„Hör auf Deinen Bauch“

Zenon Huskić arbeitet als Product Owner im EDV-Bereich bei Wüstenrot. Doch in seinem Zweitjob geht er einer ganz anderen Tätigkeit nach. Als Heilpraktiker informiert er seine Patienten nicht nur über Kardinalfehler bei der Ernährung – er hat auch schon Kollegen geholfen, die unter körperlichen Problemen leiden.

© marcel köhler

Herr Huskić, Sie arbeiten im EDV-Bereich als Product Owner Sparen und Finanzieren für Wüstenrot – und haben sich nebenbei noch als Heilpraktiker selbstständig gemacht. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Kombination?

Ich habe mich schon in meiner Jugend für alles Wissenswerte rund um die Gesundheit interessiert. Ich komme aus Bosnien und viele meiner Familienmitglieder sind Ärzte oder Krankenschwestern. Auch ich wollte daher eigentlich Medizin studieren. Allerdings hat der Bosnienkrieg diese Pläne durchkreuzt: Plötzlich musste ich an die Front, statt in den Hörsaal. Als der Krieg dann vorbei war, habe ich mich aus Zeitgründen für ein Informatikstudium entschieden. Ich bin nach Österreich gekommen und arbeite seit 2003 im Datenservice für Wüstenrot. Ein Umfeld, das mich täglich aufs Neue begeistert.

Und doch hat Sie die Leidenschaft für die Medizin nie richtig losgelassen.

Richtig. Diese Leidenschaft wurde im Jahr 2010 wieder erweckt. Durch einen Sportunfall (Kreuzbandriss) im Jahr 2008 und viele Komplikationen, die sich nach der OP ergeben haben, kam die Heilung leider nicht richtig voran. Ich machte viele verschiedene Therapien durch, die mir leider nicht so viel geholfen haben. Es hat geheißen, dass nur ein künstliches Kniegelenk die Lösung sei. Daraufhin begann ich selber, viel zu lesen und zu recherchieren, was noch möglich ist. Ich landete bei einem Heilpraktiker in Berchtesgaden, der mir weiterhelfen konnte. Er hat meine Leidenschaft für die Medizin erkannt und mir spontan vorgeschlagen die Heilpraktiker-Ausbildung zu machen und danach als Heilpraktiker tätig zu werden. Ich habe dann die Chance ergriffen, in Deutschland eine Ausbildung zum Heilpraktiker zu machen. Und seit 2012 bin ich Heilpraktiker. Seit 2015 führe ich meine eigene Praxis direkt hinter der Grenze in Freilassing. Dort bin ich zwei bis drei Nachmittage in der Woche und behandle meine Patienten. Glücklicherweise ist das mit meiner Arbeit bei Wüstenrot sehr gut vereinbar, dafür bin ich wirklich dankbar.

Auf welche Gebiete haben Sie sich spezialisiert?

Zum einen die Orthopädie, also alles, was mit dem Bewegungsapparat zu tun hat. Auf der anderen Seite ist der Stoffwechsel eines meiner Steckenpferde. Für viele Leute ist gerade die Verdauung ein großes Thema: Wie esse ich richtig? Wie trinke ich richtig?

Wieso braucht es für derart grundsätzliche Fragen einen Experten?

Weil die Menschen verlernt haben, ihrer Intuition zu folgen. Um es am Beispiel Essen festzumachen: Der Urmensch hat sich bewegen und anstrengen müssen, um an Nahrung zu kommen. Termindruck kannte er nicht. Bei uns muss heute alles schneller gehen. Wir fahren mit dem Auto zum Supermarkt oder lassen uns das Essen liefern – und schlingen es im Stress dann viel zu schnell herunter. Dadurch, dass zu wenig im Mund vorgekaut wird, wird der Magen unnötig belastet. Das kann Geschwüre zur Folge haben. Ein anderes Thema ist dann wiederum, was wir essen.

Was wird dabei am häufigsten falsch gemacht?

Auffällig ist momentan, dass wir gerade in den westlichen Ländern zu viele saure Sachen essen. Das bezieht sich in dem Fall nicht auf den Geschmack, sondern auf den pH-Wert. Wer sein Basen-Säure-Milieu in der Balance halten will, der sollte auf zu viel Weizen, Süßigkeiten aber auch Fleisch verzichten. Und stattdessen viel Gemüse und Obst zu sich nehmen.

