Epiclay
– Startup für gutes Klima in der Stadt

Der Sommer 2022 hat dir zu schaffen gemacht? Damit bist du nicht allein. Mit einem modularen, wartungsarmen System für die Fassadenbegrünung will das Wiener Startup Epiclay frische und kühlere Luft in die Städte bringen.

Visualisierung einer zukünftigen Fassadenbegrünung nach der Epiclay-Methode

Visualisierung einer zukünftigen Fassadenbegrünung nach der Epiclay-Methode

Vor allem in den Städten ächzen die Menschen weltweit unter der zunehmenden Zahl an Hitzetagen. In Österreich leben rund 58,8 Prozent der Bevölkerung in Städten, 21,5 Prozent allein in Wien. In den Städten locken gut bezahlte Jobs, Kunst und Kultur, breitere Bildungsangebote, gute Infrastruktur. Doch das Stadtleben hat auch unangenehme Seiten: Feinstaubbelastung, sommerlicher Hitzestau, niedrige Luftfeuchtigkeit und die fehlende Nähe zur Natur belasten Körper und Gemüt. Und dann ist da noch der Klimawandel, der diese Situation weiter anheizen wird.

Mit der Entsiegelung von Bodenflächen, Grünanlagen und sowie dem Freihalten von Frischluftschneisen wollen viele Städte Hitzeinseln verhindern, Klima und die Luftqualität verbessern. Dazu tragen auch grüne Dächer und Fassaden bei.

Pflanzen absorbieren Feinstaub sowie andere Schadstoffe, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und kühlen die Umgebungsluft herunter, indem sie das in ihren Blättern gespeicherte Wasser über Verdunstung abgeben. Doch obwohl insbesondere die Fassadenbegrünung schon seit Jahren diskutiert wird, steckt sie noch in den Kinderschuhen. Der Hauptgrund: zu teuer in der Anschaffung und zu teuer und aufwändig im Unterhalt.

Teurer Hochhauswald: Bosco Vertikale

Bosco Verticale in Mailand: Fassadenbegrünung als Luxus

Bosco Verticale in Mailand: Fassadenbegrünung als Luxus

Die beiden Mailänder Wohntürme Bosco Verticale, zu Deutsch vertikaler Wald, sind weltweit ein Vorbild für Öko-Architektur mit Pflanzenfassaden geworden – ein Luxus, den man sich leisten können muss. Rund 17.000 € betragen die Nebenkosten für ein 270 m2 großes Apartment pro Jahr. Das meiste fließt in die professionelle Pflege der 900 Bäume sowie 20.000 Stauden und Sträucher. Ein- bis zweimal pro Jahr seilt sich ein Gärtnerteam für den notwendigen Baumschnitt vom Dach auf schwer zugängliche Balkone ab. Obwohl der Hochhauswald erhebliche Mengen an CO2 und Feinstaub bindet und die Temperatur in den Innenräumen um rund 3 Grad Celsius senkt, ist diese Form der Gebäudebepflanzung keine Blaupause für normale Häuselbauer. Auch der Beitrag zur Nachhaltigkeit darf angezweifelt werden. Aufgrund des Gewichts der Bäume mussten die Gebäude und Balkone besonders solide gebaut werden. Vermutlich wiegt allein der Mehrbedarf an CO2-intensivem Beton den positiven Klimaeffekt auf.

Fassadenbegrünung neu gedacht

„Was tun?“, fragte sich im November 2019 ein sechsköpfiges, internationales Studierendenteam aus Österreich, Frankreich, Indien und Mexiko. Das europäische BUILD’S Programm (Building Urban Intelligent Living Design Solutions) hatte sie in Barcelona zusammengeführt. Aus der Aufgabe, nachhaltige Klimaschutzlösungen zu finden, entwickelten sie in wenigen Monaten die Idee für eine Green-Wall-Lösung und gründeten ihr eigenes Startup Epiclay. Die Zentrale sitzt in Wien, wo CEO Christoph Hornik auch studiert hat.

In der Stadt ist der Platz für Neuanpflanzungen begrenzt. Um dieses Problem zu lösen, nutzte das Team einen Denkansatz, bei dem es sein gesammeltes Wissen aus Biologie, Landwirtschaft, Architektur, Wirtschaft, Marketing und Design einfließen ließ. Statt zu versuchen, horizontale Lösungen in die Vertikale zu bringen, geht Epiclay einen anderen Weg. Es entwickelt ein leichtes, modulares und nachhaltiges Fassadenbegrünungssystem, das ganz ohne Erde und auch ohne Plastik auskommt. Das Hauptmaterial findet sich im Firmennamen: „Clay“, das englische Wort für „Ton”. Die Pflanzen wachsen auf hohlen, tönernen Fassadenelementen, die über einen zentralen Versorgungspunkt bewässert und mit Nährstoffen versorgt werden. Der Vorteil von Ton ist aus der Hydrokultur bekannt. Er kann dank seiner porösen Struktur Wasser gleichmäßig speichern und neigt im Gegensatz zu Erde nicht zu Schimmel- und Pilzbefall.

Besonders viel Zeit hat man indie Suche nach geeigneten Pflanzen investiert und wurde fündig. Epiphyten, auch Aufsitzerpflanzen genannt, sind pflegeleicht, wachsen direkt auf den Modulen an und benötigen weder Erde noch Substrat. Sie sind in der Lage, viel Wasser zu speichern, das sie bei Bedarf wieder an die Umgebung abgeben.

Universallösung mit Ton

Das intelligente Zusammenwirken von Tonplatten und Pflanzen verspricht eine preiswerte, nachhaltige, einfach installierbare und pflegeleichte Universallösung für unterschiedliche Räume und Gebäude. „Ein Baum braucht viele Jahren zum Wachsen, mit Epiclay könnten wir den CO2-Ausstoß unserer Städte in wenigen Jahren signifikant senken und unsere Städte lebenswerter machen“, erklärt Epiclay Gründer Christoph Hornik und ergänzt: „Alleine in Wien gibt es 120 Millionen Quadratmeter Fassaden, die faktisch begrünbar sind.“ Doch der Ehrgeiz geht über Wien hinaus, denn wie jedes anständige Startup arbeitet Epiclay an an „skalierbaren" Lösungen, also solchen, die unkompliziert auf möglichst viele Orte und Länder übertragen werden können.

Aktuell arbeitet man noch an der Serienreife und konnte mit der Gmundner Keramik eine österreichische Firmenlegende als Projektpartner gewinnen. Die Gmundener bringen ihr Knowhow in der Produktion ein und unterstützen bei der Entwicklung der geeigneten Materialzusammensetzung.  

Unsere Prognose: Grüne Wände werden die Stadt erobern. Neben den positiven Effekten auf das Mikroklima wirken Pflanzen wohltuend und sehen einfach gut aus.