Startups in Österreich:
Auf dem Weg ins Silicon Valley

Die heimische Startup-Szene boomt. Viele Gründer reisen nach Kalifornien, um das Know-how des Silicon Valleys zu lernen. Auch etablierte Firmen können davon profitieren.

In Österreich gilt insbesondere Wien als Hotspot der Startup-Szene.
© Heisenberg Media (CC)

In Österreich gilt insbesondere Wien als Hotspot der Startup-Szene.

Es war eine Sensation. Plötzlich blickten alle anerkennend auf das, was zuvor kaum ernst genommen wurde: die österreichische Gründerszene. Seit der Weltkonzern Adidas das Linzer Startup Runtastic im vergangenen Jahr für 220 Millionen Euro übernommen hat, ist das Potenzial der heimischen Szene offensichtlich. Nie zuvor wurde so viel für ein österreichisches Startup bezahlt. „Erfolge wie von Runtastic bewegen andere Investoren, auch Geld zu investieren“, freute sich Investor Johann Hansmann, Vorstand der Austrian Angel Investors Association (AAIA). Es zeigt, was man von Linz aus erreichen kann.

„Die erste Halbzeit haben wir schon gegen das Silicon Valley verloren."

Co-Initiator Lorenz Edtmayer, Darwins Lab

Daneben gilt Wien als Startup-Hotspot Österreichs. Hier sitzen 68 Prozent aller heimischen Startups. Darunter Firmen mit innovativen Ideen wie days or weeks, die Kurzzeitvermietung revolutionierten. Kein Wunder, dass in der Hauptstadt seit 2012 das Pioneers Festival stattfindet – eine internationale Zukunftskonferenz für Gründer und Investoren. In diesem Jahr kamen rund 2.500 Teilnehmer.

Das Beste von den Besten lernen

Nach dem Erfolg von Runtastic herrscht unter Österreichs Gründern Aufbruchstimmung. Sie erkämpfen sich langsam ihren Platz auf dem Gründermarkt. Doch sie haben noch viel zu lernen. Von Linz, Graz oder Wien aus zieht es deshalb immer mehr ins Silicon Valley, um sich das Beste von den Besten abzuschauen. Die Wirtschaftskammer ebnet seit 2009 mit der Initiative „Go Silicon Valley" den Weg zu den großen Risikokapitalgesellschaften in Übersee. Gründer sollen im Silicon Valley mehrere Monate lang Unternehmerluft schnuppern und vom Know-how und der dortigen Geisteshaltung profitieren. 96 Startups haben bisher teilgenommen. „Etwa zwanzig GoSiliconValley-Teilnehmer haben eine Niederlassung in den USA gegründet und acht Unternehmen erhielten Risikokapital. Zwei Unternehmen wurden gekauft“, sagt Rudolf Thaler, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Los Angeles. 

In Wien konzentrieren sich 68 Prozent aller österreichischen Startups. Sie treffen sich regelmäßig zum Stammtisch.
© startupstockphotos (pixabay, CC)

In Wien konzentrieren sich 68 Prozent aller österreichischen Startups. Sie treffen sich regelmäßig zum Stammtisch.

FÖRDERSZENE AUS WIEN

In Wien hat sich eine dynamische Community entwickelt. Der Interessensverband Austrian Startups organisiert jeden Monat einen Stammtisch. Mit i5invest wurde 2007 der erste private Inkubator und Fonds gegründet, 2011 folgten die Investment-Fonds Speedinvest und Speed Beteiligungs GmbH. Die Besonderheit: Startups werden nicht nur mit Geld unterstützt, sondern mit work-for-equity. Man arbeitet, unterstützt und verhandelt also für die Startups – bis zum Verkauf. 2012 gesellte sich zur Community die Austrian Angel Investors Association (AAIA) hinzu.

Bekannte Startups wie Runtastic, Gatherer, shpock oder Tripwolf kommen aus Österreich.
© Brasil Lailson Bandeira | Flickr

Bekannte Startups wie Runtastic, Gatherer, shpock oder Tripwolf kommen aus Österreich.

ERFOLGREICHE GRÜNDUNGEN

Eine kleine Auswahl aus dem Gründerland Österreich:

Kaum ein anderes heimisches Startup hat so von sich reden gemacht wie Runtastic. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen “einer der weltweit führenden Anbieter im Bereich mobiler Sport-Apps”.

Ein junges Startup aus St. Pölten macht mit seiner App Gatherer dem Weltmarktführer für Terminvereinbarungen, Doodle, Konkurrenz.

Mit den Apps mySugr Tagebuch und mySugr Junior sollen Nutzer ihre Diabetes-Erkrankung besser in den Griff bekommen. Das Wiener Startup ging 2011 an den Start.

