Trend Urban Gardening

Urban Gardening bedeutet Garteln in der Stadt. Doch es ist weit mehr als das. Es ist Gemeinschaft, Natur und die Achtung des regionalen Anbaus. In Österreich gibt es viele Angebote dazu.

Mit den Händen tief in der Erde graben und eigens im Beet gesetzten Gemüsepflanzen beim Wachsen zusehen – das kann wie Meditation sein und entschleunigt herrlich vom Alltag. Doch wer heute in einer größeren Stadt lebt, kann nur selten einen großen Garten sein Eigen nennen. Auf die grüne Auszeit verzichten wollen Städter dennoch nicht. Eine Lösung ist heute Urban Gardening, das Stadtgärtnern, das sich in den vergangenen Jahren zur echten Gartenalternative zwischen Beton und Blumenkübeln entwickelt hat und viele neue Hobbygärtner begeistert. 

Denn mit der Erfahrung zeigt sich, dass es beim Urban Gardening nicht nur um das Anpflanzen und Begrünen grauer Stadtatmosphäre geht, sondern um erlebte Gemeinschaft, wie sie möglicherweise oft nur noch auf dem Land unter Nachbarn zu finden ist. Weg von der immer mehr Ich-bezogenen Leistungsgesellschaft, hin zum wir in der Natur. Gemeinschaftsgarteln lautet das Stichwort!

Wien ist grün

In Wien existieren bereits zahlreiche grüne Projekte, die zeigen: Man hat einen grünen Nerv in der Bevölkerung getroffen. Seit 2011 können Kinder, Jugendliche und Erwachsene beispielsweise auf der Cityfarm Schönbrunn, einem Erlebnisgarten und Wiens erster „Children’s Garden“, auf 4.000 Quadratmetern Pflanzen anbauen, an Gartenworkshops oder auch Verkostungen von seltenen Gemüsesorten teilnehmen. Schöner könnte das Areal der Kammermeierei, wo einst Kaiserin Sissi ihre Tiere weiden ließ, nicht genutzt werden.

Seit 2012 engagieren sich viele Bewohnerinnen und Bewohner der Entwicklungszone Nordbahnhof im zweiten Wiener Gemeindebezirk im Verein Mintzgarten. Hier steht der soziale Zusammenhalt klar im Vordergrund. Dafür wurden gemeinsam Obst-, Gemüse- und Kräuterbeete angebaut. Beim Gärtnern in der Gruppe bringen sich die Teilnehmer gegenseitig Wissenswertes und Fähigkeiten rund ums grüner Wohnen bei.

© CityFarm Wien

Selber ernten

Auch Selbsternteflächen sind eine sinnvolle Bereicherung für naturliebende österreichische Stadtbewohner. Im Wiener Hietzing, Siebenhirten, Erlaa und Hirschstetten sowie in Niederösterreich und in der Steiermark werden gepflanzte Parzellen gegen ein Nutzungsentgelt an Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner vermietet. Die Böden werden professionell vorbereitet, sodass direkt mit dem gärtnern und schließlich ernten bester Bio-Gemüse- und Obstsorten gestartet werden kann.

Nicht eigener, sondern Nachbarschaftsgarten

Um die Lebensqualität in teils dicht bebauten Vierteln Wiens zu erhöhen und das Nachbarschaftsgefühl zu stärken, ist im Sommer mithilfe der Bewohnerinnen und Bewohner des 10. Bezirks und der Gebietsbetreuung auch im Helmut-Zilk-Park ein Nachbarschaftsgarten entstanden. 30 Haushalte gehören zu den Gründungsmitgliedern. Der Garten ist offen für neue Mitglieder und Bewohner des Sonnwendviertels – ganz gleich, ob diese jung oder alt, fit im Gärtnern oder Anfänger, gut situiert oder eher prekär lebend sind. Diese grüne Oase soll mit Erntefesten, Workshops und Naschhecken eine Bereicherung für alle sein.

