Alleine erziehen, gemeinsam wohnen

Alleinerziehende Eltern haben es schwer auf dem Wohnungsmarkt. Sarah Zeller, Mutter eines 9-jährigen Sohnes weiß das aus erster Hand. Mit dem Verein JUNO schafft die 33-jährige Wienerin seit 2015 Wohnraum für Single-Mütter und -Väter.

Einer von zehn Alleinerziehenden in Juno-Projekten ist männlich.

Einer von zehn Alleinerziehenden in Juno-Projekten ist männlich.

Es begann mit einer persönlichen Erfahrung. Sarah Zeller wollte mit einer Freundin zusammenziehen, einer alleinerziehenden Mutter wie sie selbst. Zeller studierte zu dieser Zeit am Institut für Internationale Entwicklung in Wien, die Freundin war arbeitssuchend. Die Wohnungssuche gestaltete sich schwierig. Denn alleine schon mit Kindern hat man schlechtere Karten auf dem Wohnungsmarkt. Dazu kam das fehlende Einkommen. Die beiden stellten aber auch fest, dass es für zwei Ein-Eltern-Familien, die jeweils auch eine eigene private Sphäre für sich haben möchten, kaum geeignete Grundrisse gibt.

Eine Idee wird zum Projekt

Sarah Zeller bei einer Informationsveranstaltung

Sarah Zeller bei einer Informationsveranstaltung

Zellers Lösung: Sie sorgte dafür, dass die Wohnungen, die sie sich vorstellte, gebaut wurden. Sie tat sich mit Architektinnen zusammen und entwickelte ein Wohnkonzept. Durch einen glücklichen Zufall konnten sie und ihre Mitstreiterinnen das Konzept in ein öffentlich gefördertes Bauprojekt einbringen. So entstanden drei Wohnungen für Wohngemeinschaften zu günstigen Mieten im 21. Wiener Bezirk.

Ein Verein hilft Alleinerziehenden

Am Ende zog Sarah Zeller selbst gar nicht ein. Denn inzwischen gab es einen Lebensgefährten, mit dem sie zusammenleben wollte. Zeller fand jedoch auf diese Weise eine Aufgabe, der sie seitdem mit „Herzblut und Begeisterung” folgt. Im Zuge des ersten Projekts wurde im Jahr 2015 der Verein JUNO gegründet, dessen Leiterin Zeller ist. Mit Juno brachte Zeller weitere Wohnprojekte in Wien auf den Weg. Der Bedarf, sagt Zeller, sei riesig. Das treibt sie an.Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Konzept dabei weg von Wohngemeinschaften hin zu Einzelwohnungen, die durch gemeinsam benutzte Räume ergänzt werden. Der Verein arbeitet dabei mit gemeinnützigen Wohnbauträgern zusammen. Wer einziehen möchte, muss sich nur geringfügig – im Rahmen von 3.000 bis 4.000 Euro – mit eigenem Geld beteiligen. Zieht man aus, erhält man den gezahlten Betrag abzüglich einer geringen Abschreibung wieder zurück.

Gegenseitige Unterstützung

Sarah Zeller im Beratungsgespräch

Sarah Zeller im Beratungsgespräch

Alleinerziehende erhalten oft keinen angemessenen Unterhalt, die Hälfte von ihnen ist armutsgefährdet. Aber es geht nicht nur um niedrige Mieten. Ein-Eltern-Familien leben oft isoliert, der Alltag ist eine Herausforderung. Deshalb fördert Juno auch den Zusammenhalt zwischen den Familien.Die Wohnprojekte werden zu Beginn von Juno-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern begleitet. Diese kümmern sich darum, dass die Bewohner zueinander kommen, sich kennen lernen und entscheiden, wie sie die gemeinschaftlichen Räume nutzen möchten. Es wird aber niemand zu Gemeinschaft gezwungen, das ist Zeller wichtig. Ein Teil der Bewohner will seine Ruhe haben und das ist in Ordnung. Aber „grundsätzlich wird die Idee der gegenseitigen Unterstützung von Alleinerziehenden als großer Wert betrachtet“ so Zellers Erfahrung. Der Umstand, dass sich alle in der gleichen Lebenssituation befinden, erleichtert das gegenseitige Verständnis. Und gerade für Alleinerziehende ist es eine große Hilfe, wenn mal jemand kurzfristig im Haus auf das eigene Kind aufpassen kann. In der gegenwärtigen Situation, in der die Kinder nicht mehr in die Schule oder in die Kita dürfen, zeigt sich, wie sinnvoll solche Wohnmodelle sein können.

Es geht erst richtig los

Im 21. Wiener Bezirk entstanden Wohngemeinschaften für jeweils zwei Ein-Eltern-Familien.

Im 21. Wiener Bezirk entstanden Wohngemeinschaften für jeweils zwei Ein-Eltern-Familien.

Sarah Zeller und ihr Team haben viel zu tun. Der Verein hat inzwischen 15 Mitarbeiter. 2019 wurde ein Projekt mit elf Wohnungen realisiert, im Laufe dieses Jahres folgen weitere 14 Wohnungen. Aber es geht erst richtig los, freut sich Zeller: „Im Moment sind 14 Projekte in der Planung, die ab 2022 fertig gestellt sein werden”. Eine erstaunliche Leistung, wenn man bedenkt, dass Juno keine kontinuierliche Unterstützung der öffentlichen Hand erhält und seine Arbeit hauptsächlich durch Spenden finanziert.