Mit Abwasser heizen:
Wien will weg von Gas und Öl

Wie kommen wir weg von Gas und Öl? Diese Frage beschäftigt aktuell viele Menschen. Wien geht voran: Ab dem nächsten Jahr soll eine Großwärmepumpe Tausende Haushalte mit klimaneutraler Fernwärme versorgen.

Rendering der geplanten Großwärmepumpe
©smartvoll / Mathias Bank

Rendering der geplanten Großwärmepumpe

Im März 2022 war Baustart für eine der größten Großwärmepumpenanlagen Europas. Rund 70 Millionen Euro investiert der Energieversorger Wien Energie hier, um eine bislang noch viel zu selten genutzte Wärmequelle zu erschließen: das Abwasser. 

Modernste Technik erschließt neue Wärmequelle

Von der Kanalisation in die Heizung: Abwasser in der Kläranlage in Simmering
©GuentherZ/Wikimedia Commons

Von der Kanalisation in die Heizung: Abwasser in der Kläranlage in Simmering

Heute fließt das gereinigte Abwasser, nachdem es in der Kläranlage Simmering mehrere Klärstufen durchlaufen hat, in den Donaukanal. Künftig wird es noch einen Umweg über die neue Anlage nehmen, damit die im Wasser enthaltene Wärmeenergie entnommen werden kann.

Dafür braucht es hochmoderne Technik. Wärmetauscher entziehen dem Klärwasser rund sechs Grad Celsius Wärme. Diese niedrigen Temperaturen werden mit Hilfe innovativer Großwärmepumpen auf eine Temperatur von mehr als 90 Grad Celsius gebracht. Das heiße Wasser fließt dann über das Fernwärmenetz in Wiener Wohnungen. Die werden auf diese Weise künftig mit Abwasserwärme beheizt – eine Wärmequelle, die bislang kaum erschlossen ist.

So funktioniert die geplante Großwärmepumpe
©Wien Energie/APA

So funktioniert die geplante Großwärmepumpe

Klimaneutrale Energiegewinnung

Auch die Anlage selbst braucht Energie. Gedeckt wird dieser Bedarf durch Ökostrom aus dem direkt benachbarten Donaukraftwerk Freudenau. Dazu wird eigens eine Direktleitung zwischen Kraftwerk und Anlage errichtet, die den grünen Strom zu den insgesamt sechs Großwärmepumpen leiten wird. Die Fernwärme aus Abwasser wird deshalb vollständig klimaneutral sein.

Eine 55 Megawatt starke Großwärmepumpe wird in der ersten Ausbaustufe schon ab Mitte 2023 rund 56.000 Haushalte mit umweltfreundlicher Wärme versorgen. Der Vollausbau mit 110 Megawatt-Leistung folgt bis 2027. Dann werden über 110.000 Haushalte Wärme aus Simmering beziehen. Für die ökologische Wärmeversorgung der Hauptstadt bedeutet die Anlage am Klärwerk einen wichtigen Meilenstein. Denn allein diese Großwärmepumpenanlage wird den Anteil erneuerbarer Fernwärme in Wien um ca. 14 Prozent steigern. Aber die Anlage in Simmering ist nicht das einzige Projekt, mit dem Wien die Wärmeversorgung in den nächsten Jahren umbaut.

 

Bereits bestehende Großwärmepumpe in Simmering
© Wien Energie/Zinner

Bereits bestehende Großwärmepumpe in Simmering

Alle Wärmequellen sollen genutzt werden

Systematisch will die Hauptstadt neue Energiequellen erschließen, um sich bis 2040 vollständig aus der Abhängigkeit von Gas und Öl zu befreien. Wien Energie hat sich deshalb genau angeschaut, wo es Abwärmequellen in der Stadt gibt, ob diese ganzjährig verfügbar sind und ob dort Anlagen aufgestellt werden können. Abwärme aus Kläranlagen, Kraftwerken, Fabriken oder auch aus Rechenzentren - alles soll genutzt werden.

Schon heute heizen 600 Wiener Haushalte mit der Abwärme aus der Fabrik, in der die berühmten Manner-Schnitten gebacken werden. Wärme für rund 214.000 Haushalte und Strom für 95.000 Haushalte wird aus dem Wiener Abfall gewonnen. Damit hier künftig keine Wärme mehr verloren geht, soll bald zusätzlich die Kondensationswärme des Rauchgasreinigungssystems nutzbar gemacht werden.

Schon jetzt verfügt die Stadt Wien mit über 1.300 Kilometern Länge über eines der größten Fernwärmenetze Europas. Das will die Stadt massiv ausbauen. Erdgas und Öl sollen bis 2040 komplett aus Wiener Wohnungen und Häusern verschwunden sein.

Neben diesen groß angelegten Projekten zur Förderung der erneuerbaren Energien untersucht Wien Energie auch kleinere, individuellere Lösungen. So gibt es auf unserem Blog Beiträge zum Thema Förderung von Photovoltaik und zu Balkonkraftwerken, die einen Einblick in alternative Möglichkeiten bieten, umweltfreundliche Energie zu erzeugen.

Turbo für erneuerbare Energien

Versorgung sichern, Abhängigkeiten minimieren, Energiewende forcieren: Auch andere Städte verfolgen diese Ziele und legen für die Erneuerbaren den Turbo ein. So zieht Linz ein eigentlich erst in fünf Jahren geplantes Projekt nun vor, um schneller als zunächst geplant aus Erdgas auszusteigen.

Mitte Mai 2022 fiel der Startschuss für den Bau eines Wärmewandlers, der Restwärme aus dem Abgas der Biomasse- und Reststoffkraftwerke erschließen wird. Damit soll der Anteil erneuerbarer Energie bei der Fernwärmeerzeugung der Linz AG um 10 Prozent erhöht werden. 30 Millionen Euro investiert das Linzer Stadtwerk dafür.

Lesetipp:
In unserem Artikel zum Thema Fernkälte, erfährst du, wie beispielsweise in Wien herkömmliche Klimaanlagen durch Fernkälte ersetzt werden.