#Invented in Austria:
Elektrisches Hören

Österreicher sind erfindungsreich – das zeigen wir in unserer Serie „Invented in Austria“. In dieser Folge geht es um das Ehepaar Ingeborg und Erwin Hochmair, die Ende der 1970er-Jahre ein elektronisches Implantat entwicklelten, dass Menschen mit Hörverlust das Hören ermöglicht.

Cochlea-Implantat-System am und im Ohr
©MED EL

Cochlea-Implantat-System am und im Ohr

Cochlea-Implantate ermöglichen Schwerhörigen, Gehörlosen und Ertaubten das Hören. Die Voraussetzung: Der Hörnerv muss funktionieren. Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung dieser Hörhilfen leisteten Ingeborg und Erwin Hochmair. Die beiden lernten sich Mitte der 1970er-Jahre an der Technischen Universität Wien kennen, wo er lehrte und sie studierte. Gemeinsam arbeiteten sie an der Entwicklung der Hör-Prothesen. Es ist bis heute die einzige Erfindung, die einen menschlichen Sinn ersetzen kan.

Nachahmung der Natur

Die Cochlea, auch Hörschnecke genannt, ist der Teil des Innenohrs, der das Hören ermöglicht. Tausende Nervenzellen, die Haarzellen, wandeln Schallwellen hier in Nervenimpulse um, leiten sie an den Hörnerv und damit das Gehirn weiter. Sind viele dieser Haarzellen so beschädigt, dass keine Nervenimpulse produziert werden, hören Menschen wenig bis gar nichts mehr. Cochlea-Implantate umgehen diesen Defekt, indem sie die natürliche Stimulation des Hörnervs elektrisch erzeugen. 

Hierfür wird das Implantat oberhalb des Ohres chirurgisch unter der Haut eingesetzt. Ein extern getragener Audioprozessor empfängt Umgebungsgeräusche, verarbeitet diese zu elektrischen Signalen und sendet sie ans Implantat. Das Implantat wandelt die Signale in elektrische Impulse um und leitet sie an Elektroden in der Chochlea weiter. Dort stimulieren die Impulse jene Bereiche, die für die jeweilige Frequenz zuständig sind. Dabei entstehen Hörinformationen, welche von der Cochlea in den Hörnerv und weiter ins Gehirn gelangen. Dort werden sie vom Träger des Implantats als Sprache, Klänge und Geräusche wahrgenommen.

Mehrere Kanäle

Erwin Hochmair 1979
©MED EL

Erwin Hochmair 1979

Schon seit den 1950er Jahren war an Cochlea Implantaten gearbeitet worden. Diese Implantate stimulierten den Gehörnerv jedoch nur über einen Kanal. Der entscheidende Beitrag der Hochmaiers: Sie entwickelten das weltweit erste mehrkanalige Cochlea-IOmplantat. Das erste Gerät wurde 1977 in Wien implantiert. Es stimulierte die Cochlea an 8 Stellen, hatte also acht Kanäle. Der Durchbruch folgte 1980 mit der Entwicklung des ersten voll funktionsfähigen Hinter-dem-Ohr-Audioprozessors. Er versorgte das Cochlea-Implantat mit Strom und Befehlen und ermöglichte der Patientin Gesprochenes ohne Lippenlesen zu verstehen.

Conny, die erste Nutzerin eines Cochlea-Implantats, die Sprache ganz ohne Lippenlesen verstehen konnte im März 1980.
©MED EL

Conny, die erste Nutzerin eines Cochlea-Implantats, die Sprache ganz ohne Lippenlesen verstehen konnte im März 1980.

Erfinder werden Unternehmer

Erwin Hochmair und Ingeborg J. Hochmair-Desoyer
©MED EL

Erwin Hochmair und Ingeborg J. Hochmair-Desoyer

Für die Produktion des Implantats gründete das Ehepaar 1989 eine eigene Firma in Innsbruck: Med-El. Heute beschäftigt das einstige Drei-Personen-Start-up rund 2200 Mitarbeitern aus 75 Nationen an 30 Niederlassungen weltweit. Das Unternehmen bietet eine große Palette an Lösungen zur Behandlung aller Arten von Hörverlust.

Die Hörprothesen sind inzwischen langlebiger und kleiner geworden. Cochlea Implantate sind der Standard bei der Versorgung von hochgradig schwerhörenden oder gehörlosen Kleinkinder. Kinder werden inzwischen schon mit sechs Monaten behandelt. Denn man weiß: Je früher, desto besser und leichter erlernen sie das Hören und Sprechen mithilfe des Implantats. Rund 800.000 hochgradig schwerhörige Menschen weltweit können dank dieser Technik und der Arbeit der Hochmairs heute hören.