Innovation in Israel:
Zu Gast bei der „Startup Nation“

Ein kleines Land, das unter schwierigen Bedingungen existiert, hat sich zur innovativsten Region der Welt entwickelt: Israel. Warum gerade dort bahnbrechende Ideen entstehen, was wir vom Mindset der Israelis lernen können und wie Wüstenrot davon profitieren kann, hat Nina Tamerl, Head of Innovation & Marketing, auf einer Innovationsreise erfahren.

Israel hat es geschafft, aus Herausforderungen in Chancen zu verwandeln. Heute gilt das kleine Land als "Startup Nation".

Israel hat es geschafft, aus Herausforderungen in Chancen zu verwandeln. Heute gilt das kleine Land als "Startup Nation".

Wer sich kontinuierlich weiterentwickeln und zu den Besten seiner Branche gehören will, sollte stets für Impulse von außen offen bleiben und von anderen lernen. Beim Thema Innovation kommt man dabei an einer Nation nicht vorbei: Israel. Nicht umsonst ist das kleine Land in aller Welt als „Startup-Nation“ bekannt.

Israel hat weltweit die höchste Dichte an Startups. Egal ob Google, eBay, Microsoft oder Intel: Kaum ein Unternehmen, das zu den Top 500 gehört, das nicht dort ansässig ist. Sie alle wissen, dass sowohl die Rahmenbedingungen als auch der Mindset der Startup- Gründer dort ideal sind, um jene Ideen zu entwickeln, die die Zukunft nachhaltig verändern werden.

Ein fruchtbarer Boden für Ideen

Gute Gründe dafür, dass Österreich nach Israel blickt. Im Februar organisierte das Österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eine Innovationsreise nach Tel Aviv, die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen begleitet wurde. Für Wüstenrot mit dabei: Nina Tamerl, Head of Innovation and Marketing. Sie ist immer noch begeistert von dem Spirit, den sie in Israel hautnah erlebt hat: “Wirklich toll, wie sich dieses kleine Land für das Thema Innovation und neue Technologien geöffnet hat und heute Tradition und Moderne stimmig miteinander verbindet“, erzählt Nina Tamerl rückblickend. „Die Atmosphäre erinnert an das Silicon Valley vor einigen Jahren. Der Ort ist ideal, um internationale Netzwerke zu bilden und sich von einem Mindset inspirieren zu lassen, das bahnbrechende Innovationen hervorbringt. Es gibt eine ganze Reihe von spannenden Startups, die ideal zu uns passen würden“, ist Nina Tamerl überzeugt.

Der Staat unterstützt diese Entwicklung tatkräftig: Wer ein ausländisches Investment erhält oder in ein Förderprogramm aufgenommen wird, bekommt noch einmal 50% der Summe von der Regierung. Nirgendwo sonst investiert man so viel Geld in Forschung und Entwicklung (mehr als 4 Prozent der Staatsausgaben). Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen machen es möglich, schnell und unkompliziert ein Startup zu gründen.

Höchst dynamisch: Tel Aviv. Kaum ein Top 500-Unternehmen ist hier nicht vertreten.

Höchst dynamisch: Tel Aviv. Kaum ein Top 500-Unternehmen ist hier nicht vertreten.

Was kennzeichnet die „Startup Nation“?

Ein gleichnamiger New York Times-Bestseller hat sich damit genauer beschäftigt, warum ein kleines Land wie Israel andere „Riesen“ wie die USA, Indien oder China und selbst die „Denkerschmiede“ Europa in Sachen Innovation überholt hat. Hier zusammenfassend drei interessante Punkte:

1. Militär als Talenteschmiede

Alle Israelis – auch Frauen – müssen verpflichtend nach der Schule zum Militärdienst bei den Israel Defense Forces (IDF). Mit ihrer Unit bleiben sie dann oft ein Leben lang verbunden, z.B. durch jährliche Reservisten-Trainings. Dabei lernen sie früh, mit ganz unterschiedlichen Menschen (Anm. die Bevölkerung Israels besteht aus etwa 70 verschiedenen Nationalitäten), aber auch mit unsicheren Situationen umzugehen, Führungsverantwortung zu übernehmen und rasch Entscheidungen zu treffen. Natürlich werden dabei auch wertvolle Business Netzwerke geknüpft und immer wieder erneuert.

Bestimmte Units gelten als Kaderschmiede einer intellektuellen Elite und bringen enorm viele erfolgreiche Gründer hervor. Der Kampf gegen Terroristen macht Israels Militärs zu führenden Experten im Bereich Cyberkriminalität.

2. Isolation macht weltoffen

Die Tatsache, dass Israel in der Region isoliert ist und Reisen in die direkt angrenzenden Nachbarländer nur sehr eingeschränkt möglich sind , führt dazu, dass viele Israelis nach der Armee oft in die USA oder nach Europa und Asien gehen, um zu studieren, Karriere zu machen und dabei internationale Kontakte aufzubauen. Zum Gründen kommen Israelis dann meist wieder zurück in ihre Heimat. Gepaart mit ihren in der Armee bereits aufgebauten technologischen Skills entstehen so neue erfolgreiche Unternehmen. Das macht Israel zur erfolgreichen Startup Nation.  

3. Chuzpe & Fehlerfreundlichkeit

Chuzpe – also eine Art charmante Dreistigkeit – ist fester Bestandteil der israelischen  Identität. Intensive Diskussionen und argumentative Auseinandersetzungen gehören zur jüdischen Kultur. Und auch im israelischen Militär werden kritische Nachbesprechungen (Debriefing) zur Fehleranalyse bewusst kultiviert. Flache Hierarchien sind hier selbstverständlich, Kritik auch an Vorgesetzten absolut erlaubt. Widerstand, Zweifel, Debatten werden in der israelischen Gesellschaft nicht nur geduldet, sondern gelten als erwünscht. Diese Geisteshaltung bildet eine ideale Grundlage für Innovationsprozesse, die häufig Bestehendes in Frage stellen.

„Entscheidend ist aus meiner Sicht aber auch, dass es hier eine ganz andere „Failure Culture“ gibt als bei uns“, so Nina Tamerl. „Wer Fehler macht oder scheitert muss keine Stigmatisierung fürchten. Ganz im Gegenteil. Wer schon einmal mit einem Startup gescheitert ist, erhält sogar leichter ein Investment als ein Erstgründer, weil Investoren davon ausgehen, dass man Fehler der Vergangenheit beim neuen Startup nicht mehr macht.“  

Auch Uri Arazy, Direktor von Intel Capital, betonte bei seinem Vortrag für die österreichische Delegation im Februar: „If you want to become a good investor, you have to do a bad investment.“ (Anm. „Wenn du ein guter Investor werden willst, musst du ein schlechtes Investment gemacht haben.“)

Nicht zuletzt wirkt auch die Tatsache intensiv, dass Israelis durchaus immer wieder mit Bedrohungen konfrontiert sind. Wer in einem Zustand der Unsicherheit lebt, gestaltet die Gegenwart bewusster und auch risikofreudiger. Auch Nina Tamerl berichtet: „Man spürt, dass die Menschen hier jeden Tag bewusst und intensiv leben.“ Die Autoren von „Startup-Nation“ sehen hier einen engen Zusammenhang zu der Innovationsfreudigkeit der Israelis: „Adversity breeds inventiveness“ – oder wie es bei uns heißt: Not macht erfinderisch.

Lesetipp: Dan Senor/Saul Singer: "Startup Nation – The Story of Israel’s Economic Miracle"