Weg vom Wegwerfen – Kreislaufwirtschaft im Bau

Wiederverwenden statt Wegwerfen: Das geht auch mit Gebäuden. Zirkuläres Bauen schont Ressourcen – und das Klima. Wir zeigen, wie es gelingen kann.

Noch ist die Kreislaufwirtschaft im Bau eine Idealvorstellung. Nicht erneuerbare Rohstoffe müssen vermieden werden.

Noch ist die Kreislaufwirtschaft im Bau eine Idealvorstellung. Nicht erneuerbare Rohstoffe müssen vermieden werden.

Zusammenfassung

Die Kreislaufwirtschaft im Bau, auch zirkuläres Bauen genannt, bedeutet, Material möglichst lange und immer wieder zu verwenden – Baumaterialien, Gebäudeteile oder auch ganze Gebäude. Gebäude werden möglichst dauerhaft gebaut und genutzt. Bei Bedarf werden sie umgebaut und nicht abgerissen. Gebaut wird vorzugsweise mit nachwachsenden Rohstoffen und recyceltem Material. Schon beim Bau wird darauf geachtet, dass Gebäude zurückgebaut, die Baustoffe voneinander getrennt und wiederverwendet werden können.

Bauen im Kreis

Subtanz erhalten ist besser als neu Bauen.

Subtanz erhalten ist besser als neu Bauen.

Für Dinge, die wir nur kurzzeitig benutzen und dann wegwerfen, begrenzte Rohstoffe verbrauchen – damit können wir nicht mehr lange weitermachen. Bei Flaschen und bei Papier ist Recycling inzwischen alltäglich. Bei Gebäuden wird es schwieriger. Aber auch beim Bau ist die Kreislauf-Idee angekommen. Das sind die wesentlichen Punkte:

Dauerhaftigkeit
Zunächst einmal geht es darum, vorhandene Gebäude möglichst lange zu nutzen und nicht abzureißen. Stattdessen werden sie repariert, modernisiert und durch Umbau und Erweiterung an veränderte Anforderungen angepasst. Neue Häuser werden für eine lange Lebenszeit gebaut – oder so, dass sie leicht umgebaut, auseinandergenommen und neu zusammengesetzt, verkleinert oder vergrößert werden können – wie zum Beispiel durch Modulbauweise.

Die richtigen Rohstoffe
Bei einem Neubau stammt ein möglichst hoher Anteil des Baumaterials entweder aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz, Lehm oder Stroh, die möglichst CO₂-neutral verarbeitet werden. Wenn sie nicht mehr wiederverwendet werden können, sind sie am Ende ihrer Lebenszeit biologisch komplett abbaubar. Oder es kommen sogenannte „Sekundärrohstoffe” zum Einsatz, die aus entsorgtem Material gewonnen werden – beispielsweise Teile aus Stahl oder Glas, die in einem nicht mehr gebrauchten Gebäude verbaut waren. Werden sie für einen neuen Bau weitergenutzt, bleiben sie im Kreislauf.

Recyclingfähigkeit
Welche Materialien auch verbaut werden – wichtig ist, dass sie sich bei einem zukünftigen Abriss wieder unkompliziert sortenrein trennen und wiederverwenden lassen. Brettlagen werden deshalb zum Beispiel nicht verleimt, sondern verschraubt. Aber es könnten auch ganze Bauteile so produziert und verbaut werden, dass sie sich später wiederverwenden lassen.

Darum ist zirkuläres Bauen wichtig

 Erneuerbarer Rohstoff: Dieses Holzbau-Projekt in Stans in Tirol wurde von Wüstenrot finanziert.

Erneuerbarer Rohstoff: Dieses Holzbau-Projekt in Stans in Tirol wurde von Wüstenrot finanziert.

In der Baubranche herrscht bisher noch Wegwerfmentalität vor. Wird ein Gebäude nicht mehr gebraucht, wird es abgerissen, die Baustoffe landen auf der Deponie. Es gibt kaum einen Wirtschaftssektor, der so viele Ressourcen verbraucht wie der Bausektor, etwa 50 Prozent des gesamten Verbrauchs gehen auf seine Kosten. Was wir verbauen und wie wir bauen, verbraucht mehr als 35 Prozent des weltweiten Energiebedarfs und verursacht damit mehr als die Hälfte aller klimaschädlichen Emissionen. Zugleich wird immer mehr gebaut, die Weltbevölkerung wächst und damit auch der Bedarf an Material. Das steht nicht unbegrenzt zur Verfügung. Ein Beispiel: Ein Hauptbestandteil von Beton ist Sand – und der wird knapp, weil nur 5 Prozent des Sandes auf der Erde für die Betonherstellung geeignet ist.

