Employee Experience:
So werden aus Mitarbeitern motivierte Botschafter

Im Wettbewerb um die besten Talente wird Employee Experience immer wichtiger. Unternehmen lernen, die Arbeitsabläufe mit den Augen der Mitarbeiter zu betrachten und schaffen ihnen die optimale Umgebung. Denn zufriedene Mitarbeiter sorgen auch für zufriedene Kunden.

Employee Experience für den Erfolg: Zufriedene Mitarbeiter sorgen für zufriedene Kunden.

Employee Experience für den Erfolg: Zufriedene Mitarbeiter sorgen für zufriedene Kunden.

Eine sprichwörtliche Formel für Unternehmen lautet: Der Kunde ist König. Im Mittelpunkt aller unternehmerischen Strategie stand bislang die Schaffung eines positiven Kundenerlebnisses. An diesem Ziel wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Nur am Weg dorthin wird immer wieder gebastelt. Das Herzstück eines neuen Konzeptes ist jetzt das positive Mitarbeitererlebnis. Denn nur die talentiertesten Mitarbeiter können als Botschafter des Unternehmens die eigene Firmenmarke bestmöglich verkörpern – und damit auch die Kundschaft zufriedenstellen und überzeugen.

Mit den Augen der Angestellten

Doch wie gelingt es den Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu einem leidenschaftlichen, kompetenten und authentischen Engagement zu motivieren? Aus den USA kommt das Konzept der Employee Experience, übersetzt Erlebnis Arbeitsplatz, das inzwischen auch österreichische Firmen für sich entdeckt haben. Susan Peters, Vizepräsidentin des US-Konzerns General Electric, sagt: „Wir definieren Employee Experience einfach so, dass wir die Welt durch die Augen unserer Angestellten sehen.“ Während bislang die Bedürfnisse und Anforderungen des Arbeitgebers im Vordergrund standen, soll nun der gesamte Lebenszyklus eines Beschäftigungsverhältnisses, vom Bewerbungsgespräch bis zum Halten der Verbindung nach einer Trennung, aus der Position des Mitarbeiters betrachtet werden.

Für den US-Zukunftsforscher Jacob Morgan ist dies der Schlüssel zum Unternehmenserfolg. In seinem Buch „The Employee Experience Advantage“ beschreibt er die Vorteile von Employee Experience: Mitarbeiter müssen in allen Phasen ihrer Tätigkeit begeistert werden. Nur so kann das Unternehmen sie langfristig an sich binden, sie zur gemeinsamen Weiterentwicklung ermuntern und damit ihren bestmöglichen Beitrag im Wertschöpfungsprozess gewinnen. Laut Morgan muss die Arbeitsumgebung sowohl in kultureller, in räumlich-gestalterischer und in technischer Hinsicht optimiert werden. Jedes Unternehmen muss sich fragen: Wie organisieren und gestalten wir die Zusammenarbeit der Kollegen untereinander wie auch mit den Führungskräften? Welche räumlichen Faktoren wie Klima, Akustik und Privatheit können den Arbeitsplatz attraktiver machen? Und welche technologischen Werkzeuge benötigt der Mitarbeiter?

Vorbild Silicon Valley

Das Wir-Gefühl: Unternehmen wie Google machen vor, wie Mitarbeiterbindung funktioniert. Das Firmenrad ist dabei nur eine von vielen Maßnahmen.

Das Wir-Gefühl: Unternehmen wie Google machen vor, wie Mitarbeiterbindung funktioniert. Das Firmenrad ist dabei nur eine von vielen Maßnahmen.

Laut einer Studie halten fast 80 Prozent der Führungskräfte in aller Welt die Employee Experience für sehr wichtig (42 Prozent) oder wichtig (38 Prozent). Was die Digital-Konzerne wie Google, Facebook und Apple im Silicon Valley erprobt haben, hält auch in Österreich Einzug. So hat die Adidas-Tochter Runtastic ihr neues Hauptquartier in der Linzer Plus-City mit vielerlei Attraktionen für ihre 160 Mitarbeiter ausgestattet. Steharbeitsplätze, Schallschutzsofas und ein Working-Café sorgen für eine abwechslungsreiche Arbeitsumgebung. In sogenannten "Agile Areas" können die Arbeitsteams Stand-up-Meetings und Sprint-Plannings abhalten. Auf Monitoren, Whiteboards und Pinnwänden können die Mitarbeiter den aktuellen Arbeitsstatus und die Leistungsreports der Produkte verfolgen. Maximale Transparenz soll das Gemeinschaftsgefühl der Belegschaft stärken.

Die Firma ermöglicht ihren Mitarbeitern den kostenlosen Fitnessstudio-Zugang, im Büro gibt es Duschen, gemeinsames Trainieren von Yoga, Fußball und Laufen gehört ebenfalls dazu. Die Dachterrasse mit Blick auf die Alpen dient als Pausen- und After-Work-Location. Eine Rutsche verbindet die neu hinzugebauten Etagen miteinander. Florian Gschwandtner, Gründer und inzwischen ehemaliger Chef von Runtastic, erläutert: „Wenn du dich ein paar Sekunden lang wie ein Kind fühlst, hast du danach eine ganz andere Perspektive auf die Dinge.“ Die Wohlfühlatmosphäre soll die Kreativität beflügeln.

