Restaurierte Oldtimer:
„Das absolut perfekte Gefühl“

Er restauriert Oldtimer in der Königsklasse: Zu Christian Nell kommen Autoliebhaber aus aller Welt, um sich ihre historischen Kostbarkeiten wiederherstellen zu lassen. Sein spektakulärster Auftrag war bisher ein Mercedes SSK von 1928. Eineinhalb Jahre lang bastelte er den Rennwagen zurück in den Originalzustand.

Der Mercedes SSK von 1928 wurde ursprünglich nach England ausgeliefert – an den Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle.
© Christian Nell

Der Mercedes SSK von 1928 wurde ursprünglich nach England ausgeliefert – an den Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle.

Neue Autos? Sie scheinen bei Christian Nell (47) allergische Gefühle hervorzurufen. Es schüttelt ihn sichtlich: „Ich kann sie nicht mehr sehen! Die stecken voller Elektronik und du brauchst einen Computer, um herauszufinden, was kaputt ist.“ Nell ist gelernter Karosseur, also Karosseriebautechniker. „Ich habe mein Leben lang nichts anderes gemacht, als Autos zu reparieren.“ Wirklich ins Blühen aber gerät sein Gemüt, wenn er alte Autos restaurieren kann.

Über Oldtimer spricht er, als wolle seine Stimme das Blech liebkosen. „Es ist unbeschreiblich, so ein Auto zu fahren. Man sitzt fast im Freien, der Ausblick, die Kotflügel im Vordergrund, man sieht, wie sich die Reifen bewegen. Dieser Klang – ganz gleich, ob wir den Motor starten oder die Wagentür schließen. Immer hören wir etwas markant Melodisches. Alte Fahrzeuge haben auch noch keine Servolenkung. Wir steuern noch mit Körpereinsatz. Wir spüren das Auto mit allen Sinnen.“

Neue Autos? „Ich kann sie nicht mehr sehen!“

In einem verträumten 700-Seelen-Nest unweit des oberöstereichischen Steyr ist für Christian Nell der große Traum eines jeden Oldtimer-Restaurators in Erfüllung gegangen. Seit 14 Jahren betreibt der jungenhaft wirkende Überzeugungstäter eine eigene Werkstatt mit sieben Angestellten. Die Kunden finden aus aller Welt ihren Weg zu ihm. 2013 flatterte ihm der Auftrag seines Lebens ins Haus. Ein deutscher Unternehmer und eingefleischter Autonarr brachte seinen Mercedes SSK von 1928 zu Nell und begehrte einen Rückbau in den Originalzustand. 

SSK ist das Kürzel für Supersport Kurz – und zugleich ein Akronym, das die Oldtimerkenner in Verzückungsstarre zu versetzen vermag. Der historische Flitzer war seinerzeit der schnellste und berühmteste Renn- und Sportwagen der Welt. Sein Sechszylinder-Reihenmotor mit Kompressor-Aufladung schafft mit 200 PS an die 200 Stundenkilometer. 33 Exemplare wurden davon insgesamt gebaut. Ein solcher Zweisitzer erzielt auf Auktionen schon mal Rekordsummen von gut sechs Millionen Euro. Das Fahrzeug, das Nell instandsetzen sollte, wurde ursprünglich nach England ausgeliefert – an den Schriftsteller und Erfinder der Detektivfigur Sherlock Holmes, Sir Arthur Conan Doyle.

In Oberösterreich werden alte Autos in liebevoller Handarbeit restauriert.
© Christian Nell

In Oberösterreich werden alte Autos in liebevoller Handarbeit restauriert.

Zwischenzeitliche Besitzer hatten die Karosserie verändert, sodass Nell sie wieder um 16 Zentimeter verkürzen musste. Außerdem sollte das Fahrzeug von weiß auf weinrot umlackiert werden. „So ein Auftrag ist nicht Alltag“, sagt Nell. „Wir haben eineinhalb Jahre daran gearbeitet.“ Allein vier Wochen lang musste der neue Lack an der Luft trocknen, um die gewünschte Konsistenz zu erhalten. Einen weiteren Monat verbrachte Nell mit dem Nachbau eines neuen Kabelbaums. „Alles sollte so originalgetreu wie möglich sein.“

Über seine Preise verrät er nichts. Diskretion gehört zur Etikette in seiner Kundenliga. „Ich habe das Glück, in einer Sparte Fuß fassen zu können, wo man wirklich nur die exquisitesten und teuersten Autos restaurieren kann.“ In Nells rotgeklinkerter Werkstatt stand bereits der Ferrari GTO aus den 1960er Jahren (Wert: 15 Millionen Euro). Vom BMW 507 aus den 1950ern (eine Million Euro) hat er 15 komplett restauriert. „Darin bin ich Marktführer!“

Es geht vor allem darum, die Autos so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen.
© Christian Nell

Es geht vor allem darum, die Autos so originalgetreu wie möglich wiederherzustellen.

„Alles sollte so originalgetreu wie möglich sein.“

Für Uneingeweihte sind Oldtimer ein Haufen Blech, Gummi und Holz. Der Komfort geht gegen null, der Fahrer spürt jedes Steinchen auf der Straße im Gesäß. Und doch entzünden sich an solchen Gefährten die gehobenen Männerfantasien. Manch ein Liebhaber schwärmt vom Schwung der Blechformen und der sanften Erotik, die darin zittert: It’s a man’s world. 

Für seine Restaurationsarbeiten sucht Nell in der ganzen Welt nach seltenen historischen Schrauben. Tausende füllen wohlsortiert seine Sammlung, gehütet wie Juwelen. Nur so kann er seinen Kunden ein möglichst originalgetreu renoviertes Auto zusammenschrauben. Angst vorm Scheitern, dass es mal nicht perfekt wird? „Wenn du so an die Arbeit gehst, dann wird das nichts werden“, winkt Nell ab. „Man geht mit einer Überzeugung dran, mit einer Freude, weil das einen unheimlich stolz macht, wenn man so ein Auto restaurieren darf.“

Die Neugeburt eines Oldtimers ist wie eine Zeitreise in den nicht-automatisierten Alltag. „Die größte Befriedigung ist für mich, wenn der Kunde nichts zu reklamieren hat.“ Und wenn dann das fertige Automobil dasteht, „man sieht die Linien, die Farbe, die Hände gleiten über den polierten Lack, man riecht das Leder – dann ist mein Gefühl absolut perfekt."

© Christian Nell

 

Für Nell ist die Wiederherstellung eines Wagens keine Pflicht, sondern ein Privileg.
© Christian Nell

Für Nell ist die Wiederherstellung eines Wagens keine Pflicht, sondern ein Privileg.

 

 

© Christian Nell