diese Dinge sind sehr stark im Kommen.
Die Wunschpizza via Eye-Tracking bestellen oder ein Kühlschrank, der automatisch Bestellungen versendet, wenn er sich leert – klappt das wirklich?
Ja, das funktioniert. Das Eye-Tracking sowie viele andere automatisierte Prozesse basieren auf selbstlernenden Algorithmen, also auf künstlicher Intelligenz (KI), die gerade völlig neue Funktionalitäten und Qualitäten erlebt. Hier sehe ich auch zwei große Bereiche, in denen wir Orientierung geben müssen – etwa in Bezug auf die Datennutzung und darauf, welche persönlichen Daten dabei wann, wie und von wem überhaupt genutzt oder miteinander vernetzt werden. Der zweite Bereich betrifft ethische oder gesellschaftliche Fragen. In Salzburg haben wir zum Beispiel den Mini-Roboter „Vector“ in Form eines kleinen, süßen Hundes ausgestellt, der auf Sprachbefehle reagiert. Was wir Verbraucher dabei oft vergessen, ist, dass wir unsere Sprachgewohnheiten diesem Gerät anpassen werden, damit es uns versteht. Dadurch aber wird sich auch unsere Sprache ändern. Als Kinderspielzeug würde ich Vector nicht empfehlen.
Sie erwarten also eine Fortführung der Entwicklung, dass Jugendliche seit SMS und WhatsApp nur noch in Abkürzungen oder ohne jegliche Artikel sprechen?
Richtig. Künftig sprechen wir vielleicht verstärkt in Befehlsform, weil wir uns durch den Umgang mit smarten Geräten daran gewöhnt haben. Auch Handy und Smartphone haben unsere Gewohnheiten bereits stark verändert und das in einem relativ kurzen Zeitraum. In früheren Jahren war Pünktlichkeit noch selbstverständlich, weil es auch keine Möglichkeit gab, mal eben zu telefonieren und seine Verspätung anzukündigen. Heute kann ich noch zwei Minuten vor einem Termin durchgeben, dass ich mich verspäte – und Pünktlichkeit ist fast schon zur Ausnahme geworden. Das ist auch ein Beispiel, wie Technologie uns verändert.

Smarter Badezimmerspiegel in der Ausstellung
Smarte Anwendungen sollen unseren Alltag vereinfachen. Sie machen uns aber gleichzeitig gläsern. Was empfehlen Sie, um den Konflikt zwischen Datenspeicherung und dem Schutz der Privatsphäre zu lösen?
Eine Standardlösung kann ich leider nicht anbieten. Aber sicher ist, dass wir im Bereich der KI noch mehr Informationen und Orientierungshilfe brauchen. Dass wir unseren Alltag quasi schleichend und ohne es großartig zu bemerken, immer weiter durchdigitalisieren und vielfach die Konsequenzen gar nicht abschätzen können, lässt sich ja überall beobachten. Letztlich liegt die Verantwortung beim einzelnen Verbraucher, welche Dienstleistung er in Anspruch nehmen möchte und damit in Kauf nimmt, seine Meldedaten weit zu verstreuen. Ob jeder Einzelne diese Konsequenzen richtig abschätzen kann, ist aus meiner Sicht noch ungeklärt.
Wie steht es denn aktuell um unsere Datensicherheit und Privatsphäre? Sind unsere Kundendaten nicht gut geschützt?
Doch, generell sind sie es noch, wohlgemerkt: noch. Aber es gibt große Unterschiede. Innerhalb der EU haben wir immerhin die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die in Europa ansässige Firmen verpflichtet, Verbrauchern Einsicht in die gesammelten Daten zu gewähren und einen Mindestschutz garantiert. Viele andere Länder haben bezüglich des Datenschutzes keinerlei bzw. sehr lose Regelungen. Vor Kurzem hat zum Beispiel der Suchmaschinenbetreiber Google in den USA nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit den großen Klinikbetreiber Ascension übernommen, der mit Millionen von personenbezogenen Gesundheitsdaten verknüpft ist. Diese Daten sind jetzt alle bei Google. In diesem Bereich ist das Tor weit offen. Auch bei uns, wie der Datenskandal der österreichischen Post zeigt, die unzulässig erhobene Daten aus Zustellungen weitergegeben und verkauft hat.
Brauchen wir erst neue Verordnungen zum Datenschutz, bevor wir die Küche mit einem smarten Kühlschrank ausrüsten?
In jedem Fall sollten wir genau hinschauen, mit welchem Anbieter wir Verträge schließen und was gerade passiert – und ob zum Beispiel nicht auch durch die Privatisierung von Betrieben für Grunddienste aus der Energie- oder Wasserwirtschaft diese Unternehmen mit ihren Eigeninteressen zu weit in private Haushalte vordringen können. Weltweit hat bisher noch kein Staat versucht, verbindliche Regeln für KI festzulegen. Allein die EU hat ein Expertenteam beauftragt, ein ethisch-moralisches Regelwerk zu erstellen, das aber noch in den Anfängen ist. Das ist gerade sehr, sehr spannend und absolut notwendig. In anderen Ländern denkt man nicht einmal daran, so etwas zu implementieren, wenn unternehmerische Interessen weitaus höher bewertet werden als die der Verbraucher.
Welche Anwendungen im Smart Home erwarten uns in naher Zukunft?
Vor allem Anwendungen aus dem Bereich der KI in Verbindung mit dem Internet of Things werden in den kommenden Jahren einen unglaublichen Boom erleben. In die Entwicklung investieren alle großen Firmen aktuell Milliarden von Dollar, so dass Qualität und Umfang der Dienstleistungen gewaltig steigen. Zuhause sind das zum Beispiel neue „Edutainment“- und „Virtual Gaming“-Angebote, die zwar schon heute auf der Schiene sind, aber bald eben noch effizienter werden und eine neue Qualität bekommen. Ganz neuartige Anwendungen sehe ich aber nicht, zumal unser privater Alltag in Grundzügen bereits nahezu komplett mit digitalen Angeboten aus Bereichen wie Gesundheit, Küche und Kochen bis hin zu Schlafen und Wohnen abgedeckt ist. Aber sowohl die Qualität als auch die Quantität der Angebote wird enorm steigen – aber bis dahin ist noch einiges an Aufklärung nötig.
Falls es nicht zu persönlich ist: Wie smart ist Ihr eigenes Zuhause?
Für mich ist es sehr smart. Allerdings vermeide ich zu viel Technik, aber das ist eine bewusste und persönliche Entscheidung. Ich habe einen Computer und mein Smartphone, beides ist fast ständig in Betrieb, und das reicht mir schon. Mein „Home“ ist also sehr vernünftig, aber nicht smart im Hightech-Sinne.
ZUR PERSON
Michael Mondria, Senior Director der Ars Electronica Solutions in Linz, berät und begleitet städtische Betriebe, Bildungseinrichtungen und große privatwirtschaftliche Unternehmen in allen Facetten rund um Digitalisierung und Zukunftstechnologien. Ein besonderes Interesse legt er dabei auf die Frage, wie Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert.
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