Wien trifft die Welt – die Küche der Haya Molcho

Haya Molcho hat mit orientalisch geprägter Küche Wien erobert. Wir sprachen mit ihr über Wien, Tel Aviv und ihr aktuelles Buch – aus dem sie uns vier Rezepte für ein sommerliches Menü verrät.
(Interview aus dem Sommer 2021)

Haya Molcho: Kochen mit Leidenschaft
©Brandstätter Verlag

Haya Molcho: Kochen mit Leidenschaft

Die Wiener Gastronomin Haya Molcho ist ein Phänomen. In einem Alter, in dem andere bereits den Ruhestand in den Blick nehmen, legte sie so richtig los. Und ist seitdem nicht mehr zu stoppen. Ihre Leidenschaft: Das Kochen. Kulinarisch geprägt hat sie ihre Heimat Israel. Unterstützt von drei Söhnen mischte sie mit ihrem NENI Restaurant die Wiener Gastronomie auf. Schnell folgten NENI-Ableger in ganz Europa, NENI-Lebensmittel und eine NENI-Kochschule.

Außerdem ist Haya Molcho erfolgreiche Kochbuchautorin. Nach einem Buch zu Tel Aviv hat sie zuletzt ein Wien-Buch veröffentlich, das mehr ist als ein Kochbuch. Hier stellt Molcho ihre Wiener Lieblingsorte, befreundete Handwerker, Wirtinnen, Köche und deren Gerichte vor. Wir hatten Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit Molcho – natürlich in der Küche. 

Frau Molcho, in Ihrem Wien-Buch findet sich ein Couscous, eine Taina, Latkes – nicht unbedingt Gerichte, die man mit Wien verbindet. Wie kam die Auswahl der Rezepte in zustande?

Für mich ist Wien nicht nur Wien. Wien ist Gott sei Dank eine multikulturelle Stadt geworden, wo wir alle Einflüsse der Welt haben. Ich wollte Wien zeigen, wie es heute ist. Nicht das Wien, in das ich vor 43 Jahren gekommen bin, mit den verrauchten Gasthäusern und den grau gewordenen Gardinen.

Wir haben unsere Lieblingslokale ausgesucht, Köche, mit denen wir auch befreundet sind. Herausgekommen ist ein Potpourri, das von einer japanischen Küche bis zu einem Beisl im 15. Bezirk mit Krautrouladen und Schnitzel reicht. Dazu kommen unsere NENI-Rezepte. Und da habe ich zum Beispiel einen Wiener Knödel israelisch interpretiert – mit Dattelsirup anstatt Marillen: Orient trifft Okzident – in Wien.

Haben die Küche von Tel Aviv und die von Wien etwas Gemeinsames?

Israel ist ja ein Integrationsland, in das Juden aus aller Welt kamen. Da gibt es marokkanische, äthiopische, polnische, deutsche Küche. Das vergleiche ich mit Wien. Hier haben die Nachbarländer, wie zum Beispiel Böhmen, ganz viele Einflüsse in die Wiener Küche gebracht. Es ist eine bunte Mischung. Und genau das gefällt mir. Jetzt kommen neue Einwanderer, die Flüchtlinge, auch die bringen wieder etwas mit. Daraus kann man etwas machen, wenn man neugierig ist. In der Gastronomie darf man keine Angst vor dem Fremden haben. 

©Brandstätter Verlag

Wien by NENI, Food. People. Stories. "Der spannende Blick in die Kochtöpfe der Insider, Newcomer & Zuwanderer" von Haya Molcho und Nuriel Molcho (Fotos) ist erschienen im Brandstätter Verlag, 272 Seiten, 35 Euros

Wo hat, Ihrer Beobachtung nach, das Essen eine größere Bedeutung – in Tel Aviv oder Wien?

Ganz klar in Tel Aviv. Essen ist Thema Nummer eins. Die Großmütter kochen, die Mütter kochen, die Väter kochen. Man isst in der großen Familie, mit Gästen, mit Nachbarn. In Israel ist man sehr großzügig. Wenn Gäste kommen, biegt sich der Tisch. Hier dagegen kann es ja passieren, dass auf dem Teller nur drei Scheiben Schinken neben zwei Scheiben Käse liegen. Da muss ich dann vorher zu Hause essen (lacht). 

Welches österreichische Lebensmittel verdient mehr Aufmerksamkeit?

