Wer ein eigenes Haus baut oder in eine Wohnung ziehen will, die umgebaut wird, der weiß: Die Vorfreude ist oft der schönste Teil der Planung. Doch wie es sich später tatsächlich anfühlt in den neuen vier Wänden, das können sich nur die wenigsten vorstellen. „Den meisten Menschen, die zum ersten Mal bauen, fehlt oft noch der Bezug zum Grundriss und zu den konkreten Quadratmeterangaben. In einem fertigen Haus fühlt sich ein Zimmer mit 30 Quadratmetern ganz anders an als auf dem Papier“, sagt Gissou Nummer. Sie muss es wissen, denn zusammen mit ihrem Partner Lucas Nummer hat sie im vergangenen Jahr das Startup „Grundriss in Lebensgröße” gegründet. Sie hilft nun unsicheren und einfach neugierigen Bauherren, das künftige Zuhause zu erleben und auszuprobieren, noch lange bevor es steht. 

Wenn die Möbel nicht passen

Bislang ist es so: Viele Menschen kaufen Millimeterpapier, übertragen mit der Hand den Grundriss des künftigen Hauses und schneiden kleine Möbelstücke aus, die sie anschließend in abendelanger Puzzlearbeit über das Papier schieben. Aus der Vogelperspektive entscheiden sie dann, dass zum Beispiel der große Schrank besser an der Flurwand steht statt im Schlafzimmer hinter der Tür. Möbel geben dem eigenen Heim den richtigen, einzigartigen Look. Umso schlimmer, wenn man anschließend im neuen Haus stehst und feststellst: So war das eigentlich nicht geplant. 

Test in Originalgröße

Bei „Grundriss in Lebensgröße” schicken Bauherren und -frauen den Grundriss ihres künftigen Heims als PDF-Datei.  In einer Gewerbehalle wird er mit einem Hochleistungsbeamer 1:1 auf den Boden projiziert, inklusive Garten und Außenanlagen. Anschließend wird nach Vorgabe möbliert: Echte Möbel und Küchenmodule, sowie verschiebbare Wände und Sanitäranlagen stehen bereit, um so lange einfach hin und hergeschoben zu werden, bis die Aufstellung perfekt passt.

So kannst du die künftige Raumaufteilung ausgiebig testen und ein echtes Gefühl für den künftigen Raum bekommen.„Probewohnen nennen wir das“, sagt die Immobilienexpertin. „Für viele Menschen ist das eine sehr emotionale Erfahrung.“ Oft kommt die ganze Familie dazu, Angehörige und Freunde kommentieren und kritisieren: Die früher so trockene Bauplanung wird zum echten Event.

Anpassungen im Detail 

Hinzu kommt: Oft gehen die künftigen Bewohner eines Neubaus davon aus, dass das schon seine Richtigkeit hat, was der Architekt oder Bauträger da entworfen und geplant hat. Diese Vorgaben werden selten hinterfragt.  Doch in der Projektion offenbaren sich Fehlplanungen und schwierige Konstellationen. „Meistens sind es Kleinigkeiten, die bei einem normalen Grundriss völlig untergehen“, sagt Gissou Nummer. Genau solche Details aber werden später im Alltag zum ständigen Ärgernis: Türen gehen in die falsche Richtung auf, Ecken sind ungünstig geplant und Flächen können einfach nicht genutzt werden. Solche Kleinigkeiten aber können darüber entscheiden, wie lange jemand in einer Wohnung oder in einem Haus leben möchte. „Von unseren Kunden haben nur wenige wirklich den ganzen Entwurf verworfen“, sagt Gissou. „Aber bislang hat jeder, der bei uns war, etwas geändert.“

Der Start des Start-ups

Genau diese persönlichen Erfahrungen stecken im Übrigen hinter dem Start-up. Denn das Gründerpaar hat selbst erlebt, wie sehr sich reale Raumaufteilung gefühlt von einem Bauplan unterscheidet. „Wir haben vor zwei Jahren ein Haus umgebaut und dann festgestellt, dass eine Wand nicht breit genug und die Tür im Bad zu klein war“, erzählt die 27-Jährige. Durch Zufall stießen sie dann im Internet auf einen Handwerker, der für eine bessere Küchenplanung Grundrisse auf den Boden des Raumes projizierte. Da war die Idee geboren, das Verfahren auch im großen Maßstab auf ganze Wohnungen und Häuser anzuwenden.  

Seit November in Wien, bald in der Blauen Lagune 

Gissou und Lucas Nummer haben „Grundriss in Lebensgröße” im Februar 2021 gegründet. Ging es anfangs nur darum, Grundrisse abzubilden, bieten sie heute die komplette Küchenplanung und und architektonische Beratung an. Außerdem vermitteln sie Küchen und Umzugsdienstleister. 

Bislang kommt das Konzept super an: „Wir haben seit der Gründung jeden Monat einen neuen Standort eröffnet“, sagt Nummer. Allein in Deutschland haben schon 700 Kunden ihren Grundriss ausgelegt. Mittlerweile ist das Startup in sieben Städten in Deutschland und Österreich vertreten: Seit November gibt es „Grundriss in Lebensgröße” in Großebersdorf in Wien, im Juni 2022 soll ein neuer Showroom in der Blauen Lagune in Wiener Neudorf folgen. „Da befindet sich Europas größtes Fertighauszentrum – da sind wir einfach perfekt positioniert für jeden, der bauen möchte“, sagt Gissou Nummer. Auch in Frankreich und in der Schweiz soll das Probewohnen noch diesem Jahr möglich sein, bald sogar in Dubai. 

Das Probewohnen kostet natürlich: Rund 2500 Euro müssen Bauherren und -frauen zahlen. Günstiger als ein späterer Umbau des fertigen Hauses ist das allemal.