Florian Gschwandtner:
„Ohne ein gutes Team bringt einen die beste Idee nicht weit“

Der Runtastic-Gründer und Vorzeige-Unternehmer Florian Gschwandtner spricht über seine ländliche Herkunft, Reichtum in jungen Jahren und was er anderen Gründern mit auf den Weg gibt.

Bodenständig: „Meine Eltern würden mir eins auf den Kopf geben, wenn ich abheben würde“, sagt Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner.
© Werner Harrer

Bodenständig: „Meine Eltern würden mir eins auf den Kopf geben, wenn ich abheben würde“, sagt Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner.

Obstbäume, ein altes Mostpresshaus, sanfte Hügel und Wald: Das sah Florian Gschwandtner als Kind beim Blick aus dem Fenster. Seine Eltern gingen davon aus, dass er einmal den Bauernhof in Strengberg bei Linz übernehmen würde, auf dem er aufwuchs. Doch es kam anders. 2009 gründete Gschwandtner mit drei Kommilitonen das Fitness-Tracking-Unternehmen Runtastic. 2015 übernahm der Sportgigant Adidas das Start-up für 220 Millionen Euro. Der damals 32-Jährige und sein Team hatten den erfolgreichsten Exit der österreichischen Start-up-Szene hingelegt – einen der lukrativsten in ganz Europa. Nach dem Deal führte er Runtastic noch dreieinhalb Jahre. Anfang 2019 stieg er aus. Was macht Österreichs Vorzeige-Gründer jetzt?

Gschwandtner muss lachen. Die Frage „Was kommt als nächstes, Florian?“ wurde ihm schon so oft gestellt in den vergangenen Monaten. Nach dem Ausstieg hat er sich zunächst eine Auszeit gegönnt, hat Zeit in seiner Wohnung auf Mallorca verbracht, ist nach Hawaii gereist, nach Alaska, nach China und hat unterwegs „eine Menge digitaler Leute getroffen“. Kein Wunder, dass er sich nach seiner spektakulären Gründerkarriere etwas Zeit genommen hat, das Erlebte zu reflektieren.

„Unsere Gründung wäre beinahe eine Katastrophe geworden“

Fit: Florian Gschwandtner achtet darauf, dass der Sport nicht zu kurz kommt.
© Werner Harrer

Fit: Florian Gschwandtner achtet darauf, dass der Sport nicht zu kurz kommt.

Mit 26, gerade Absolvent der FH Steyer in Supply-Chain-Management,  gründete er mit den Programmierern René Giretzlehner und Christian Kaar sowie dem Betriebswirt Alfred Luger die Firma Runtastic in Linz. Ihre Idee war, der wachsenden Zahl Sportbegeisterter das Aufzeichnen und Vergleichen ihrer Leistung zu ermöglichen. Ursprünglich wollten sie dazu mit Mikrochips und fest installierten Sensoren arbeiten. Doch angesichts des hohen Installationsaufwands orientierten sie sich um. „Es erwies sich als ungeheurer Glücksfall, dass die technische Entwicklung gerade so weit war, dass wir unsere Idee mit Smartphones verwirklichen konnten“, erinnert sich Gschwandtner. „Sonst wäre unsere Gründung eine wirtschaftliche Katastrophe geworden.“

Die App erwies sich dagegen als gigantischer Erfolg. Die erste Million Downloads zählten die Gründer schon nach fünf Monaten. Nach 18 Monaten begann Runtastic Geld zu verdienen. „Die erste Zeit hatten wir all unser Geld in die Firma gesteckt. Jetzt konnten wir uns erstmals Gehalt auszahlen“, erzählt der Unternehmer. Die Idee einer kostenlosen Basis-App, die durch eine kostenpflichtige Premium-Version und Deals mit Hardware-Partnern ergänzt wurde, ging auf. Der Erfolg weckte das Interesse von Investoren. Als CEO war es vor allem Florian Gschwandtners Aufgabe, mit den Interessenten zu verhandeln.