Was ich aus Österreich nach Israel mitbringe, ist das Kernöl. Ich mache zum Beispiel unsere orientalische Sesammasse, die Taina, mit Kernöl - eine Delikatesse. Dazu Tafelspitz und Kartoffelsalat. Das ist für mich die Verbindung von Israel und Österreich.

Welches der vielen Gewürze der orientalisch geprägten Küche von Tel Aviv sollte jeder Österreicher unbedingt ausprobieren und in sein Gewürzregal aufnehmen?

Ich liebe Zatar, ein getrockneter Oregano mit Meersalz und geröstetem Sesam. Das kann man für jeden Salat nehmen oder mit Frischkäse auf dem Brot. Das sollte jeder haben. Was ich auch liebe, ist Sumach, eine Beere, die nach Zitrone schmeckt. Das ist wunderbar auf Fisch oder Salat. Beide Gewürze kann man auch gut für österreichische Küche verwenden. 

Der Molcho-Clan: Drei der vier Söhne engagieren sich im Familien-Unternehmen
©Brandstätter Verlag

Der Molcho-Clan: Drei der vier Söhne engagieren sich im Familien-Unternehmen

Was sind Ihrer Ansicht nach die drei Hauptgründe für den Erfolg der NENI- Restaurants? 

Fleiß, Leidenschaft, Ausdauer. Wenn man Erfolg hat, sollte man nicht sagen „ich bin gut“, sondern „Ich kann noch besser werden“. Zum Beispiel war ich gerade im NENI am Prater, da soll eine Focaccia neu auf die Karte, gefüllt mit Auberginen, Tomaten und Chili-Koriander Pesto. Die soll nach Tel Aviv schmecken. Damit war ich noch nicht ganz zufrieden. Das heißt ich werde morgen in der Küche stehen, bis es perfekt ist. 

Und noch ein vierter Grund: Du musst ein guter Chef sein. Nicht mit Tellern schmeißen, sondern die Mitarbeiter motivieren.

Wie kommt es, dass Sie in einem Alter, in dem andere schon den Ruhestand im Blick haben, erst so richtig loslegen?

Am Anfang meiner Ehe war ich mit meinem Mann auf Tournee. Dann kamen die Kinder und ich wollte mit den vier Burschen zuhause bleiben. Und als der Kleinste 13 Jahre alt war, nach seiner Bar Mizwa, habe ich mit Catering angefangen. Aber Kochen war schon immer meine Leidenschaft. Ich möchte 120 Jahre alt werden. Das wirst du, wenn du glücklich bist, das machst, was dir Spaß macht und gern zur Arbeit gehst. 

Was schätzen Sie an Wien?

Ich liebe die Architektur, die grantigen Wiener, das Morbide, die Kunst, die Musik. Wien ist eine Künstler-Stadt, eine lebendige Stadt. Das liebe ich.

Frau Molcho, vielen Dank für das Gespräch.

 

Ein sommerliches Menü aus dem Wien-Buch von Haya Molcho & Söhnen
 

Die Vorspeise: Auberginen-Bulgur-Falafeln mit Tahina und Jalapeño-Salsa

Auberginen-Bulgur-Falafeln mit Tahina und Jalapeno-Salsa
©Brandstätter Verlag

Auberginen-Bulgur-Falafeln mit Tahina und Jalapeno-Salsa

Für vier Personen zur Vorspeise

Für die Falafeln:
250 g Bulgur
4 Auberginen
135 g geriebener
Kaschkawal, ersatzweise
Butterkäse
135 g geriebener würziger
Schafskäse
35 g fein geschnittene
Petersilie
35 g fein geschnittener
Koriander
7 g fein gehackte rote
Chilischote
3 g gemahlener
Kreuzkümmel
9 g Salz
2 EL Maisstärke
Öl zum Frittieren

Für die Jalapeño Salsa:
25 g grüne Chilischote
25 g eingelegte
Jalapeño
15 g Knoblauch
50 g Olivenöl
50 g Zitronensaft
5 EL Tahina

Für die Falafeln den Backofen auf 250 C Ober-/Unterhitze vorheizen. Den Bulgur in eine Schale geben und mit heißem Wasser bedecken. 15 Minuten abgedeckt ziehen lassen, anschließend in einem Sieb gut abtropfen lassen.

