Digitale Innenstadt:
Graz wird Vorreiter beim Offline-Shopping

Der Online-Handel und große Einkaufszentren stellen kleine Läden in Österreichs Innenstädten vor immer größere Herausforderungen. Die Händler in der Grazer Innenstadt haben sich deshalb zu einem spannenden Experiment zusammengeschlossen.

Graz will seinen Besuchern mit smarter Technik bessere Angebote unterbreiten und so eine gute Alternative zum Online-Handel und Einkaufszentren darstellen.
© Graz Tourismus - Harry Schiffer

Graz will seinen Besuchern mit smarter Technik bessere Angebote unterbreiten und so eine gute Alternative zum Online-Handel und Einkaufszentren darstellen.

Der Online-Handel verleitet immer mehr Menschen dazu, von zu Hause aus einzukaufen. Große Einkaufszentren am Stadtrand ziehen die Kunden aus der Innenstadt ab. „Das ist für mich einfach bequemer“, rechtfertigt auch Hugo Stadler sein Einkaufsverhalten. Der 46-jährige Grazer ist wie so viele nur noch selten in der Innenstadt anzutreffen. Die Kaufleute dort kämpfen mit sinkenden Kundenzahlen. Ein Zustand, den sie zusammen mit der Stadtverwaltung nicht länger hinnehmen wollten. Als Gemeinschaftsaktion Grazer Innenstadt, kurz GGI, verbündeten sich die Händler im vergangenen Jahr mit dem IT-Ausstatter Kapsch BusinessCom. Ihr Ziel: mit smarter Technik dem Innenstadtbesucher ein richtig gutes Angebot machen.

Die Grazer Unternehmer kämpfen mit sinkenden Kundenzahlen.

 

Die Technik dahinter

Um das zu erreichen, stattete Kapsch die Grazer Innenstadt mit einem dichten Netz aus Sensoren, WLAN- und Bluetooth-Antennen aus. Dadurch sind die Einzelhändler in der Lage, Informationen zu den Einkaufsbummlern zu erhalten. Die Anzahl der Passanten in einer bestimmten Straße oder die tatsächlichen Besucher eines Geschäfts gehören zu diesen Informationen. Auch wie viele davon wiederkommen und wie lange sie sich in einem Geschäft oder einem bestimmten Bereich aufhalten, kann festgestellt werden. Sorgen um ihre Privatsphäre müssen sich die Besucher trotzdem nicht machen. Laut Kapsch entspricht alles den höchsten Datenschutzanforderungen.

Einzelhändler sind in der Lage, Informationen zu den Einkaufsbummlern zu erhalten.
© Graz Tourismus - Toni Muhr

Einzelhändler sind in der Lage, Informationen zu den Einkaufsbummlern zu erhalten.

SO FUNKTIONIERT DIE MESSUNG

Die Erfassung der Besucherzahlen in der Grazer Innenstadt funktioniert vollkommen automatisch. Zwar setzt das System unter anderem auf WLAN und Bluetooth, aktiv werden müssen aber weder Händler noch die Einkaufenden. Das System empfängt die von mobilen Geräten eigenständig gesendeten Signale und wertet diese mit eigenen Algorithmen aus. Eine App oder eine Anmeldung sind nicht notwendig. 

Mit den gewonnenen Daten können Unternehmer ihr Personal und Angebote besser planen.
© Graz Tourismus - Hans Wiesenhofer

Mit den gewonnenen Daten können Unternehmer ihr Personal und Angebote besser planen.

Bessere Angebote, mehr Kunden

Darauf aber zielen die Händler derzeit gar nicht ab. Vielmehr wollen sie mit der Datenanalyse längerfristig planen können. „Wenn wir wissen, wie viele mögliche Kunden zu einer bestimmten Uhrzeit auf den Straßen der Innenstadt unterwegs sind, können wir präzise Angebote erstellen“, sagt Martin Auer, Chef einer großen Bäckereikette und Mitglied der GGI-Kampagne. Denn: Vom Angebot über das Personal bis hin zu gemeinsamen Marketing-Aktivitäten sind dank der Messungen viel verlässlichere Aussagen zu treffen.

„Wenn wir wissen, wie viele Kunden in der Innenstadt unterwegs sind, können wir präzise Angebote erstellen.“

Martin Auer, Chef einer großen Bäckereikette

Den ersten erfolgreichen Test hat das System bereits hinter sich. Zur Weihnachtszeit 2015 wurden während einer Woche bis zu 140.000 Besucher in der Herrengasse registriert. Im gesamten Innenstadtbereich waren es zur gleichen Zeit etwa 870.000. Für Semmernegg ist die Datenbasis aber nur ein Teil eines großen Puzzles. Jetzt sind vor allem die Unternehmer gefragt: „Endlich haben Händler vor Ort die gleichen Möglichkeiten, die Online-Händler schon länger haben, nämlich auf Datenanalysen gestützte Angebote und Marketing-Kampagnen zu erstellen.“

Hugo Stadler wird davon bei seinem nächsten Besuch der Grazer Innenstadt nur wenig mitbekommen. Vielleicht aber zieht es ihn bald schon aufgrund eines besonders günstigen Angebots, das ihn über Facebook oder die Tageszeitung erreichte, wieder dorthin. Denn mit dem erweiterten Wissen über ihre Kundschaft erreichen die Händler diese dort, wo sie nach für sie passenden Angeboten sucht: im Internet, den sozialen Netzwerken, der Tageszeitung und vielen weiteren Orten. Lokale Angebote, die direkt auf die Bedürfnisse und die Gewohnheiten der Kunden zugeschnitten sind, das würde sicher auch Menschen wie Hugo Stadler wieder ins Innere von Graz locken.

Für Kunden ist die neue Technik auf den ersten Blick unsichtbar. Doch durch die Messung können Händler vor Ort besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und ihr Angebot anpassen.
© Graz Tourismus - Hans Wiesenhofer

Für Kunden ist die neue Technik auf den ersten Blick unsichtbar. Doch durch die Messung können Händler vor Ort besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und ihr Angebot anpassen.