Einmal begeisterte er Investoren mit Liegestützen

Er überzeugte sie durch ein funktionierendes Geschäftsmodell, das gut gemischte Führungsteam, seinen jugendlichen Charme und – wie er in seinem Buch „So läuft Start-up“ verrät – manchmal auch durch Körperkraft. 2013 präsentierte Gschwandtner sein Unternehmen bei der Axel Springer SE in Berlin, um den deutschen Medienkonzern als Investor zu gewinnen. Um das neue Push-up-Tracking-Tool der App zu demonstrieren, zog er das Sakko aus und machte vor den Mitgliedern des Springer-Vorstands 50 Liegestütze. Oberarme und Präsentation überzeugten offensichtlich, denn der Deal wurde geschlossen – ein wichtiger Meilenstein für den weiteren Erfolg von Runtastic.

Gefragt: Sein Wissen über Startups teilt Florian Gschwandtner auf Veranstaltungen, hier auf der Future Retail Conference 2018.
© Werner Harrer

Gefragt: Sein Wissen über Startups teilt Florian Gschwandtner auf Veranstaltungen, hier auf der Future Retail Conference 2018.

Heute, mit 36, ist Gschwandtner ein viel gefragter Business Angel und Start-up-Experte. Fernsehzuseher kennen ihn aus der Sendung „Zwei Minuten – zwei Millionen“ als Investor, der Gründer mit seinen Fragen zu ihrem Geschäftsmodell ins Schwitzen bringt. Gemeinsam mit seinen Runtastic-Partnern ist er mittlerweile an rund 20 Start-ups beteiligt. Darin sieht er nicht nur die Chance, sein Geld gut anzulegen. Er gibt auch gerne Erfahrungen weiter, die er selbst als Gründer gesammelt hat. Die Wichtigste: „Viele Leute kommen zu mir, um mir ihre tolle Idee vorzustellen. Aber die Geschäftsidee ist nur ein Aspekt. Die Execution, also die Umsetzung der Idee, macht den großen Unterschied. Dafür braucht man ein gut funktionierendes Team mit Leuten, die unterschiedliche Dinge gut können. Ohne das bringt einen die beste Idee nicht weit.“

Gschwandtner würde wieder in Linz gründen

Nach der Auszeit wächst bei ihm wieder die Lust, etwas aufzubauen. „Ich kann mir vorstellen, bei einem der Unternehmen, bei dem ich Business Angel bin, bald wieder mehr operativ zu machen.“ Und auch der Gedanke reizt ihn, in Zukunft wieder selbst zu gründen. „Aber das muss nicht schon im nächsten Jahr passieren“, fügt Gschwandtner mit entspanntem Lächeln hinzu. Als Standort würde er eher wieder Linz als Wien, Berlin oder das Silicon Valley wählen. „Es ist sehr grün, wir haben eine hohe Lebensqualität und hatten nie Probleme, gute Leute zu finden, die hier arbeiten wollen.“

Wie geht man damit um, wenn man schon mit Mitte 30 mehr Geld verdient hat, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben? „Es ist ein Privileg, finanziell unabhängig zu sein, und schön, wenn man sich eine schicke Uhr und einen Porsche leisten kann. Aber ich würde von mir sagen, dass ich 'down to earth' geblieben bin. Das macht wohl meine Herkunft vom Bauernhof. Da habe ich oft genug für zehn Euro die Stunde gearbeitet“, sagt Gschwandtner. „Außerdem würden mir meine Eltern eins auf den Kopf geben, wenn ich abheben würde.“

Europa läuft Gefahr, vollständig abgehängt zu werden

Auf seinen Reisen hat ihn China besonders beeindruckt. „Das Land fasziniert mich, dort erscheint alles möglich. Die Chinesen haben eine ganze Technologie-Generation übersprungen und sind uns in Europa in vielen Bereichen weit voraus.“ Europa müsse die Rahmenbedingungen für Innovationen verbessern, um nicht vollständig abgehängt zu werden. „Hoffnung machen mir die jungen Leute. Wenn die heute von der Uni abgehen, haben die schon einen viel globaleren Blick als wir damals. Und Englisch sprechen sie auch besser.“ Jetzt lacht er wieder.