Roland Trettl:
„Die Basis sind Respekt und Wertschätzung“

Roland Trettl hat in den besten Küchen der Welt gekocht, diverse Bücher geschrieben und erobert mit Shows wie „The Taste“ oder „First Dates“ Gaumen und Herzen eines großen Fernsehpublikums. MEIN LEBEN hat mit dem Starkoch über gutes Essen gesprochen und gemerkt: Da kocht einer über vor Leidenschaft.

© Spiceworld/Helge Kirchberger

„Es gibt in meinem Leben nichts richtig Normales. Ich liebe ein vielschichtiges Leben. Das macht mich glücklich.“ Der Mann, der das sagt, ist Roland Trettl, Spitzenkoch, Fernsehstar und einer, der weiß, was er will: Leidenschaft statt Langeweile – und vor allem gutes Essen. „Da kann um mich herum passieren, was will, und so unterschiedlich meine Tage geplant sind, was mich immer wieder erdet, ist das Essen. Es ist der Ankerpunkt in meinem Leben“, erzählt der 1971 in Bozen geborene Trettl. Heute lebt er mit seiner Frau Daniela, Yogalehrerin und Visagistin, und seinem sechsjährigen Sohn Diego in Bad Reichenhall.

Gerade ist er aber wieder mal unterwegs. Es ist zehn Uhr am Vormittag, Roland Trettl sitzt in einem Café in Köln, weil Meetings zu seiner Datingshow „First Dates“ anstehen, die auf Vox ausgestrahlt wird. Außer einem doppelten Espresso hat er noch nichts gefrühstückt. „Frühstücken habe ich mir abgewöhnt, weil ich so viel unterwegs bin“, erklärt er. „Egal wie gut das Hotel auch ist, das Frühstück ist fast immer unterirdisch, und ein schlechtes Essen kann mir den ganzen Tag versauen.“

Nicht immer nach Plan

Die frisch gebackene Dinkelwaffel mit Avocadocreme, die Trettl gerade geordert hat, sieht jedoch extrem lecker aus und schafft es, den hohen Maßstäben des Starkochs zu genügen. „Ich ertrage schlechtes Essen nicht. Wenn Essen genau nach Plan zubereitet wurde, wenn es nur Vorgaben gibt und keine Liebe, dann wird nichts Gutes daraus“, meint der Südtiroler, der nicht nur gut, sondern einfach besser kochen kann.

Gelernt hat der Sohn eines Diskothekenbesitzers das unter anderem beim Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, bei dem er sich nach der Kochlehre bewarb. Und zwar nicht mit irgendeinem Anschreiben, sondern mit einem Bewerbungstext, den er in ein Holzbrett eingeritzt hatte. Kreativität und Mut, die Witzigmann überzeugte.

Von da an ging es steil bergauf mit der Karriere: Roland Trettl kochte in so renommierten Restaurants wie dem „Aubergine“ und dem „Tantris“ in München oder dem „Ca‘s Puers“ auf Mallorca. Als er 2013 plötzlich nach fast elf Jahren als Executive Chef des „Ikarus“ im Hangar 7 am Salzburger Flughafen kündigte, verstand das kaum einer.

Eine unruhige Seele

„Ich müsse verrückt sein, so eine Stelle einfach so zu kündigen, haben die meisten gedacht“, lacht Trettl ganz entspannt bei der Erinnerung an seinen ungewöhnlichen Schritt. „Aber ich vertrage es nicht, wenn ich mich zurücklehnen kann und merke, da passiert nichts mehr. Dafür bin ich eine zu unruhige Seele. Ich brauche die ständige Erneuerung“, sagt Roland Trettl, der unter anderem durch die VOX Dating-Show „First Dates – Ein Tisch für zwei“ und die Sat1-Kochshow „The Taste“ zum Fernsehliebling avancierte.

Wertschätzung. Ein großes Wort und die Basis für Trettls Lebensphilosophie. „Gekündigt habe ich, weil ich den Dingen, die mich umgeben, mehr Respekt zollen wollte. Und das geht nur, wenn man sie kennenlernt“, ist Trettl überzeugt.

