#InventedInAustria:
Der Würfelzucker

Österreicher sind erfindungsreich – das zeigen wir in unserer Serie „Invented in Austria“. Folge 4 erzählt vom Zuckerraffinerie-Direktor Jacob Joseph Rad, der den Zucker in eine serviertaugliche Form brachte. Eine maßgebliche Rolle spielte dabei seine Frau Juliane.

Wie bekommt man Zucker verletzungsfrei in eine Tasse?

Wie bekommt man Zucker verletzungsfrei in eine Tasse?

Wer sich seinen Kaffee oder Tee mit Zucker versüßen wollte, ging zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch ein Wagnis ein. Die handelsüblichen Zuckerhüte waren gut anderthalb Meter hoch, und wer ein Stück aus dem steinharten Kegel herausbrechen wollte, der musste mit Hammer und Zange hantieren – Verletzungen nicht ausgeschlossen. Ein derartiger Unfall hat offenbar auch die Erfindung des Würfelzuckers auf den Weg gebracht.

Juliane Rad war die Frau des Direktors der örtlichen Zuckerraffinerie im mährischen Dačice (Datschitz) – damals Teil des Kaisertums Österreich, heute Tschechische Republik. Frau Rad verköstigte im August 1841 eine Kaffeegesellschaft. Der Überlieferung nach verletzte sie sich beim „Abknippen“ des Zuckers am Finger und Blut tropfte auf den teuren Süßstoff. Die verärgerte Frau Direktor trug ihrem Gatten auf, doch endlich einmal etwas Vernünftiges zu erfinden: Er möge den Zucker in eine Form bringen, in der er ungefährlich in die Tasse gegeben werden kann.

350 Würfel Zucker, verpackt wie Pralinen

Der Ehrgeiz von Jacob Christoph Rad war geweckt. Der gelernte Drogist und begeisterte Erfinder saß schließlich direkt an der Quelle. In den folgenden Wochen tüftelte er an einer Maschine, mit der er das feine Mehl von noch nicht getrockneten Rübenzuckerhüten in eine Metallform, ähnlich dem heute üblichen Eiswürfelbehälter, pressen konnte. Drei Monate später überreichte er seiner Frau eine Schachtel mit 350 weißen und rosafarbenen Zuckerwürfeln.

Für seine Erfindung erhielt Rad am 23. Januar 1843 ein fünfjähriges kaiserlich-königliches Privileg. Im selben Jahr brachte er die Produktneuheit als „Wiener Würfelzucker“ oder auch „Thee-Zucker“ mit der Datschitzer Raffinerie auf der Verpackung auf den Markt. Die Herstellung lief auf Hochtouren: Mehr als 1.000 Kilogramm Würfelzucker produzierte die Fabrik täglich. Das neue Produkt verbreitete sich über Mähren hinaus, neue Lagerflächen entstanden in Brünn, Wien und Lemberg.

Dem Thema Zucker blieb er treu

 Jacob Christoph Rad verkaufte sein Patent nach Preußen, Sachsen, Bayern, England und in die Schweiz. Die wirtschaftliche Lage der Raffinerie verschlechterte sich allerdings bereits Mitte der 1840er Jahre. Rad zog mit seiner Familie nach Wien, wo er für drei Jahre als Sekretär der Handelskammer tätig war und an einer seiner früheren Erfindungen weiterarbeitete: einem optischen Telegrafensystem, das allerdings keine Anwendung fand. So wandte sich Rad wieder seinem Erfolgsthema Zucker zu, zuletzt vor allem publizistisch.

Als Geschäftsführer und Redakteur des „Vereins für Rübenzucker-Industrie im Kaiserthum Österreich“ brachte er die Zeitschrift „Marktbericht“ heraus und beschäftigte sich mit Zollbestimmungen und steuerpolitischen Aspekten rund um den Zucker. Da er ein bescheidener Mensch war, versah er seine Schriften nicht mit dem eigenen Namen – und geriet nach seinem Tod am 13. Oktober 1871 bald in Vergessenheit.

Ein Denkmal für den Zuckerwürfel in Dačice (Datschitz)
© Frydolin, CC BY 3.0

Ein Denkmal für den Zuckerwürfel in Dačice (Datschitz)

In Dačice erinnert seit 1983 ein Denkmal mit einem auf der Spitze balancierenden Zuckerwürfel zwar nicht an den Erfinder, doch daran, dass in diesem Ort vor mehr als 150 Jahren der Zucker eckig wurde.

Folge 1: Die mechanische Nähhand
Folge 2: Die Dehnung der Zeit
Folge 3: Die Tubenzahnpasta