Die Flohmarkt-App Shpock startete im Herbst 2012. Heute kaufen und verkaufen nach Unternehmensangaben mehr als 10 Millionen Menschen ungenutzte Dinge über die App.

Seit 2008 bietet Tripwolf eine mobile Reiseführer-App an und ist damit international erfolgreich.

Die Immobilien-Plattform Zoomsquare wurde 2013 in Wien gegründet. Sie liefert personalisierte Empfehlungen bei der Immobiliensuche.

„Wir sind Nörgelweltmeister“

Der Kärntner Andreas Röttl, Gründer der Reise-App Journi, stellte nach seinem Aufenthalt mit dem Programm fest: „Kaum etwas von dem, was ich während meines Wirtschaftsstudiums in Wien gelernt habe, hat mir genutzt. Vieles war einfach nicht mehr zeitgemäß.“ Das Silicon Valley tickt anders – und so mancher Österreicher kann sich davon eine Scheibe abschneiden. Das gilt für Startups ebenso, wie für etablierte Firmen. 

Der Wiener Unternehmer Mario Herger lebt seit mehr als 15 Jahren im Silicon Valley. Er sagt, in Österreich gebe es zwar genügend Talente, Wissen und eine gute Ausbildung. Aber auch ein Problem: „Wir sind Nörgelweltmeister.” Neue Ideen würden grundsätzlich als bedrohlich wahrgenommen. „In den USA spielen die Menschen mit Ideen.“ Um seinen Landsleuten ein Stück dieser Leichtigkeit zu vermitteln, organisiert Herger Touren für Unternehmer durch das Silicon Valley. „Wir müssen uns auf die digitale Zukunft viel mehr vorbereiten”, sagt er. Wer die Entwicklungen nicht vor Ort mitverfolgt, kann schnell den Anschluss verlieren. 

Digitalisierung als Chance

Dieses Credo hat das österreichische Startup Darwins Lab sogar zum Geschäftsmodell gemacht. Die Agentur bietet eine Art digitales Überlebenstraining für traditionelle Unternehmen an. Geschäftsmodelle werden überprüft und zukunftstauglich überarbeitet. Das Startup will so die Brücke zwischen old und new Economy schlagen. „Die erste Halbzeit im Match haben wir schon gegen das Silicon Valley verloren”, sagt Co-Initiator Lorenz Edtmayer. Es sei aber noch nicht zu spät. „Wir sehen in der Digitalisierung eine große Chance. Sofern man intern die Voraussetzungen schafft, hat jedes Unternehmen die Chance, ganz vorne mitzumischen.”

Denn obwohl alte Technologien abgelöst werden, heißt das nicht unbedingt, dass Unternehmen ihre Geschäftsmodelle komplett über Bord werfen müssen. Man kann laut Edtmayer auch mit Evolution punkten, wenn man bereit sei, sich neu zu erfinden. Es gilt also: von Startups lernen – und den Spirit des Silicon Valley ein wenig auf das eigene Unternehmen abfärben lassen.

„Mark Zuckerberg von Österreich“

Auch der Innovation Club will etablierte Unternehmen an die Themen Innovation und Digitalisierung heranführen. Dafür organisiert der Verein mehrtägige Reisen für Führungskräfte ins Silicon Valley. Co-Gründer ist Markus Wagner. Er ist einer der wichtigsten österreichischen Digitalunternehmer und wird auch der „Mark Zuckerberg von Österreich“ genannt. Wagner gründete den Startup-Inkubator i5invest und half damit heimischen Erfolgsgründungen wie Runtastic auf die Beine. Jetzt lebt er in dem kalifornischen Startup-Mekka und baut eine Schnittstelle zwischen dem Silicon Valley und Wien auf.

„Österreich denkt zu klein“, sagt Wagner. „Die meisten trauen sich nicht, ihre Ideen hochzuskalieren und auf die Weltbühne zu gehen.“ Wagner wünscht sich, dass mehr Österreicher nach Kalifornien kommen. Denn wer Erfolg hat, kann als Business Angel die nächste Generation Startups unterstützen.

Markus Wagner ist Gründer von i5invest, die für ihre Investments bei 123People, Tripwolf, Runtastic und Mobfox bekannt sind.

Markus Wagner ist Gründer von i5invest, die für ihre Investments bei 123People, Tripwolf, Runtastic und Mobfox bekannt sind.

Auch eingesessene Unternehmen können sich neu erfinden. Man muss nur den Mut dazu haben.
© startupstockphotos (pixabay, CC)

Auch eingesessene Unternehmen können sich neu erfinden. Man muss nur den Mut dazu haben.