Ehevertrag ja oder nein? Wann der Gang zum Notar sinnvoll ist

Wer seine Finanzen vor der Trauung klar regelt, schont im Falle der Scheidung seine Nerven. So könnt ihr alles klären, solange ihr euch noch gut versteht. Ein Interview mit der Wiener Rechtsanwältin Carmen Thornton.

Expertin für Familienrecht: Carmen Thornton aus Wien.
© Thomas Seifert

Expertin für Familienrecht: Carmen Thornton aus Wien.

Niemand denkt bei der Hochzeit gern an eine mögliche Trennung. Doch Scheidungsraten von mehr als 40 Prozent sprechen dafür, dass ihr die rosarote Brille kurz absetzt. Wenigstens, wenn es ums Geld geht. Die Finanzen zu regeln bedeutet nicht automatisch, dass ihr einen Ehevertrag aufsetzen müsst. Wichtig ist vor allem herauszufinden, ob ein Vertrag sinnvoll ist oder es auch ohne geht. MEIN LEBEN hat darüber mit der Rechtsanwältin Carmen Thornton gesprochen.

Frau Thornton, können sich die Eheleute für den Fall der Scheidung auf das Gesetz verlassen?

Grundsätzlich bietet das österreichische Recht eine gute Absicherung für die Ehe. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass häufig Streit entsteht, dass lange hin- und her verhandelt wird. Dem kann man durch einen Ehevertrag aus dem Weg gehen.

Wie sieht, in wenigen Worten, die Gesetzeslage aus?

Es gilt das gesetzliche Ehegüterrecht – und damit das System der gesetzlichen Gütertrennung. Das heißt: So lange die Ehe andauert, bleibt jeder Ehepartner Eigentümer seines in die Ehe eingebrachten sowie in der Ehe hinzugewonnenen Vermögens. Im Falle einer Scheidung existiert ein gesetzlicher Aufteilungsanspruch, das heißt: Alle in der Ehe erwirtschafteten Vermögenswerte werden zu etwa gleichen Teilen aufgeteilt. Das gilt für die Wohnung, den Hausrat, das Auto und Luxusgüter sowie für Ersparnisse in bar oder auf Konten. Aufgeteilt wird allerdings nur, was während der Ehe von beiden erwirtschaftet wurde. Was der Einzelne vorher schon besaß und in die Ehe eingebracht hat, wird in der Regel auch nach der Scheidung demjenigen zugestanden.

Das klingt recht fair. Warum kann ein Ehevertrag dennoch sinnvoll sein?

Immer dann, wenn ein Ehepartner für den anderen Ehepartner etwas aufgibt, etwa seine Karriere zurückstellt, weil er mit dem Partner in eine andere Stadt zieht, oder weil er die Kinder jahrelang betreut, dann sollte sich derjenige besser per Vertrag absichern. Oder aber auch wenn einer von beiden selbstständig ist oder Eigentümer eines Unternehmens. Das unternehmerische Vermögen wird nämlich nicht aufgeteilt. Noch dringlicher ist eine schriftliche Regelung, wenn der Ehepartner im Unternehmen mitgearbeitet hat.

Wie sieht es aus, wenn Immobilien im Spiel sind?

Immobilien sind meist die größten Streitpunkte bei einer Scheidung. Das liegt schon daran, dass man in sie in der Regel das meiste Geld investiert hat. Zu unterscheiden ist primär, ob es sich bei der Immobilie um eine Wertanlage handelt (Anlegerwohnung, Ferienhaus) oder ob es um die Ehewohnung geht. Bei der Ehewohnung ist es so, dass der Ehepartner, der etwa aufgrund mangelnden Einkommens oder wegen der Betreuung kleiner Kinder keine andere Wohnmöglichkeit hat, auch nach der Trennung unter Umständen einen Wohnungserhaltungsanspruch hat und die Wohnung weiter benützen darf. Grundsätzlich erfolgt die Aufteilung einer Immobilie aber auch zu gleichen Teilen. Aber auch nur dann, wenn beide die Immobilie im Laufe der Ehejahre aus dem in der Ehe eingebrachten erwirtschafteten Geld abbezahlt haben. Hat einer zu Beginn zum Beispiel mehr Eigenkapital beigesteuert als der andere, wird es schon komplizierter. Ein Vertrag schafft klare Regelungen.

Wer den Abschluss eines Ehevertrages scheut, und sei es nur wegen der Kosten: Was raten Sie diesen Paaren?

Sie sollten zumindest aufschreiben, welche Vermögenswerte jeder Ehegatte vor der Heirat besaß und in der Folge alle wichtigen Investitionen oder Vermögenszugewinne dokumentieren. Die Dokumente müssen selbstverständlich gut aufbewahrt werden.

ZUR PERSON

Carmen Thornton hat an der Universität Wien Rechtswissenschaften studiert. Seit 2015 ist sie als selbstständige Rechtsanwältin in Wien tätig. Zuvor war sie für mehrere Großkanzleien tätig. Als Rechtsexpertin schreibt sie regelmäßig für das Magazin WOMAN und die Zeitung Der Standard über Familie und Recht. thornton-law.at