© CityFarm Wien

Tauschbörsen

Ebenso eine sozial-grüne Idee steht hinter der Gemüse- und Kräutertauschbörse in Leoben, die erst unlängst ins Leben gerufen wurde. Das Ziel: Alles, was an Ernte zu viel und übrigbleibt, kann getauscht oder verschenkt werden. Ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft. „Urban gardening ist zum Trend geworden. Viele Hobbygärtner haben aber das Problem, dass große Mengen desselben Gemüses gleichzeitig reif werden“, sagt Initiator Daniel Geiger auf meinbezirk.at. „Man steht dann mit 20 Zucchini da und weiß nicht, wie man diese verarbeiten soll. Ein anderer hat das gleiche Problem mit Karotten. Genau hier soll die Tauschbörse hilfreich sein. Jeder Biogärtner und Liebhaber ist bei uns willkommen." Auf der Facebook-Seite herrscht bereits reges (Tausch-)Treiben unter den Hobbygärtnern.

Urban Farmin: Garteln in groß

Sechsmal in Linz und je einmal in Wels, Steyr, Enns, Leonding und Traun haben sich die Morgentaugärten als Oberösterreichs größtes Projekt einen Namen in Sachen Urban Farming gemacht: Hier kann je nach Ertragsbedarf eine Parzelle in passender Größe gemietet werden, auf der dann in der Saison von April bis November eigenes, regionales Biogemüse angebaut und geerntet wird. Die Pflanzen, Samen, Gartengeräte, der Wasseranschluss und vielfältiges Wissen zum guten Gelingen werden vor Ort zur Verfügung gestellt. Die Standorte liegen so zentral, dass sie alle gut zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. So geht Öko-Leben, das Spaß macht und gesund für Körper und Seele ist.

Was die Großmutter noch wusste

Auch in Graz hat man das Selbstanbauen für sich entdeckt: Wer noch spezielle Bepflanzungswünsche hat, findet in der Grazer Samenhandlung „Zum Schwarzen Rettig“, ehemals „Samen Köller“, gewiss Inspiration. Inhaberin Gabi Medan, die ihr Wissen über Kräuter und Blumen von ihrer Großmutter lernte, eröffnete den Laden im Jahr 2012 neu. Seitdem finden sowohl Schrebergarten-Liebhaber, als auch Freunde des Urban Gardenings alles, was das grüne Herz begehrt. Außerdem gibt es hier Lesungen und Vorträge zur ökologischen Gärtnerei.

Vor fünf Jahren hat die damalige schwarz-grüne Koalition in Graz das Fördern von Gemeinschaftsgärten in den Koalitionsvertrag geschrieben. Diese müssen öffentlich zugänglich, ab 30 Quadratmeter groß und von mindestens acht Haushalten genutzt werden. Die Stadt bezuschusst seitdem jährlich die Gemeinschaftsgärtner mit Geld, das beispielsweise für Gerätschaften, Saatgut und Baumaterialien genutzt werden kann. 

Auch auf dem Balkon möglich

Urban Gardening funktioniert übrigens auch ganz privat, wie die Wienerin Michaela Majce auf ihrem Blog balkongarten.net beeindruckend zeigt: Auf ihrem 2,5 Quadratmeter großen Balkon wachsen und sprießen zahlreiche Gemüse- und Obstsorten, Blumen und Kräuter. Im Jahr 2014 erreichte Majce beim Urban Gardening Wettbewerb der AMA sogar den dritten Platz. Warum sie sich so in ihre Beete reinkniet? Sie liebt es, ihre kleine Oase beim Wachsen zu beobachten und findet es wichtig, einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit zu machen, was die eigene Ernährung angeht. „Bei den Sachen, die ich selbst angepflanzt habe, weiß ich, was drin ist“, schreibt sie. „Ich kann sie dann ernten, wenn sie wirklich reif sind – und den Unterschied schmeckt man! Ich bin davon überzeugt, dass wir alle mehr auf Regionalität achten müssten.“ Urban Gardening ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Apropos Balkone: Neben der Möglichkeit, eigene Lebensmittel anzubauen, lassen sich diese kleinen Außenflächen auch zur Stromerzeugung nutzen. In einem separaten Beitrag beschäftigen wir uns ausführlich mit dem Thema Balkonkraftwerke und wie diese zum Trend der städtischen Selbstversorgung beitragen können.