Die Auberginen ca. 15 Minuten imOfen garen, bis die Schale leicht aufplatzt. Nach der Hälfte der Garzeit einmal wenden. Das Innere der Auberginen auskratzen und
in einem Sieb abtropfen lassen. Anschließend klein hacken.

Bulgur und Auberginenfruchtfleisch mit den restlichen Zutaten gut vermischen.

Für die Salsa Chili und Jalapeño fein würfeln. Knoblauch schälen und ebenfalls fein würfeln. Alle Zutaten gut vermischen.

Ausreichend Öl in einem hohen Topf auf 160 C erhitzen (mit einem Thermometer prüfen). Mit
2 Esslöffeln Nocken aus der Falafelmasse formen und gold- bis dunkelbraun frittieren.

Falafeln auf einer Platte anrichten. Tahina in eine kleine Schüssel füllen und etwas Jalapeño-Salsa daraufgeben. Zum Dippen zu den Falafeln servieren.

Tipps:
Auberginen sollten nie bissfest gegart werden, sondern immer butterweich. Nur so entwickeln sie ihren tollen Geschmack.

Wer die Möglichkeit hat, legt die Auberginen am besten in offenes Feuer und wendet sie regelmäßig. Die Schale verbrennt und das Fruchtfleisch
wird herrlich geräuchert.

Die Hauptspeise: Quinoa-Linsen-Mujaddara mit karamellisierten und frittierten Zwiebeln

Quinoa-Linsen-Mujaddara mit karamellisierten und frittierten Zwiebeln
©Brandstätter Verlag

Quinoa-Linsen-Mujaddara mit karamellisierten und frittierten Zwiebeln

Für vier Personen als Hauptspeise

Für das Mujaddara:
150 g braune Linsen
Salz
150 g Quinoa
225 g Zwiebeln
40 g Traubenkernöl
15 g brauner Zucker
Bund Petersilie  
Bund Minze
5 Korianderstängel 2 Tomaten
2 g Baharat
3 g Hanföl

Für die frittierten
Zwiebeln:

Öl zum Frittieren
100 g Zwiebeln
3 EL Maisstärke

Zum Servieren:
4 g Hanfnüsse 4 EL griechischer Joghurt
Hanföl zum Beträufeln

 Für das Mujaddara die Linsen mit 300 g Wasser in einem Topf aufkochen. Ca. 18 Minuten weich garen, nach 9 Minuten 4 g Salz hinzugeben. Nach Ende der Kochzeit in einem Sieb abtropfen lassen.

Die Quinoa mit 200 g Wasser und 3 g Salz in einen Topf geben und aufkochen lassen. 15 Minuten bei niedriger Hitze garen.

Währenddessen die Zwiebeln schälen und in 1⁄2 cm dicke Ringe schneiden. Mit Öl und Zucker bei schwacher Hitze ca. 15 Minuten in einer Pfanne karamellisieren und einkochen lassen. Kräuterblättchen abzupfen und grob schneiden.
Tomaten in Stücke schneiden.

Für die frittierten Zwiebeln ausreichend Öl in einem hohen Topf auf ca. 180° C erhitzen (mit einem Thermometer prüfen). Die Zwiebeln schälen und in dünne Ringe schneiden. Mit der Maisstärke bestäuben und knusprig goldgelb frittieren. Aus dem Öl heben und auf Küchenpapier abtropfen lassen.

Quinoa mit Linsen, Baharat, Hanföl und den karamellisierten Zwiebeln vermischen und mit etwas Salz abschmecken. Auf Teller verteilen und die frittierten Zwiebeln, Tomaten und Kräuter darauf anrichten, mit Hanfnüssen bestreuen. Je ein EL Joghurt auf die Teller setzen und das Gericht mit Hanföl beträufeln.

Tipp:
Wer mag, kann die Quinoa durch braunen Reis ersetzen. Auch damit schmeckt das Gericht wundervoll.