Heutige Bauprodukte, allen voran Beton, bestehen oft aus unterschiedlichen Materialien, sind miteinander verklebt oder mit Kunststoff beschichtet. Wird ein Gebäude abgerissen, lassen sich die Stoffe nicht mehr voneinander trennen –­ und deshalb meist nicht wiederverwenden. Sie enden als Sondermüll auf der Deponie. Allein in Österreich fallen laut Baustoff-Recycling Verband (BRV) jedes Jahr rund 12 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle und 42 Millionen Tonnen Bodenaushubmaterialien an. Insgesamt machen die Abfälle aus dem Baubereich rund drei Viertel der gesamten Abfallmenge aus.

Vorteile der Kreislaufwirtschaft

Beim zirkulären Bauen wandert im Idealfall nichts mehr im Müll, alles dient wieder als neues Material. Das schont unsere Ressourcen, vermeidet Abfälle, reduziert CO2-Emissionen und schützt damit nachhaltig unser Klima. Doch Kreislaufwirtschaft im Bau ist nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkt ein Gewinn, es rechnet sich auch finanziell: Zum Beispiel sinken die nicht unerheblichen Kosten für die Entsorgung oder das Deponieren von Bauabfällen im besten Fall auf null. Zirkuläres Bauen fördert auch Innovationen und neue Geschäftsideen, in der Recyclingindustrie entstehen neue Arbeitsplätze.

Herausforderungen

Bauschutt landet heute noch weitgehend auf der Deponie.

Bauschutt landet heute noch weitgehend auf der Deponie.

Kreislaufwirtschaft im Bau erfordert ein grundsätzliches Umdenken, eine größere Wertschätzung für Gebäude und einzelne Bauteile. Statt Bestand abzureißen und dann neu zu bauen, sollten der Umbau und die Wiederverwendung von Bauteilen Priorität haben. Gebäude sollten von vorneherein kreislauffähig geplant werden. Wer jedoch ein kreislauffähiges Gebäude errichtet, hat zunächst höhere Kosten. Erst wenn man den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet, rechnet sich dieser Aufwand.

Wer mit gebrauchten Materialien bauen will, muss wissen, welche es gerade überhaupt gibt und wie man an sie herankommt. Anders als neue Produkte sind sie nicht einfach auf dem Baustoffmarkt erhältlich. Bauteile, die wiederverwendet werden sollen, müssen bauaufsichtlich zugelassen sein. Ihre Eigenschaften, etwa die Güte eines Stahlbauteils, müssen nachgewiesen werden können. Doch für Re-use-Bauteile gibt es oft keine Normen und Zulassungen. Mit ihnen zu arbeiten, erfordert von Architektinnen und Bauingenieuren zudem Flexibilität, die Offenheit umzuplanen, wenn es beispielsweise das ursprünglich angedachte Bauteil gerade nicht gebraucht gibt und man umdisponieren muss

Das ist nötig, damit mehr zirkulär gebaut wird

Die Kreislaufwirtschaft im Bau ist in globaler Hinsicht notwendig und trägt zum Erreichen der Klimaziele bei. Da sie sich für Bauherren kurzfristig nicht rechnet, fristet sie bislang ein Nischendasein. Um das zu ändern, sind finanzielle Anreize und regulatorische Eingriffe des Staates erforderlich.

Der Architekt Matthias Romm, forschen planen bauen
© Kurt-Patzak

Der Architekt Matthias Romm, forschen planen bauen

Der Architekt Matthias Romm, Inhaber des Wiener Architekturbüros forschen planen bauen, beschäftigt sich mit Strategien für das zirkuläre Bauen. Die  Studie Kreislaufbauwirtschaft, die Romm zusammen mit dem österreichischen Umweltbundesamt, der Bundesimmobiliengesellschaft und dem Baustoffrecyclingverband erstellt hat, macht konkrete Vorschläge: Zum Beispiel eine verbindliche Quote zur Verwendung von Sekundärrohstoffen in Bauvorhaben oder eine Abgabe auf Rohstoffe („Rohstoff-Regenerierungsabgabe”). Deren Höhe würde an der Nachhaltigkeit der Baumaterialien und ihrer Energiebilanz über den gesamten Lebenszyklus hinweg bemessen, sprich: Je nachhaltiger, desto niedriger wäre die Abgabe.

