Freude am Lernen

Eltern zweifeln zunehmend am klassischen Schulsystem und suchen alternative Lernkonzepte. Ob Montessori, Waldorf oder Frontalunterricht: welche Ansätze machen die Kinder fit für die Zukunft?

Frontalunterricht: noch zeitgemäß?

Frontalunterricht: noch zeitgemäß?

Schule soll aufs Leben vorbereiten. Aber kann sie das? Lehrermangel, volle Klassen, Integration, Inklusion – viele Baustellen stellen die öffentliche Schulen vor Herausforderungen stellen. Kreative und digitale Wissensvermittlung bleibt da schnell auf der Strecke. Fragt man Bildungsexperten, sollte die Schule von morgen Kinder darin unterstützen, sich in einer sich verändernden Welt zurechtzufinden, selbstständig zu denken und mit Empathie und Selbstbewusstsein ins eigene Leben zu starten. Doch das Misstrauen ins öffentliche Bildungssystem wächst. In Österreich geht jedes zehnte Kind auf eine Privatschule, in Wien ist es fast jedes fünfte, heißt es in einer Studie von Statistik Austria von 2019. Doch warum „fliehen“ so viele Eltern mit ihren Kindern vor dem öffentlichen Schulsystem? 
 
Eltern erwarten heutzutage mehr als starres Auswendiglernen von Fakten, als Frontalunterricht und eine Fokussierung auf die Lese-, Schreib- und Rechenkompetenz. Wird mein Kind gesehen? Wird es seinen Stärken und Schwächen entsprechend gefördert? Fühlt es sich in der Schule wohl? Herrscht ein liebevoller, wertschätzender Umgang? Wird der Nachwuchs auf die Digitalisierung und die neuen Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet? Eltern wollen ein Umfeld, in dem Jungen und Mädchen inspiriert werden, sich voller Neugier und Selbstvertrauen in neue Aufgaben stürzen. Und landen schließlich bei Einrichtungen mit reformpädagogischen Konzepten.

Weniger Druck, mehr Neugierde

 

Ist die Neugier geweckt, macht Lernen Spaß.

Ist die Neugier geweckt, macht Lernen Spaß.

In Europa sind zehn Prozent aller Schulen reformpädagogisch gestaltet. In Österreich sind es hauptsächlich Privatschulen, die sich dieser Modelle bedienen. Doch auch im öffentlichen Bereich finden sich immer wieder ambitionierte Lehrer und Direktoren, die reformpädagogische Konzepte in die Regelschule einfließen lassen. Sie setzen sich aus mehreren Modellen zusammen, darunter Montessori, Dalton-Plan, Jena-Plan, Waldorf oder Freinet. Gemeinsam haben alle Ansätze eine Pädagogik, die von den Bedürfnissen und Kompetenzen des Kindes ausgeht und den Unterricht entsprechend gestaltet. Selbstbestimmtes Lernen steht im Vordergrund. Starre Lehrpläne sind nicht vorgesehen.
Die Schülerinnen und Schüler lernen in ihrem eigenen Tempo oder planen gar das Lernvorhaben der Klasse mit. Häufig setzen Einrichtungen auf Wochenpläne, die die Kinder individuell abarbeiten. Die Aufgaben sind an die Lernfortschritte des Kindes angepasst. Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Kreativität und Kritikfähigkeit werden durch Gruppenarbeiten und ein differenziertes Kurssystem vermittelt. Einige Schulen setzen auf jahrgangsübergreifendes Lernen, andere auf Kurse mit unterschiedlichen Niveaus innerhalb einer Stufe. Die Idee dahinter ist: weniger Druck, mehr Neugier und Freude. Ob und ab welchem Alter Noten und Tests angewendet werden, ist von dem Leitbild einer Reformschule abhängig.  

Wien und Salzburg sind Vorreiter

Gerade in Großstädten wie Salzburg und Wien sind alternative Bildungsansätze gefragt. In Wien gründeten Eltern sogar eine eigene Schule, aus Unzufriedenheit mit dem aktuellen Bildungssystem. Im Markhof lernen Kinder verschiedenen Alters im so genannten Co-Learning. Auf der Homepage heißt es: „Statt auf Frontalunterricht setzen wir den Fokus auf den Erwerb von Kompetenzen in den Bereichen Selbstwirksamkeit, Selbstmanagement, selbstgesteuertem Lernen, Herzensbildung und Gemeinschaftssinn.“ Nach dem Motto „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“ verbringen sie ihre Tage in einer Gemeinschaft auf dem Hof, statt Lehrer gibt es Lernbegleiter – ein Lernzentrum ohne Klassenräume und starre Hierarchien. Auch hier steht die Freude am Lernen im Mittelpunkt. Die Kinder werden nach der vierten Klasse nicht wie im österreichischen Schulsystem gängig auf verschiedene weiterführende Einrichtungen verteilt, sondern gemeinsam weiter unterrichtet. Aktuell sind 35 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis siebzehn Jahren Teil der Schule, das Interesse an Plätzen ist groß.

Auch die Volksschule Liefering 2 in Salzburg setzt auf das Miteinander. Schwerpunkt des pädagogischen Konzepts ist ein Montessori-Ansatz mit altersgemischtem Lernen. Sehr begabte und lernschwache Kinder lernen gemeinsam, helfen sich gegenseitig und werden je nach Alter mit unterschiedlichen Aufgaben bedacht. Lehrer stehen in Zweier-Teams vor den Klassen, so werden sie den individuellen Bedürfnissen der Kinder besser gerecht. Schulleiterin Monika Dachs betont in Interviews immer wieder, wie sehr die Schüler davon profitieren. Mit welcher Freude Kinder lernen, die keine Angst haben, Fehler zu machen.
Noch sind solche reformpädagogischen Konzepte die Ausnahme in Österreichs Schulen, doch die Nachfrage nach Plätzen steigt.