Berufe im Wandel:
So viel Innovation steckt in Landwirtschaft, Pflege und Handwerk

Unsere Arbeitswelt verändert sich radikal. Innovationen werden selbst in Berufsfeldern immer wichtiger, bei denen viele es nicht erwarten würden. Wir stellen drei vor.

Apps für den Acker: Technologie aus Österreich
©Farmdok

Apps für den Acker: Technologie aus Österreich

Wenn über Digitalisierung gesprochen wird, geht es immer wieder auch darum, wie die Arbeit der Zukunft aussehen wird. Wird ein Roboter mir meinen Job wegnehmen? Diese Frage beschäftigt viele Menschen. Es zeigt sich jedoch, dass die Digitalisierung viele Jobs nicht überflüssig macht, sondern sie vor allem verändert. Wir haben uns drei traditionelle Bereiche einmal genauer angeschaut, bei denen Außenstehende womöglich gar nicht wissen, wie fortschrittlich hier bereits gearbeitet wird.

Feldarbeit mit Smartphone

High Tech statt Romantik: Melkroboter im Einsatz
©Lely Österreich GmbH

High Tech statt Romantik: Melkroboter im Einsatz

Welche Bilder tauchen vor deinen Augen auf, wenn du an Landwirtschaft denkst? Die Bäuerin, die im Stall die Kühe melkt. Der Landwirt, der auf dem Traktor die Kartoffeln einfährt. Weizenfelder voller Strohballen. Oder diese?: Die Drohne, die große Agrarflächen aus der Luft auf Mangelerscheinungen und Schädlingsbefall inspiziert und diese bekämpft. Die Landwirtin, die mit dem Smartphone in der Hand die Anbauplanung aktualisiert und kontrolliert, welche Anbaubereiche besonders produktiv bewirtschaftet werden. Der Melkroboter, der nicht nur den Nährstoffgehalt der Milch jeder einzelnen Kuh misst, sondern auf Basis der vorhandenen Daten auch Vorschläge für die effizienteste Fütterung ableitet. 

So sieht Landwirtschaft in der Gegenwart aus. Technologie hat längst ihren festen Platz auf den Höfen und in den Ställen gefunden. Das US-amerikanische Analyseportal CB Insights hat 2017 eine Übersicht mit mehr als 100 jungen Technologiefirmen zusammengestellt, die innovative Lösungen für den Agrarbereich bieten. Von Software zur effizienten Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs über Drohnen und Sensoren zur Qualitätssicherung und vorausschauenden Analyse bis hin zu Handels- und Marketingplattformen – in jedem Bereich verspricht Technologie effizientere, nachhaltigere Arbeitsabläufe. Auf vielen Farmen und Feldern in den Vereinigten Staaten wird so gearbeitet. Aber nicht nur dort. 

Auch in Österreich sorgen Start-ups wie Farmdok mit ihren Technologien dafür, die vielen Daten, die auch in der Landwirtschaft anfallen, nutzbar zu machen. 2018 vom Online-Magazin Futurezone als App des Jahres ausgezeichnet, bietet Farmdok Landwirten die Möglichkeit, mit dem Smartphone die Feldarbeit zu koordinieren, dokumentieren und analysieren. Auch die Forschung beackert das Thema: Erst im vergangenen Herbst haben die TU Wien, die Veterinärmedizinische Universität Wien und die Universität für Bodenkultur Wien ein gemeinsames PhD-Großprojekt zu digitalen Technologien in der Landwirtschaft gestartet. Das zeigt: Daten sind auch in der Landwirtschaft der Nährstoff für künftigen Erfolg. 

Video-Chat in der Pflege

Hilfe bei Demenzerkrankungen: „Virtual Reality”-Brillen

Hilfe bei Demenzerkrankungen: „Virtual Reality”-Brillen

In den Debatten rund um den Fachkräftemangel in der Pflege taucht ein Bild immer wieder auf: der Roboter, der die Betreuung von Alten und Kranken übernimmt. Was in Japan konkrete Formen annimmt, wird sich in Europa vermutlich nicht so schnell durchsetzen. Doch auch hierzulande wird in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder in der ambulanten Versorgung bereits jede Menge Technologie eingesetzt. Vor allem mit einem Ziel: Die Pflegenden zu entlasten, ihnen Routinetätigkeiten abzunehmen und so mehr Zeit für die eigentliche Betreuung der Pflegebedürftigen zu schaffen. 

Dank fahrbarer Computer oder Laptops können Pflegende in Altenheimen direkt im Zimmer die Patientendaten aktualisieren. Armbänder mit Sensoren warnen, falls sich jemand in Gefahr bringt oder stürzt. Transponder in Fußmatten vor Ausgangstüren haben einen ähnlichen Zweck. Auch smarte Möbel helfen: Mit Sensoren ausgestattete Betten geben ein Signal, wenn die Matratze feucht geworden ist und die Bettwäsche gewechselt werden sollte. Unter Inkontinenz leidenden Personen kann so diskret und im richtigen Moment geholfen werden. Auch Druckgeschwüren wird vorgebeugt. 

Telemedizin ist eine Möglichkeit, Spezialisten bei Bedarf per Video-Chat beratend hinzuzuschalten. Zwar steckt die Umsetzung in Österreich aktuell noch in den Kinderschuhen, doch einzelne Projekte weisen bereits in die Richtung. In Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut Digital Health and Patient Safety in Wien ermöglicht das Caritas-Pflegeheim St. Teresa externen Ärzten Zugriff auf das interne Dokumentationssystem und die Laborwerte der Patienten

Neben der Entlastung der Pflegenden bietet Technologie aber auch den betreuten Personen neue Möglichkeiten für Aktivität und Unterhaltung. Ein Caritas-Altenzentrum in Köln etwa setzt Virtual-Reality-Brillen zur Biografie-Arbeit bei Demenzkranken ein. Diese können dank virtueller Spaziergänge durch die Stadt an Orte ihrer Vergangenheit zurückkehren und so Erinnerungen wach halten.

Handwerk mit digitalen Werkzeugen

Goldschmiedekunst aus dem 3D-Drucker
©Boltenstern

Goldschmiedekunst aus dem 3D-Drucker

Wie sieht es aus in handwerklichen Berufen, die ganz buchstäblich in der analogen Welt verankert sind?  Ähnlich wie in der Landwirtschaft wandern auch im Handwerk organisatorische Prozesse in digitale Räume. Die Betriebsorganisation läuft mit Hilfe von Software und Apps, die Kundenansprache über das Internet und der Einkauf von Werkstoffen oder Maschinen nicht mehr über Bestellformulare per Fax, sondern über spezialisierte Online-Plattformen. Ähnlich verhält es sich mit Terminen für den Haarschnitt, die Massage oder die Fußpflege.

Doch auch die handwerkliche Arbeit selbst erfährt einen Wandel. Marie Boltenstern ist ein eindrucksvolles Beispiel für eine Symbiose aus Handwerkskunst und Digitalisierung. Die studierte Architektin aus Wien übernahm vor einigen Jahren das Geschäft ihres Vaters, des bekannten Goldschmieds Sven Boltenstern. Seitdem kommt der Goldschmuck der Boltensterns aus dem 3D-Drucker. Mit ihrem Team aus Programmierern entwirft Marie Boltenstern auf Basis mathematischer Algorithmen individuelle geometrische Figuren. Die Daten werden an einen Metall-3D-Drucker gesendet, der aus feinem Gold- und Silberstaub die digitalen Modelle zur physischen Form werden lässt. Der Feinschliff liegt dann wieder in der Hand von gelernten Goldschmieden.