Der aus Deutschland stammende Architekt Thomas Rau plädiert in einem Interview mit Mein Leben dafür , Gebäude nicht mehr in voller Höhe, sondern nur noch bis zu einem minimalen Restwert von 18 Prozent abschreiben zu können. Während ein Gebäude bei voller Abschreibung in der Bilanz keinen Wert mehr habe, trage eine begrenzte Abschreibung den wertvollen Materialien Rechnung. Und dann werde auch „die Wiederverwendung zu einer echten Alternative zur Deponie.“

„Material Matters“: Der Architekt Thomas Rau
© juliette polak/fleur koning

„Material Matters“: Der Architekt Thomas Rau

Aber das Schließen von Kreisläufen sei nicht genug, sagt der Architekt Romm von forschen planen bauen. „Wichtig ist, den Materialbedarf zu reduzieren.“ Denn einem jährlichen Abfallaufkommen im Bau von etwa 54 Millionen Tonnen stehe ein Rohstoffbedarf von 200 Millionen Tonnen gegenüber. Es lässt sich also nicht annähernd so viel Baumaterial wiederverwenden, wie gebraucht wird.

So geht zirkuläres Bauen

Ein wichtiger Schritt, um die Kreislaufwirtschaft im Bau voranzubringen und auch Verantwortliche darin zu unterstützen, sind Materialpässe. Solche Ressourcenpässe dokumentieren die verbauten Materialien und Produkte und geben auch Auskunft darüber, wie viel CO2 sie binden und wie kreislauffähig sie nach einem Umbau oder Abriss sind. Damit machen sie auch den (finanziellen) Wert der Materialien sichtbar und zeigen, dass ihre erneute Nutzung eine echte Alternative zum teuren Deponieren sein kann. In Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung solch ein Ressourcenpass verpflichtend werden. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat bereits einen Entwurf vorgelegt. In Österreich ist ein solcher verbindlicher Gebäudepass bislang nicht geplant.

Das Büro des Architekten Thomas Rau hat einen solchen Pass, den Bauverantwortliche und Eigentümer freiwillig erstellen, 2012 ins Leben gerufen. In MEIN LEBEN sagt er dazu: „Wir wollen die Materialien damit aus der Anonymität holen, denn ohne Identität ist das benutzte Material bloß Abfall.“ Ebenfalls von Thomas Rau initiiert wurde die cloudbasierte Plattform Madaster. Das ist ein Kataster, in dem Eigentümer ihre Immobilien registrieren, ihren eigenen digitalen Pass erstellen und ihre Materialdaten hinterlegen. Das Madaster steht neben anderen europäischen Ländern auch in Österreich zur Verfügung.

Wer mit gebrauchten Materialien bauen will, kann sich wiederum in verschiedenen Material- und Bauteilkatalogen informieren. „Solche Plattformen wachsen derzeit überall wie Pilze aus dem Boden“, sagt Architekt Romm. „Immer mehr Bauteile kommen auf den Markt.“ Solche Kataloge sind wichtig, weil gebrauchte Produkte im Gegensatz zu Neuen nicht einfach auf dem Baustoffmarkt erhältlich sind.

Verwertungsorientierter Rückbau: ehemaliges Energie-Zentrum li.) und Ferry-Dusika-Stadion (re.), Wien
©harald jahn , baukarussel

Verwertungsorientierter Rückbau: ehemaliges Energie-Zentrum li.) und Ferry-Dusika-Stadion (re.), Wien

Eine gute Adresse ist zum Beispiel der österreichische Anbieter Baukarussell. Das Unternehmen hat sich dem verwertungsorientierten Rückbau großer Gebäude verschrieben. Es holt vor dem Abriss eines Objektes alle Komponenten heraus, die sich für einen Neu- oder Umbau wiederverwenden lassen, und dokumentiert sie. Eines der ersten Baukarussell-Projekte war der Rückbau des Coca-Cola-Werkes am Wienerberg im Süden Wiens. 450.000 Kilo Abfall konnten hier vermieden und 100.000 Euro Umsatz generiert werden. Baukarussell unterstützt außerdem Bauherren, die Material wiederverwenden und einen späteren Rückbau von Anfang an mitdenken wollen.

Rückbau OMV Gebäude in Wien, Wiederverwendung von Bauteilen in Außenanlagen
©materialnomaden

Rückbau OMV Gebäude in Wien, Wiederverwendung von Bauteilen in Außenanlagen

Die Materialnomaden aus Wien befassen sich ebenfalls mit Kreislaufwirtschaft im Bau und bieten zum Beispiel Dienstleistungen zur Bewertung von Material und Gebäudekomponenten an oder erstellen Machbarkeitsstudien und Bauteilkataloge, mit denen das Re-use-Potenzial bewertet wird. Eine praktische Hilfe, um zirkuläre Strategien bei einer Sanierung oder einem Neubau umzusetzen, bieten verschiedene Checklisten der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).

