Lernende Computersysteme sollen uns helfen, gesund zu bleiben oder schneller wieder gesund zu werden. In einigen Bereichen laufen bereits Praxistests.
Eine Anamnese an den Schauplätzen der Medizin.

Jede Menge Messgeräte und Sensoren am Körper und in der Kleidung („wearables“), dazu Smartwatches am Handgelenk, die Körperfunktionen und Fitness überwachen – Professor Michael Snyder ist der beste Beweis, wie Big Data und selbstlernende Software die Gesundheitsbranche verändern. Pausenlos werden wichtige Vitalfunktionen wie Körpertemperatur, Herzfrequenz, Ruhepuls, Bewegungsintensität oder Schlafzeitenüberprüft. So erhielt der Professor für genetische und personalisierte Medizin an der kalifornischen Universität Standford sogar den Hinweis auf eine Erkrankung, bevor er sie selbst auch nur ahnte. So konnte er direkt einen Arzt konsultierten. Die Diagnose: Lyme-Borreliose, die durch Zeckenbisse übertragen wird und mit einem Antibiotikum, das nur in der Frühphase hilft, wirkungsvoll therapiert werden konnte.
Realtime-Daten als Frühwarnsystem für Erkrankungen: Bis vor einigen Jahren war das noch ein Zukunftsszenario. Doch die Diskussion über solche Frühwarnsysteme erhielt in Österreich im Dezember 2019 eine neue Dynamik, als zwei Grundschulen in Tirol nach dem Ausbruch einer Grippewelle für mehrere Tage geschlossen werden mussten. Datentracking könnte ein wichtiges Werkzeug sein, sagen Experten, um Epidemien wie eine solche Grippewelle vorherzusehen und Neuansteckungen zu vermeiden. Denn vor Grippe-Infektionen kann man sich effektiv schützen. Und dennoch sterben jedes Jahr weltweit 650.000 Menschen an der Influenza.
Künstliche Intelligenz könnte die Gesundheitsbranche radikal umkrempeln
Wir stellen drei Bereiche der Medizin vor, die sich durch die Auswertung großer Datenmengen gepaart mit Künstlicher Intelligenz grundlegend verändern werden – und wie schlaue Softwaresysteme schon heute dabei helfen:
1. Monitoring und Prävention: Wenn die Smartwatch Erkrankungen bemerkt
Wearables wie Smartwatches oder Aktivitäts-Tracker, die kontinuierlich die Herzraten und andere wichtige Vitalwerte messen, werden in der Zukunft eine wichtige Rolle bei der Vorhersage von Erkrankungen spielen. Künftig werden signifikante Abweichungen bei wesentlichen Körperdaten automatisch analysiert: Ist etwa ein erhöhter Puls die Folge der gerade nach Hause geschleppten Einkäufe? Oder weisen die Daten in Kombination mit anderen Informationen und der Vorgeschichte des Patienten auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hin? So können Krankheiten im Frühstadium erkannt und schneller und effektiv behandelt werden.
Von neuen Monitoring-Technologien könnten auch Senioren besonders profitieren. So unterstützt etwa die Stadt Wien im Rahmen ihrer Strategie zum Einsatz Künstlicher Intelligenz das Forschungsprojekt WAALTeR(„Wiener Active Assisted Living TestRegion”), das in 140 Wiener Haushalten Technologien für ältere Menschen testet. Dabei werden Daten von der Blutdruck- oder Blutzuckermessung automatisch an den Hausarzt übertragen, außerdem gibt es einen Sensor, der Stürze wahrnimmt und ein Erinnerungsmanagement für wichtige Termine.
2. Diagnostik: Wenn Computer Röntgenbilder auswerten
Heute entscheiden fast ausschließlich das Wissen und die Analysefähigkeit des Arztes darüber, ob etwa eine Krebsmetastase auf dem Röntgenbild als solche richtig erkannt wird. Künftig helfen bei der Diagnose intelligente Softwaresysteme, die mit jedem analysierten Röntgenbild ein wenig klüger werden. So hat Google Health eine Software entwickelt, die Tumore im Brustgewebe frühzeitig erkennen kann. Ergebnis: Das Programm „DeepMind“ hat Tumore mit einer Genauigkeit identifiziert wie erfolgreiche Radiologen – und sogar besser. Das berichtet die englischsprachige Fachzeitschrift „Nature“.
Auch das Wiener Start-up contextflow arbeitet an einer Suchmaschine, die die Arbeit der Radiologen nachhaltig verändern könnte. Die Wissenschaftler trainieren mithilfe von Deep Learning eine Software, die in medizinischen Bildquellen von CT- oder MRT-Scans bestimmte Muster erkennen und mit Vergleichsdaten aus weiteren Datenbanken abgleichen und darstellen soll – und dies alles innerhalb von Sekunden. Auf diese Weise sollen Diagnosen schneller und präziser werden. In Österreich leben übrigens derzeit etwa 400.000 Menschen mit der Diagnose Krebs. Jährlich kommen um die 37.000 Neuerkrankungen dazu.
3. Therapien: Wenn komplizierte Wechselwirkungen keine Gefahr mehr sind
Wer an einer chronischen Krankheit leidet, ist oft ein Leben lang auf viele verschiedene Medikamente angewiesen. Intelligente Systeme können künftig die Suche nach neuen Arzneimitteln oder Behandlungsmethoden deutlich effizienter machen, die optimale Dosierung für den Einzelnen berechnen und so Nebenwirkungen und Wechselwirkungen verringern. Das zeigt zum Beispiel die Wiener Kapsch BusinessCom, die an unterschiedlichen Projekten in diesem Bereich arbeitet. Dazu zählen Verfahren zur Bilderkennung für das Aufspüren von Leberschädigungen, aber auch automatisierte Methoden zur Informationsanalyse über Medikation, Inhaltsstoffe, Wirkstoffe und Dosierung. Langfristiges Ziel ist es, den Einsatz von Medikamenten zu optimieren sowie außerdem – im Abgleich mit internationalen Datenbanken – mögliche unerwünschte Wechselwirkungen frühzeitig zu erkennen.
Ein anderes Beispiel für personalisierte Therapien ist das deutsche Forschungsprojekt Biontech in Kooperation mit dem US-Unternehmen Genentech. Schwerpunkt der Arbeit hier ist die Entwicklung und Herstellung von neuartigen und individuellen Medikamenten zur Behandlung von Krebs und anderen schweren Krankheiten. Ob und wie diese Konzepte in der Praxis funktionieren, müssen noch größere Studien beweisen.
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