 

Der Salat: Patricks gegrillte Salatherzen

"Patricks gegrillte Salatherzen"
©Brandstätter Verlag

"Patricks gegrillte Salatherzen"

Für vier Personen als Salat

Für die eingelegten grünen Erdbeeren:
500 g grüne Erdbeeren
30 g Ingwer
300 g Zucker
1 Stängel Zitronenverbene
60 g Zitronensaft

Für die gerösteten Haselnüsse:
80 g Haselnüsse

Für das Karottendressing:
20 g Ingwer
75 g Karottensaft
35 g Ananassaft
10 g Reisessig
15 g Honig
3 g Salz
15 g Limettensaft
12 g weiße Misopaste
25 g Traubenkernöl
2 g geröstetes Sesamöl 1 g Johannisbrotkernmehl (erhältlich im Reformhaus oder in der Apotheke)

Für das Harissaöl:
30 g Harissa 
70 g Olivenöl

Für die gegrillten Salatherzen:
2 Salatherzen
1 EL Olivenöl
1 Prise Salz, am besten Maldon-Salzflocken
1 Prise frisch gemahlener schwarzer Pfeffer Zitronenverbene zum Anrichten

Die eingelegten Erdbeeren am Vortag vorbereiten. Dazu den Backofen am Vortag auf 80° C Ober-/Unterhitze vorheizen. Erdbeeren in ein großes Einmachglas füllen.

Ingwer schälen und in grobe Stücke schneiden. 800 g Wasser mit Zucker, Ingwer und Zitronenverbene zum Kochen bringen. Zitronensaft hinzufügen und den Sirup vom Herd nehmen.

Abkühlen lassen und lauwarm über die Erdbeeren gießen. (Je nach Geschmack und Intensität des Sirups den Ingwer nach dem Abkühlen entfernen.) Das Glas verschließen und die Erdbeeren 30 Minuten im Backofen einkochen.

Anschließend herausnehmen und abkühlen lassen. Mindestens über Nacht ziehen lassen, am besten schmecken sie nach 2–3 Wochen.

Für die gerösteten Haselnüsse den Backofen auf 170° C Umluft vorheizen. Nüsse auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech verteilen und 6–8 Minuten rösten. Vollständig abkühlen lassen, anschließend grob hacken.

Für das Karottendressing den Ingwer schälen und fein reiben. Alle Zutaten in ein hohes Gefäß geben und mit einem Pürierstab zu einem feinen Dressing mixen. Es sollte leicht dickflüssig sein, gegebenenfalls den Anteil von Johannisbrotkernmehl erhöhen.

Harissa mit Olivenöl vermengen.

Die Salatherzen längs halbieren. Mit Olivenöl, Salz und Pfeffer marinieren. Eine Grillpfanne stark erhitzen, Salatherzen mit der Schnittfläche nach unten hineinlegen und kräftig rösten, bis deutliche Grillspuren zu sehen sind.

Je ein halbes Salatherz auf Teller legen, das Karottendressing au en herum träufeln. Die eingelegten Erdbeeren in Scheiben schneiden oder ganz darauf anrichten. Mit Harissaöl, gerösteten Haselnüssen und einigen Zitronenverbene-Blättern garnieren. Tipps: Die eingelegten grünen Erdbeeren schmecken super in Kombination mit einem Schokoladenkuchen.

Gekühlt halten die Erdbeeren 4–6 Wochen.

Die Nachspeise: Labneh-Eis

Labneh-Eis aus griechischem Joghurt
©Brandstätter Verlag

Labneh-Eis aus griechischem Joghurt

Für sechs Personen als Dessert

40 g Saft sowie fein abgeriebene Schale einer Bio-Zitrone
120 g Zucker
20 g Glucose
420 g Labneh*

Zitronensaft, Zucker und Glucose in einem Topf erhitzen und zwei Minuten leicht köcheln lassen. Labneh und Zitronenschale hinzufügen, rasch verrühren und abkühlen lassen. Anschließend in die Eismaschine füllen und gefrieren lassen.

Tipp: Das Eis schmeckt pur, mit kurz eingekochten Beeren und Kräutern oder als „Zugabe” für Kuchen und Strudel.

*Grundrezept Labneh:
1 kg griechischer Joghurt 1 TL Salz Joghurt und Salz verrühren, in ein Passier- oder Geschirrtuch geben, Tuch verknoten, an einen langen Kochlöffel binden und über Nacht über dem Waschbecken oder einer Schüssel abhängen lassen.

Je länger der Joghurt hängt, desto trockener wird er. Er kann anschließend wie in unseren Rezepten beschrieben verwendet oder zu Kugeln geformt, in Sesam oder anderen Gewürzen gerollt und dann in Öl eingelegt werden.