Mit gutem Beispiel voran

Vom Zementwerk zur Wohnanlage: Waldmühle Rodaun

Vom Zementwerk zur Wohnanlage: Waldmühle Rodaun

Es gibt bisher nur wenige erfolgreiche Beispiele für zirkuläres Bauen. Ein Beispiel in Österreich ist die Wohnanlage Waldmühle Rodaun, die 2016 am Standort eines ehemaligen Zementwerks in Wien gebaut wurde. Der auf dem Werksgelände zurückgebaute Beton wurde aufbereitet und zum Teil in den neuen Gebäuden wiederverwertet.

Im Nachbarland Deutschland existieren erste Projekte, die komplett zirkulär gebaut wurden. . Eines davon ist das Recyclinghaus in Hannover-Kronsberg, das komplett aus gebrauchten, recycelten oder recyclingfähigen Materialien besteht. Die Planer von cityförster architecture + urbanism haben dafür überall in der Region Hannover Materialien zusammengesucht.

Die grünen und blauen Profilbaugläser um die Fassade im ersten Stock gehörten mal zu einer inzwischen stillgelegten Lackiererei. Fassaden- und Deckenbekleidung im Erdgeschoss bestehen aus Holzsprossen, die in ihrem früheren Leben Saunabänke in einem Sportzentrum waren. Fensterrahmen und Fassadenelemente gehörten ursprünglich zu einer Kinder- und Jugendeinrichtung, die inzwischen zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Für die Fassadendämmung verwendete cityförster recycelte Kakaobohnen-Jutesäcke, für den Terrazzoboden Ziegelsplitt und für das Fundament Recyclingbeton, der zu 42 Prozent aus Altmaterial besteht. Die Materialien, die nicht schon einmal verbaut waren, sind recycelbar: Der Rohbau besteht aus leimfrei zusammengesetzten Massivholzelementen. Die werden mit Schraubverbindungen zusammengehalten werden, die wieder gelöst werden können. Die vorgehängte Fassade lässt sich bei Bedarf einfach wieder demontieren und wiederverwenden.

Ein anderes Beispiel entsteht derzeit mit dem CRCLR Haus im Berliner Stadtteil Neukölln. Die Baugenossenschaft TRNSFRM baut hier nach den Prinzipien des zirkulären Bauens das Flaschenlager der ehemaligen Kindl-Brauerei um und stockt es mit einem Tragwerk aus Holz auf.

Auch wenn es in Österreich bislang keine vergleichbaren Beispiele gibt, nimmt das Thema zirkuläres Bauen auch hier an Fahrt auf. In Wien wird mit dem Programm „DoTank Circular City Wien 2020–2030“ der Übergang zu einer kreislauffähigen Stadt gefördert. Die EU treibt das Thema ebenfalls voran. Im März 2020 hat die Europäische Kommission einen neuen „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ als Teil des European Green Deal verabschiedet. Das Bauwesen und Gebäude sind darin wesentliche Branchen.

FAQ – häufig gestellte Fragen 

1. Was ist zirkuläres Bauen?
Zirkuläres Bauen zielt darauf ab, Rohstoffe so einzusetzen, dass sie ohne Qualitätseinbußen erhalten und wiederverwendet werden können. Oder sie sind komplett abbaubar und gelangen am Ende ihrer Nutzung wieder in den biologischen Kreislauf.

2. Welche Vorteile bietet zirkuläres Bauen?
Kreislaufwirtschaft im Bau schont Ressourcen, vermeidet Müll, spart Energie sowie CO2-Emissionen, die bei der Herstellung neuer Materialien verursacht würden. Sie sorgt damit für mehr Klimaschutz

3. Was können Bauverantwortliche und Eigentümer tun?
Wer den Bau oder Umbau eines Hauses in Auftrag gibt, kann auch auf die Wahl der verwendeten Materialien Einfluss nehmen. Unterstützung bieten Unternehmen wie Baukarussell.

4. Was kann die Politik für zirkuläres Bauen tun?
Die Politik kann rechtliche Grundlagen schaffen, um Kreislaufwirtschaft im Bau verpflichtend zu machen. Sie kann zirkuläres Bauen mit finanziellen Anreize fördern und die Verschwendung von Ressourcen und Energie teurer machen.

5. Gibt es erfolgreiche Beispiele für zirkuläres Bauen?
Ja, es gibt bereits erfolgreiche Beispiele, etwa das Recyclinghaus in Hannover und das CRCLR-Haus in Berlin.

Lesetipp:
Nützliche Tipps für die Wärmedämmung im Zuge einer Sanierung findest du in unserem Artikel Richtig Dämmen – so hält dein Haus dicht.