New Work:
„Angestellte werden zu Mitgestaltern“

New Work ist das Forschungsthema von Professor Michael Bartz von der IMC Fachhochschule Krems. Wir sprachen mit dem Experten für moderne Arbeitswelten darüber, wie die Digitalisierung unsere Arbeitsplätze verändert, warum der Computer jetzt unser Kollege ist und warum wir optimistisch in die neue Zeit schauen können.

Alternative Beschäftigungsformen nehmen zu, dafür muss auch der entsprechende Raum geschaffen werden.

Alternative Beschäftigungsformen nehmen zu, dafür muss auch der entsprechende Raum geschaffen werden.

Herr Prof. Bartz, Ihr Forschungsgebiet ist New Work. Was ist das eigentlich genau?

New Work, auf Deutsch „neue Arbeit“, ist eine Entwicklung, die sich an fünf Trends festmachen lässt: Zuallererst wird New Work getrieben durch die Digitalisierung und die Globalisierung. Beide führen dazu, dass sich die Außengrenzen des Unternehmens auflösen. Kunden wirken tiefer mit, Lieferanten werden stärker integriert, es werden temporäre Mitarbeiter aufgenommen. Zweitens nehmen alternative Beschäftigungsformen zu – angefangen von der Zeitarbeit über Leasing, freie Mitarbeit bis hin zu Crowd- und Clickworking, also das Abarbeiten von Kleinstaufträgen über das Internet. Es wird also bunter. Das führt drittens dazu, dass sich die Organisationen auch intern verändern. Manche Firmen – vor allem kleinere – setzen inzwischen ganz und gar auf Netzwerkorganisationen. Viertens verändert sich auch der Arbeitsplatz, denn durch die Digitalisierung ist es möglich, von überall zu arbeiten – im Home Office, im Coworking oder im Auslandsbüro. All dies führt zu fünftens, dass es immer komplexer wird, Entscheidungen zu treffen, die im digitalisierten und globalisierten Umfeld viel stärker vernetzt gedacht werden müssen. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.

Wie wird sich die Arbeitswelt verändern?

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch die, die keine Manager sind, werden immer mehr zu Unternehmerinnen und Unternehmern im Unternehmen. Sie müssen mehr Selbstverantwortung zeigen und sich auch selbst stärker organisieren. Das ist eine grundlegende Veränderung: Angestellte werden zu Mitgestaltern.

Für kreative Prozesse braucht man eine kreative Arbeitsumgebung.

Für kreative Prozesse braucht man eine kreative Arbeitsumgebung.

Welche Innovationen treiben diese Veränderung an?

Es ist insbesondere die Digitalisierung, weil Unternehmen sich dadurch agiler und flexibler aufstellen können und Mitarbeiter mehr Handlungsfreiheit erhalten. In der alten Welt mit Festnetztelefon und Fax musste man ins Büro kommen, weil man auf die Arbeitsmittel angewiesen war. Heute spielt es immer seltener eine Rolle, von wo aus ich meinen Job mache. Dabei befinden wir uns erst am Anfang einer sehr großen Digitalisierungswelle, die unser privates und berufliches Leben grundlegend verändert.

Welche Veränderungen kommen zuerst?

Die flexiblen Arbeitsformen entwickeln sich unglaublich schnell. In den skandinavischen Ländern liegen die Quoten bereits um die 50 Prozent. In den Niederlanden hat sich die Gesetzeslage sogar umgedreht. Dort haben Mitarbeiter ein Recht auf mobiles Arbeiten. Und der Arbeitgeber muss darlegen, warum er nicht möchte, dass ein bestimmter Job von zu Hause erledigt wird. In Deutschland, Österreich und der Schweiz liegen wir bei etwa 20 Prozent, da gibt es noch Aufholpotenzial.

Welche Veränderungen wünschen sich Unternehmen und Mitarbeiter?

Wir führen jährlich Befragungen bei Unternehmen in Österreich durch und beobachten hier ein interessantes neues Phänomen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehr ähnliche Wünsche haben, die Flexibilisierung wollen beide Seiten. Tatsächlich kann der Produktivitätszuwachs nach Einführung von flexiblen Arbeitsmodellen im Bereich von fünf bis sieben Prozent liegen. Das hängt damit zusammen, dass Mitarbeiter zufriedener sind und sich mehr engagieren. Die Mitarbeiter wünschen sich flexibles Arbeiten vor allem, um Arbeit und Privatleben besser aufeinander abstimmen zu können.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten etwa 20 Prozent der Arbeitnehmer im HomeOffice.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten etwa 20 Prozent der Arbeitnehmer im HomeOffice.

Brauchen wir dann überhaupt noch Büros?

Ja, denn das Büro hat einige wichtige Funktionen. So ist es zum Beispiel eine soziale Plattform, die man auch dann braucht, wenn man verteilt arbeitet. Wenn Menschen durchgehend mehrere Wochen im Home Office arbeiten, fühlen sie sich isoliert. Über den Flurfunk, beim Mittagessen, an der Kaffeemaschine oder am Kopierer bekommt man zudem viele Informationen und Gerüchte mit, die im Home Office an einem vorbeigehen. Diese informellen Informationen sind aber auch für die Karriere wichtig, um entsprechend agieren und reagieren zu können. Es gibt aber auch noch sachliche Gründe: Für manche Formate braucht man eine professionelle Büroumgebung, zum Beispiel für ein formelles Meeting mit Kunden oder kreative Prozesse.

Wie sieht das Büro der Zukunft aus?

Wenn wir uns die Paradebeispiele ansehen – die Google-Büros weltweit oder die Büros von Microsoft in Wien oder von Porsche Informatik in Salzburg –, dann sind das alles offene Büroerlebnislandschaften. Sie bieten viele Nischen und Winkel sowie Arbeitszonen für konzentriertes Arbeiten und Zonen, in denen man auch laut sein darf. Es ist alles bunt und uneinheitlich und die Mitarbeiter wechseln den Platz je nach Bedarf. Das alles bildet die geforderte Flexibilität des Individuums, aber auch die Flexibilität der Organisation ab. 

Viele Menschen sehen großen Veränderungen eher ängstlich entgegen oder haben Angst, von Robotern ersetzt zu werden...

Unsere Arbeitswelten verändern sich permanent, es fallen ständig Jobs weg und neue Jobs entstehen. Das kann einem Angst machen. Ein Stichwort sind Chatbots. Sie ersetzen vielleicht das First Level im Kundenservice. Aber Second oder Third Level werden weiterhin von Menschen bedient, weil künstliche Intelligenz noch lange nicht leisten kann, was Mitarbeiter an Komplexität bei der Beantwortung von Fragen verarbeiten können und was sie den Kunden an menschlicher Wärme und Emotionen entgegenbringen können. Neu ist, dass künstliche Intelligenz mit uns Seite an Seite arbeitet und uns mit Voranalysen versorgt, damit wir bessere Entscheidungen treffen können. Der Computer ersetzt uns nicht am Arbeitsplatz, der Computer wird unser Kollege.

Können wir optimistisch auf die Zukunft der Arbeit schauen?

Absolut, weil die neuen Jobs viel bunter und vielfältiger sind und mehr Eigenverantwortung erfordern. Das ist eine spannende Entwicklung. Lebenslanges Lernen ist dabei ein zentraler Aspekt in den neuen Arbeitswelten.

ZUR PERSON

Mehr zu Professor Michael Bartz erfahren Sie hier. Den Blog von Michael Bartz findet man online unter: newworldofwork.wordpress.com

Prof. Dr. Michael Bartz

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