Geht direkt ins Hirn:
Stirbt die Handschrift aus?

Die klassische Schreibschrift kommt aus der Mode. Für viele ist das verwunderlich. Sie nutzen die Vorzüge von Stift und Papier – und bekommen von Experten recht.

„Schönschreiben“ wurde als Schulfach 1963 abgeschafft. Seit 1995 gilt eine neue Schulschrift, die sich stärker an Druckbuchstaben orientiert.
© Dr. Manuel

„Schönschreiben“ wurde als Schulfach 1963 abgeschafft. Seit 1995 gilt eine neue Schulschrift, die sich stärker an Druckbuchstaben orientiert.

Die anderen Studenten schielen oft zu Gertrud Voller herüber, wenn sich die Dame im Hörsaal tief über ihr Heft beugt. Sie beobachten, wie ihre Hand in fließenden Bewegungen über das Papier jagt. Dann wenden sich die jungen Frauen und Männer wieder ihren Laptops zu und tippen, tippen, tippen. Gertrud Voller ist in doppelter Hinsicht exotisch. Die 69-Jährige gehört wie beinahe sechs Prozent der österreichischen Studierenden zu den sogenannten Seniorstudenten. Und sie schreibt noch mit der Hand, mit Stift und Papier. Manch einer kann das gar nicht glauben. Denn an immer mehr Universitäten machen die Studenten ihre Notizen auf Laptops. Oder fertigen sogar direkt Audioaufnahmen der Vorlesungen an.

Gertrud Voller verschwendet an die technischen Möglichkeiten keinen Gedanken. Sie genießt ihren Platz unter den jüngeren Kommilitonen, die ihre Enkel sein könnten. Endlich hat sie die Zeit und dank eines Bausparvertrags auch das Geld, sich diesen lang gehegten Wunsch zu erfüllen. Ihre Wahl fiel auf die Fächer Philosophie und Geschichte. Sie schüttelt über das Vorgehen der jungen Studenten den Kopf: „Manchmal frage ich mich, ob die jungen Leute überhaupt noch Schreibschrift können, wie wir sie gelernt haben.“ Der Eindruck der Rentnerin täuscht nicht. Tastaturen und Touchscreens verdrängen Bleistifte und Kugelschreiber aus dem Alltag. Selbst für Einkaufszettel oder kleine Notizen gibt es spezielle Apps auf dem Smartphone. Das wirkt sich schon auf Kinder aus, deren Handschrift immer schlechter wird.

Debatte über die Abschaffung der Schreibschrift

Finnland will nun sogar die Schreibschrift abschaffen. Sie wird Ende des Jahres aus dem Lehrplan der Grundschulen gestrichen. Den Lehrern ist zwar freigestellt, Schreibschrift weiterhin zu vermitteln, aber nur zusätzlich zum Tastaturschreiben. In vielen EU-Ländern hat das zu Diskussionen geführt. Ganz so weit ist es in Österreich noch nicht. Die Abschaffung stehe derzeit nicht zur Debatte, hieß es aus dem Bildungsministerium. Auch eine Modernisierung der Schulschrift von 1995 sei nicht angedacht. Denn so wie die studierende Rentnerin Gertrud Voller schätzen auch viele Experten den Wert der flüssigen Schreibschrift.

Für die Wiener Kalligrafin Claudia Dzengel steht fest: „Das Individuelle geht beim Schreiben am Computer verloren. Wenn zwei Kinder ein K drücken, unterscheiden sie sich nicht mehr.“ Die Handschrift sage viel über die Persönlichkeit eines Menschen aus. Deshalb gibt Dzengel Workshops und hat das Buch „Kalligrafie und kreatives Schreiben für Kinder“ veröffentlicht. Sie will Lust auf das Entdecken der eigenen Handschrift machen.

Handschrift kann man lernen - egal in welchem Alter. Man muss nur immer wieder üben.
© iStock | Wavebreak

Handschrift kann man lernen - egal in welchem Alter. Man muss nur immer wieder üben.

