„Gerade Frauen fordern zu wenig“

Um erfolgreich über das Gehalt zu verhandeln, braucht es Geschick und gute Vorbereitung. Damit du in deiner nächsten Verhandlung überzeugen kannst, hat MEIN LEBEN mit der Karriereberaterin Sabina Haas gesprochen.

Sabina Haas, Karrierecoach in Wien

Sabina Haas, Karrierecoach in Wien

Gehaltsverhandlungen sind ein heikles Thema. Wie viel ist zu viel, wann verkaufe ich mich unter Wert? Wie gehe ich in das Gespräch und wie verhandle ich auf Augenhöhe? Die Psychologin und Karriereberaterin Sabina Haas ist Expertin auf diesem Gebiet. Haas blickt auf eine über 20-jährige Berufserfahrung im Finanzdienstleistungssektor, unter anderem in leitenden Funktionen zurück. Sie kennt beiden Seiten des Verhandelns und weiß, worauf es im Gespräch ankommt. Seit 2009 ist sie freiberuflich als Karriereberaterin tätig und praktiziert in Wien.

Frau Haas, wie gehe ich bei einer Neuanstellung in die Gehaltsverhandlung?

Wichtig ist, selbst eine klare Vorstellung von dem eigenen Gehaltswunsch zu haben. Und ebenso von dem Betrag, den man als unterstes Limit noch akzeptieren würde. Den behalten Sie jedoch für sich. Liegt der Betrag in dieser Bandbreite, kann man zusagen. Der eigene Gehaltswunsch kann sich ergeben aus: dem bisherigen Gehaltsniveau und dem eigenen Marktwert. Um diesen zu ermitteln, helfen Plattformen wie Glassdoor. Wenn man diesen Gehaltswunsch dann noch als „Wunsch“ tituliert - im Gegensatz zu einer „Forderung“ - schafft man mehr Spielraum für die Verhandlung und eine gute Einigung wird eher möglich.

Was, wenn keine Einigung zustande kommt?

Wenn das gewünschte Gehalt nicht erzielt werden kann, kann man sich auch über das gesamte Package unterhalten: erfolgsabhängige Bonuszahlungen, mehr Urlaubstage, Versicherungen, flexible Arbeitszeit, Dienstwagen. Gehalt muss nicht nur Geld sein.

Wie unterscheidet sich die Verhandlung bei einem laufenden Vertrag?

Bei laufenden Verträgen ist es meistens schwieriger, größere Gehaltssprünge zu machen. Man kommt von dem bisherigen Niveau schlechter weg.

Deshalb ist es wichtig, dass man sich bei der Einstellung nicht unter Wert verkauft. Gerade Frauen fordern zu wenig. Allein die Einsteiger-Gehaltserwartung von gut ausgebildeten Frauen liegt 11.500 Euro unter der von vergleichbar qualifizierten männlichen Berufseinsteigern.

Gibt es besser und schlechtere Momente für eine Gehaltsverhandlung?

Ja, da sollte man wirklich strategisch denken. Das jährliche Mitarbeitergespräch ist üblicherweise ein guter Zeitpunkt. Auch vor Budgetplanungsphasen, nach eigenen erfolgreichen Leistungen oder Zeitpunkte, wo wirtschaftlich gute Bedingungen im Unternehmen herrschen, eignen sich sicher besser.

Sollte ich wegen der Corona-Krise mit Gehaltsverhandlungen warten?

Das hängt davon ab, in welcher wirtschaftlichen Situation sich die Firma befindet. Es gibt ja durchaus viele Firmen, die von der Krise nicht oder weniger stark erfasst sind und eine gute Ertragslage haben. Das spielt sicher eine wesentliche Rolle, ob es ein guter Zeitpunkt ist.

Okay, ich habe mir einen Überblick über die Situation gemacht und entscheide, dass ich über mein Gehalt sprechen möchte. Wie kündige ich das am besten an?

Das sollte man keinesfalls zwischen Tür und Angel machen und den zuständigen Verhandlungspartner nicht unvorbereitet konfrontieren. Sie könnten einen Termin für ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten vereinbaren. Sprechen Sie dabei von „Gehaltsanpassungen“. Die psychologische Wirkung des Worts ist positiver. Eine Anpassung klingt nach einer Korrektur von etwas, dass vorher nicht gepasst hat. Eine Erhöhung klingt nach mehr Kosten.

Wie beginne ich nun das Gespräch? Eröffne ich mit einem Angebot, oder soll ich meinen Arbeitgeber kommen lassen?

Bei Gehaltsverhandlungen ist derjenige im Vorteil, der zuerst die Summe nennt. Das gilt als Ankerwert, von dem man dann ausgeht. Das steht im Gegensatz zu klassischen Verhandlungsstrategien, in denen es heißt, dass der verloren hat, der zuerst eine Zahl nennt.

Bei Einstellungsgesprächen ist es durchaus üblich, dass der Bewerber gebeten wird, seine Gehaltsvorstellung zuerst zu nennen. Er sollte selbstbewusst vorgehen, sich seiner Fähigkeiten und des eigenen Marktwerts bewusst sein. Stellen Sie ihr Licht nicht unter den Scheffel.

Mein Angebot wird nicht angenommen und mein Arbeitgeber macht mir ein Gegenangebot. Sollte ich dieses direkt annehmen?

Nein, das erste Angebot sollte man eher nicht gleich akzeptieren. Man kann davon ausgehen, dass das erste Angebot nicht das Beste ist und der Verhandlungspartner noch weiteren Spielraum hat. Außerdem hängt es sehr stark davon ab, in welcher Position man sich befindet. Bin ich der favorisierte, am besten geeignete Kandidat? Dann habe ich sehr wohl bessere Chancen, meine Gehaltsvorstellungen durchzusetzen. Vorausgesetzt, diese sind realistisch.

Selbstbewusstes, authentisches Auftreten erhöht die Chancen.

Selbstbewusstes, authentisches Auftreten erhöht die Chancen.

Gibt es Tricks, wie ich meine Chancen verbessern kann?

Tricks würde ich es nicht nennen. Selbstbewusstes, authentisches Auftreten und ein gutes Bewusstsein bezüglich der eigenen Fähigkeiten verbessern die Chancen. Man sollte die eigene Erfolgsgeschichte im Sinne von „Storytelling“ gut präsentieren können. Das sind Fähigkeiten, die man lernen kann und keine Tricks. Zudem sollte man eine gute Antwort auf die Frage „Warum ich“ parat haben.

Welche Fehler sollte ich auf jeden Fall vermeiden?

Der größte Fehler ist unüberlegt in das Gespräch zu gehen. Also, sich im Vorhinein keine konkreten Gedanken zum eigenen Gehaltswunsch zu machen. Sich selbst klein zu machen, schadet ebenfalls der Verhandlungsposition.

Viele Menschen haben Angst vor negativen Konsequenzen, wenn sie nach einer Gehaltserhöhung fragen. Was raten Sie diesen Menschen?

Im Allgemeinen gibt es keine negativen Konsequenzen. Und mein Rat ist: Wer nicht fragt, bekommt wahrscheinlich nichts. Wer aber unhöflich und aggressiv Forderungen stellt und mit Kündigung oder fortan Dienst nach Vorschrift droht, kann natürlich auch mit Folgen konfrontiert werden. Denn Arbeitgeber wollen sich nicht erpressen lassen.