Ganzheitliches Mitarbeiterkonzept

Agil und informiert: kurze Stand-up-Meetings statt langer Arbeitssitzungen im Konferenzraum.

Agil und informiert: kurze Stand-up-Meetings statt langer Arbeitssitzungen im Konferenzraum.

Doch Employee Experience ist weit mehr als ein bloßer Kuschelalltag im Büro. Die Linzer Firma Symbios hat sich auf das Einrichten von ganzheitlich attraktiven Arbeitsumfeldern spezialisiert. Geschäftsführer Christian Vieira dos Santos weiß um die Komplexität solcher Prozesse. Deshalb müssten grundsätzlich alle mitziehen – „Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen.“ Die Hauptverantwortung liegt indes bei der Personalentwicklung: „Beim Human Ressource laufen die Fäden zusammen“, so Vieira dos Santos. Das Personalwesen werde daher mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert und mit Themen, „die traditionellerweise nicht zu dieser Funktion gezählt werden: Technologie, Raum und Arbeitsumfeld“.

Ein solch ganzheitlicher Ansatz ist auch bei Wüstenrot längst angekommen. Walter Novotny, Leiter Personal beim Finanzunternehmen, sagt: „Bei Wüstenrot verfolgen wir ganz klar den Ansatz, dass unsere Mitarbeiter eine positive und möglichst inspirierende Employee Experience erleben.“ Dies setzt bereits bei den neuen Mitarbeitern an: „Wir haben einen fließenden Übergang von einer Candidate zur Employee Experience. Denn unter den Bewerbern ist ja immer zumindest ein zukünftiger Mitarbeiter. Daher vermitteln unsere Recruiter und Führungskräfte schon bei den Vorstellungsgesprächen die Wüstenrot Employee Experience.“

Walter Novotny, Leiter Personal bei Wüstenrot

Walter Novotny, Leiter Personal bei Wüstenrot

Für einen optimalen Start bei Wüstenrot werden die neuen Kollegen in kleinen Gruppen an den monatlichen Welcome Days begrüßt und anschließend in zahlreichen On-Boarding-Schritten durch die Abteilungen geführt. „Der gesamte On-Boarding-Prozess dauert ein ganzes Jahr. Solange wollen wir den neuen Kollegen auch Zeit geben – denn das Einleben in ein so großes Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern und einer Vielzahl an Finanz- und Versicherungsprodukten benötigt einfach entsprechend Zeit“, erklärt Novotny.

Offene Feedback-Kultur

Team-Arbeit: Bei Wüstenrot erhalten neue Kollegen einen Coach zur Seite, der ihnen beim Jobeinstieg hilft.

Team-Arbeit: Bei Wüstenrot erhalten neue Kollegen einen Coach zur Seite, der ihnen beim Jobeinstieg hilft.

Ein wesentliches Instrument ist dabei eine offene und direkte Feedback-Kultur und die Einbindung der Kollegen in Entscheidungsprozesse. Dadurch kann Novotnys Team die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter fortlaufend aufnehmen und die Arbeitsabläufe entsprechend anpassen. „Indem wir dies als Firmenkultur definieren, schaffen wir ein kulturelles Umfeld, in dem wir ein positives und produktives Miteinander fördern und unterstützen“, so Novotny.

Deshalb tun sich bei Wüstenrot Berufsanfänger wie auch Quereinsteiger leicht. Finanzberater Mario Prinz, 23, war der Job in einem Lagerunternehmen zu eintönig, deshalb wechselte er in die Finanzberatung und schwärmt heute: „Kein Tag gleicht dem anderen.“ Genau diese Abwechslung habe er gesucht. Hier werde niemand ins kalte Wasser geworfen. Von Anfang an steht dir ein erfahrener Kollege als Coach zu Seite, auch die anderen Teammitglieder unterstützen die Neuen. Dazu kommen zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Die konnte auch Nicole Neuherz, 35, bei Wüstenrot nutzen. Die gelernte Fotografin startete 2008 als Quereinsteigerin, wurde nach der Grundausbildung schwanger, zwei Jahre später folgte ein zweites Kind. Ihren Wiedereinstieg 2015 hat sie in bester Erinnerung: „Mir sind alle Schulungen angeboten worden, die ich brauchte und wollte.“ Als zweifache Mutter kommen ihr die flexiblen Arbeitsmöglichkeiten sehr entgegen: „Man plant seine Tage selbst und hat damit auch seinen Erfolg selbst in der Hand. Und die Karrierechancen sind groß.“ Deshalb trägt zur ihrer Work-Life-Balance nicht nur bei, dass sie Beruf und Familie zeitlich gut vereinbaren kann, sondern auch das Gefühl, vom Unternehmen „wirklich unterstützt“ zu werden. „Das ist mir ganz wichtig. Man ist nicht allein und wird auch nicht allein gelassen.“