Deshalb wird er nach dem Abschied vom „Ikarus“ für drei Wochen Praktikant in einer Tischlerei und baut mit an Tischen und Stühlen, wohnt anschließend bei einem Holzschnitzer in Tirol und lernt mehr über das Kunsthandwerk. „Danach habe ich mir eine eigene Lederjacke geschneidert. Wie das geht, hat mir mein Freund Markus Meindl erklärt. Wenn ich jetzt ein Kleidungsstück kaufe, kaufe ich es mit einem ganz anderen Bewusstsein“, schildert Roland Trettl seine Entwicklung. „Ich weiß jetzt, was dahintersteckt. Nur ein Knopfloch zu machen, was da für ein Aufwand dahintersteckt, das ahnt ja niemand, der es nicht selbst ausprobiert hat“, glaubt der Allroundman.

Gutes Essen für gute Arbeit

Respekt und Wertschätzung, das sind auch die Zutaten, die für ihn beim Essen die wichtigste Rolle spielen – und zwar immer. „Ich werde bei keiner Fernsehproduktion mitmachen, bei der ein Caterer schlechtes Essen servieren darf“, sagt Roland Trettl und kommt ein wenig in Rage: „Da mache ich nicht mit, da geh‘ ich auf die Barrikaden. Es geht bei einer Fernsehproduktion ja auch gar nicht nur um mich, sondern um das Team. Beim Essen zu sparen, wäre komplett verrückt. Denn wenn sich die Menschen auf das Essen freuen können, arbeiten sie auch besser“, ist sich Trettl sicher.

Weil das nicht nur für Fernsehteams gilt, sondern für Berufstätige generell, berät Roland Trettl Unternehmen bei der Auswahl eines ausgewogenen Mittagsessens für die Mitarbeiter. „Das Allerwichtigste im Job ist die Anerkennung, die der geleisteten Arbeit entgegengebracht wird. Und die zeigt sich einfach daran, welches Essen man für seine Mitarbeiter auswählt“, meint der Gourmetkoch, der für Betriebsküchen ein vegetarisches und ein veganes Konzept entwickelt hat. „Ich möchte fleischlose Kost auch innerhalb von Kantinen auf das Podium stellen, das dieses Essen verdient hat“, sagt der Autor von Büchern wie „Das Erlebnis Käse. Ein vegetarisches Kochbuch“. Er selbst ist allerdings ein Allesesser. „Ich habe nichts gegen tierische Produkte“, sagt Trettl. „Aber wir leben in einem Land der Fleischesser und ich möchte die Menschen überzeugen, dass ihnen nichts fehlt, wenn sie ein vegetarisches Gericht essen, das einfach gut schmeckt.“

Auf die Würze kommt es an

Ein weiteres Problem, das Roland Trettl sieht: „Unser Essen ist grundsätzlich zu günstig, weil die Zutaten respektlos behandelt werden“, lautet eine seiner Thesen. „Alles muss seinen Preis haben, gerade Fleisch“, sagt Trettl. „Wenn ich ein Backhendl am Grillstand nebenan kaufe und alle Produktionskosten mit einrechne, dann nehme ich in Kauf, dass das Huhn womöglich für einen Preis gestorben ist, der überhaupt nicht in Ordnung ist. Und das geht nicht.“

Dass wir für Autos, Kleidung oder womöglich Zigaretten viel Geld ausgeben, dafür aber beim Essen sparen, „das ist mir ein Rätsel“, wundert sich der Genießer. Vor Kurzem ist er bei der Gewürzmanufaktur Spiceworld als Teilhaber eingestiegen, um das Portfolio des Salzburger Unternehmens mit kulinarischer Expertise zu erweitern. „Ein Gewürz ist der wichtigste Nebendarsteller in der Küche“, meint Trettl. „Ohne Gewürze gibt es keine Farbe, keine Energie. Deshalb entwickele ich Ideen, die sich in Gewürzen wiederfinden. Gewürze sind die Energiespender für die Hauptdarsteller eines Gerichts.“

Unruhiger Geist voller Energie

Er hat noch viele andere Pläne, natürlich. Viel Zeit mit der Familie will er verbringen. Aber, wenn das noch passt, auch ein Buch schreiben im nächsten Jahr, neue Fernsehshows produzieren, darunter ein Format in Zusammenarbeit mit dem Entertainer Michael Mittermeier. „Ich muss das, was mir einfällt, einfach umsetzen. Das ist meine Energie. Einfach immer etwas Neues im Leben. Anders geht es nicht.“