5 TIPPS FÜR EINE BESSERE HANDSCHRIFT

Schönschreiben kann jeder lernen, egal ob jung oder alt. Mit diesen Tipps gelingt es:

1. Schreibe konzentriert und langsam. 

2. Schreibe mit einem Füller. Probiere verschiedene Federbreiten aus.

3. Üben, üben, üben: Schreibe immer wieder den gleichen Satz mit möglichst vielen Buchstaben des Alphabets. Übung macht den Meister.

4. Achte beim Schreiben auf ein regelmäßiges Schriftbild.

5. Erstelle wie in der Schule Übungsblätter, die Zeilenhöhe und Abstände zwischen den Zeilen vorgeben. Das macht das Üben leichter.

Die Unis Salzburg und Klagenfurt sind Seniorenhochburgen. Jeweils rund vier Prozent der Studierenden sind älter als 50 Jahre.
© iStock | Highwaystarz-Photography

Die Unis Salzburg und Klagenfurt sind Seniorenhochburgen. Jeweils rund vier Prozent der Studierenden sind älter als 50 Jahre.

STUDIUM IM ALTER

Die Senioren von heute sind fitter als früher, sowohl körperlich als auch geistig. Viele entscheiden sich dafür, im Alter als Gasthörer und Student eine Universität zu besuchen. Lebenslanges Lernen ist die Devise. Die meisten Seniorstudenten interessieren sich für Psychologie, Philosophie, Geschichte oder Kunstgeschichte. Rund 60 Prozent sind Frauen. Seniorenhochburgen sind die Unis Salzburg und Klagenfurt mit jeweils rund vier Prozent an Seniorstudenten. Auch in Wien gibt es ein Seniorenangebot.

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Handschrift hilft beim Erinnern

Auch für den Kopf ist Handschrift gut. „Das Schreiben auf Papier aktiviert das Gehirn ganzheitlicher als das Tippen auf dem Handy, Tablet oder PC“, sagt Handschriftexperte Christian Marquardt, der an den motorischen Grundlagen des Schreibens forscht. Es gebe Vergleichsstudien zwischen Studenten, die in der Vorlesung mittippen, und solchen, die in der Vorlesung mitschreiben. „Diese zeigen, dass sich bei den Schreibern die Information besser im Gehirn verankert, während sich die Tipper im Nachhinein weniger gut an die Präsentation erinnern konnten“, so Marquardt. „Man kann davon ausgehen, dass die gesamte kognitive Entwicklung von Kindern durch Schreiben stärker befruchtet wird als durch Tippen, weil mehr benachbarte Funktionen – Vorstellungskraft, Kreativität, Rechtschreibung, Erinnerungsvermögen – angeregt werden.“ 

„Das Schreiben auf Papier aktiviert das Gehirn ganzheitlicher als das Tippen.“Christian Marquardt, Handschriftexperte

Eine Bereicherung für den Alltag

Studierende, die auf einem Block mitschreiben, können das gehörte Wissen sofort für sich strukturieren – etwa wenn sie per Hand schnell eine Tabelle skizzieren oder bestimmte Gedanken einander grafisch gegenüberstellen. Das hilft für die spätere Prüfungsvorbereitung. Mit Computerprogrammen geht das viel schwerfälliger.

Die rund 3.800 Senioren an Österreichs Universitäten können also guten Gewissens weiter in ihre Hefte und Blöcke schreiben. Sich an Universitäten in neue Wissensbereiche zu stürzen, ist mit Laptop wie ohne eine Bereicherung für jeden Alltag. Gertrud Vollmer, die in ihrer Jugend nicht studieren konnte, weil für sie kein Abitur möglich war und dann die Kinder kamen oder immer etwas im Weg stand, sagt heute: „Ich fühle mich nach so einem Tag an der Uni wie beschwipst, die vielen neuen Eindrücke tun mir gut. Und ich genieße es, meine Hefte vollzukritzeln.“ Durch das Mitschreiben fühlt sie sich wieder wie ein junges Mädchen.

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