Das klingt erst einmal nach Verzicht: Sündigen Sie selber nie?

Oh doch (lacht). In Bosnien haben wir beispielsweise ein Gericht aus frischem Kalbsfleisch und Kartoffeln, das in einem Gefäß aus Gusseisen geschmort wird. Das ist zwar nicht basisch – aber verdammt lecker. Ich komme da nicht drumherum. Das will ich aber auch gar nicht: Wir brauchen schließlich auch Genuss. Ich predige auch keine strenge Diät. Ich meine nur, dass man sich bewusster machen sollte, was und wie man isst.

Es gibt ungesundes Essen und es gibt ungesunde Getränke. Aber kann ich auch etwas falsch machen, wenn ich etwas Essenzielles wie Wasser trinke?

Auf jeden Fall. Und auch hier ist die Menge wieder der entscheidende Punkt. Ich bin immer noch häufig überrascht, wie viele Menschen nicht ausreichend trinken. Manche nehmen am Tag nur einen halben Liter zu sich und wundern sich dann, dass sie Probleme haben. Da antworte ich dann: Freuen Sie sich lieber, dass Sie überhaupt noch leben (lacht). Genauso ungut ist es aber, große Mengen auf einen Schlag in sich hineinzuschütten. Wir sind Menschen und keine Kamele. Das bedeutet, dass wir Flüssigkeit nicht über einen größeren Zeitraum speichern können. Unser Körper ist mit einer großen Menge überfordert. Vergleichen Sie es mit einer Infusion: Da wird auch nicht der komplette Wirkstoff auf einmal verabreicht. Stattdessen gelangt das Präparat tröpfchenweise in den Körper, sodass dieser zu jeder Zeit mit der optimalen Menge versorgt ist. Und so sollten Sie auch trinken: wenige, kleine Schlucke, aber regelmäßig.

Grundsätzlich sind das simple Maßnahmen …

… mit denen man aber sehr weit kommen kann. An der Stelle nehme ich auch das Schulsystem in die Pflicht. Da werden oft die kompliziertesten Sachen unterrichtet – und darüber praktische Grundsätze vergessen. Dazu gehören für mich auch Untersuchungen der Zähne und des Bewegungsapparats. Kleine Fehlstellungen können bereits die Ursache für ausstrahlende Probleme sein.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Ich habe zum Beispiel einen Kollegen. Wenn wir zusammen essen waren, habe ich jedes Mal gehört, wie sein Kiefergelenk gekracht hat. Ich habe ihn gefragt, was los sei und er meinte, dass er sich damit bereits seit einigen Jahren herumschlage, ohne eine Lösung zu finden. Ich habe ihm angeboten, ihn bei mir in der Praxis durchzuchecken. Dabei haben wir festgestellt, dass er einen Beckenschiefstand hat und eines seiner Beine etwas kürzer ist als das andere. Diese Problematik lässt sich durch eine einfache Übung vor dem Schlafengehen beheben. Und tatsächlich: Letztendlich war das der Grund für die Probleme im Kiefergelenk. Für den Kollegen war es eine große Erleichterung, endlich zu wissen, woran er ist. Das zeigt, inwieweit sich solche grundlegenden Untersuchungen lohnen. Wem es körperlich gut geht, der ist auch mental viel besser drauf. Und für mich ist es ein großer Antrieb, dazu meinen Teil beitragen zu können.

Versteckt sich in diesem Beispiel auch Kritik an der klassischen Schulmedizin?

Ich glaube, dass dort in vielen Fällen zu schnell operiert wird, statt sich zunächst einmal mit tiefergehenden Hintergründen eines körperlichen Problems zu beschäftigen. Grundsätzlich aber glaube ich, dass sich Schul- und Alternativmedizin sehr gut ergänzen. Wenn sich beispielsweise jemand das Knie zertrümmert hat, ist völlig klar, dass das nur mit einem operativen Eingriff zu beheben ist. Aber als Heilpraktiker habe ich in vielen Fällen einen ganzheitlicheren Blick auf die Dinge und sehe dadurch neue Möglichkeiten, ein Problem anzugehen. Ich will den Menschen helfen, ihre Intuition wieder zu entdecken, die Balance ihres Körpers wieder zu finden. Wenn ich das schaffe, dann habe ich mein persönliches Ziel erreicht.